von Gabriele Ritter
Aus der Clubzeitung DEPESCHE 04/2013 des Mercedes-Benz Veteranen Club von Deutschland e.V.:
Die nachfolgende Würdigung von Damen im Motorsport kann und will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie soll nur einen groben Überblick über ein doch sehr vernachlässigtes Thema ermöglichen. Alle Fahrerinnen zu beschreiben würde dann doch eher den Inhalt eines Buches füllen. Dafür bitte ich um Nachsicht.
Die Engländerin Dorothy Levitt schlug den umgekehrten Weg ein. Sie startete gleich auf Rennbooten und erzielte 1903 einen Geschwindigkeitsrekord mit einem Napier-getriebenen Boot. Im gleichen Jahr fuhr sie auch Automobilrennen und erzielte einen Klassensieg beim „Southport Speed Trial“ mit einem Gladiator. In den Folgejahren war sie die erste Werksfahrerin.
Erst 1918 mit Ende des 1. Weltkrieges ergaben sich weitere Perspektiven für Frauen im Motorsport. Maria Antonietta d’Avanzo war eine der Leitfiguren. 1920 nahm sie auf einem Buick bei der „Targa Florio“ teil. 1921 wechselte sie auf einen Ansaldo und startete bei diversen Rennen in Italien. Ihren größten Erfolg verbuchte sie bei einem sogenannten Herrenrennen in Brescia mit einem dritten Platz.
Ende der 1920er-Jahre wurde die Rennfahrerei zunehmend populärer. Als Folge erhöhte sich natürlich auch die
Zahl der weiblichen Piloten hinter dem Volant. Großveranstaltungen wie die britische RAC-Rallye hatten damals
deutlich mehr Rennfahrerinnen als heutige, vergleichbare Veranstaltungen.
Bei dem erstmals 1923 veranstalteten 24-Stunden-Rennen von Le Mans dauerte es damentechnisch allerdings
bis 1930: Odette Siko und Marguerite Maceuse starteten als erstes Damenteam. Sie erzielten auf Bugatti Typ 40 einen sensationellen siebten Platz. Dieses Ergebnis als reinrassiges mit Frauen besetztes Auto hat bis heute Bestand. 1932 trat Siko erneut an, diesmal mit einem männlichen Partner. Auf Alfa Romeo 8C Platz vier. Besser war später keine Frau mehr.
Verständlicherweise fanden in den 1940er-Jahren kaum Rennen statt.
Es sollte bis 1949 dauern, erst dann kamen Frauen wieder zum Zuge. 1951 erzielte das Damenteam Betty Haig und Yvonne Simon in Le Mans einen 15. Platz auf Ferrari 166 MM Coupe. Danach sollte es 20 Jahre dauern, bis hier wieder eine Frau am Start war: 1971 startete Marie-Claude Charmasson unter dem Alias-Namen Marie-Claude Beaumont. Nicht vergessen werden dürfen auch Sheila van Damm, Greta Molander, Annie Soisbault,
Lucette Pointet oder Claudine Trautmann. Alle letztgenannten debütierten in den 1960er-Jahren im Motorsport.
Giovanna Amati folgten ihr in der Königsklasse des Motorsports (siehe Depesche 2/2013). Divina Galica war die einzige Britin die versuchte in der F1 Fuß zu fassen. Zunächst aber war sie zwischen 1968 und 1971 eine der erfolgreichsten Rennläuferinnen in der Geschichte des britischen Skisports. Sie fuhr bei 15 Weltcuprennen unter die besten Zehn. 1976 startete sie dann beim Großen Preis von England im britischen Surtees-Ford-Teams. Allerdings scheiterte sie bereits in der Qualifikation. Zwei weitere Versuche in Argentinien und Brasilien folgten 1978 als Fahrerin im Team von Alexander Hesketh. Erfolgreicher war dann ihr Wechsel zum Truck Racing. Dort gewann sie die „British Class A Championship”.
Die Amerikanerin Janet Guthrie war die erste Frau die sowohl bei den Indianapolis 500 und den Daytona 500 mitfuhr. Die gelernte Flugzeugingenieurin bestritt ihr erstes Rennen 1963 auf einem Jaguar XK 140. Erst 1972 sattelte sie dann komplett auf den Rennsport um. 1976 war sie die erste „Amazone“, die bei einem NASCAR Winston Cup Super Speedway Rennen startete. 1977 folgte die Daytona 500 mit einem zwölften Platz. Umso bemerkenswerter, da zehn Runden vor Schluss zwei Zylinder des Motors den Dienst quittierten. Der Titel „Top Rookie“ rundete den Erfolg des Jahres ab. Weitere 30 NASCAR-Rennen folgten. Indianapolis sah sie insgesamt elf Mal auf der Rennstrecke. 2006 erfolgte für sie mit der Aufnahme in die International Motorsports Hall of Fame die größte Ehrung ihrer Karriere als Rennfahrerin.
Michèle Mouton gilt als erfolgreichste und bekannteste Rallyefahrerin der Motorsport-Geschichte. 1973 startete sie erstmals mit einem Renault Alpine A110 1600. 1975 und 1976 gewann sie sowohl die französische als auch die europäische Damen-Meisterschaft. 1977 ein weiterer Höhepunkt, der Rallyesieg in Spanien. Damit wurde sie Gesamt-Zweite in der europäischen Meisterschaft. 1978 wechselte sie in das Werksteam von Fiat Frankreich und gewann u.a. die Tour de France. 1981 dann die Entscheidung für Audi: Als erste Frau errang sie den Gesamtsieg bei einem Rallye-Weltmeisterschaftslauf, der Rallye San Remo, mit Co-Pilotin Fabrizia Pons auf Audi quattro. Siege bei der Rallye Portugal, der Rallye Griechenland und der Rally do Brasil folgten in 1982. Weitere zweite Plätze bei der RAC, in Portugal und in Schweden konnten dennoch nicht verhindern, dass sie die Fahrerweltmeisterschaft knapp gegen Walter Röhrl verlor. Gemeinsam mit Stig Blomqvist und Hannu Mikkola gewann sie für Audi die Marken-Weltmeisterschaft desselben Jahres. 1985 sicherte sie sich beim legendären Bergrennen in Pike’s Peak in einem Audi sport quattro als erste Fahrerin mit einem neuen Streckenrekord den Gesamtsieg. 1986 war sie die erste und bislang einzige Frau, die die Deutsche Rallye-Meisterschaft gewann. Diesmal auf einem Peugeot. Im gleichen Jahr beendete sie ihre aktive Laufbahn als Rennfahrerin. Seit 1988 organisiert sie mit Fredrik Johnsson, ihrem ehemaligen Lebenspartner, das alljährliche Michelin Race of Champions. 2011 wurde ihr der Titel „Ritter der Ehrenlegion“ durch den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy verliehen. Seitdem ist sie darüber hinaus offizielle Managerin der World Rally Championship (WRC) der Fédération Internationale de l’Automobile.
Die Amerikanerin Lyn St. James kam 1973 im Alter von 26 Jahren zum Motorsport. Sie ist eine von nur fünf Damen, die sich für die legendären Indianapolis 500 qualifizieren konnten. 1992 gewann sie prompt dort den Preis für den Rookie of the Year. 1993 bekam übrigens kein Geringerer als Nigel Mansell diesen Titel. Vorangegangen waren zwei Siege beim 24-Stunden-Rennen in Daytona 1987 und 1990. Rennen in Le Mans 1989 und 1991 rundeten ihr Profil ab. Unerreicht auch ihr Qualifying zur Indi 500 im Jahre 1995: Damen-Weltrekord mit 275,72 Meilen/Stunde. Seit 1994 verantwortet sie die von ihr gegründete „Winner’s Circle Foundation“, die sich um den weiblichen Nachwuchs im Motorsport kümmert.
Mit 29 Jahren kam die Britin Louise Aitken-Walker ungewollt zum Motorsport. Ihre beiden Brüder meldeten sie 1979 ohne ihr Wissen zum von Ford veranstalteten „Find a Lady Rally Driver”-Programm an. Unter 2.000 Teilnehmerinnen war sie die Beste. Bei ihrer ersten vom RAC veranstalteten Rallye erzielte sie 1981 einen respektablen 19. Platz. Zwei Jahre später Sieg bei der britischen Peter Russek-Rally auf Ford Escort. Höhepunkt dieses Jahres war der Sieg des Damenpreises bei der Rallye Monte Carlo mit einem Alfa Romeo. Höhepunkt ihrer Karriere war sicherlich der Gewinn der europäischen Damen-Rallye-Meisterschaft 1989. Darüber hinaus erhielt sie die Jim Clark Trophy sowie 1990 die Seagrave Trophy. Im gleichen Jahr erlitt sie einen schweren Unfall in Portugal. 1993 wurde sie mit eine der höchsten Ehrungen des Königreichs ausgezeichnet: Sie erhielt des Titel des MBE (Member of the British Empire). Danach beendete sie den aktiven Teil ihrer Motorsportkarriere. 2002 dann die nächste Ehrung mit der Aufnahme Scottish Sports Hall of Fame.
Die im Elsass geborene Cathy Muller stieg Anfang der 1980er-Jahre in den Motorsport ein. Motiviert durch die Erfolge von Mouton und Wilson war ihr Spielplatz zunächst die französische Renault Turbo Serie. 1983 dann der Wechsel in die Formel 3. Parallel dazu 1984 ein Erstauftritt in der World Sportscar Championship bei den Sandown 1000 für Gebhardt Motorsport. 1987 wurde sie Siebte beim 1.000 Km-Rennen auf dem Nürburgring. 1989 ein Ausflug in die USA zu den Indy-Lights Meisterschaften. Ein Rennen mit Platz 9. 1990 dann dort sechs Rennen, Gesamtergebnis Platz 16. 1991, zurück in Europa, folgte ein Intermezzo bei den 24-Stunden von Mans, bei der sie allerdings das Ziel nicht erreichte. Der Peugeot 905 Spider Cup sah sie 1993 als Gesamtfünfte, 1994 immerhin als Zweite.
Diese Aufzählung könnte bis in die Jetztzeit fortgesetzt werden: Rahel Frey, Claudia Hürtgen, Jutta Kleinschmidt, Ellen Lohr, Danica Patrick, Suzie Wolff und viele andere mehr…