Artikel aus der MVC Depesche 02/2014
Wir sind nachtragend … … aber, dass die Eidgenossen nach Ende des Zweiten Weltkrieg antideutsch eingestellt waren, ist bis heute nachvollziehbar. Allerdings ging es damals, 1950, um geschätzte 30.000 DM. Schauen wir zurück.
Anfang 1945, in den letzten Monaten des Krieges, wurden die beiden 1,5 Liter-Tripolis-Rennwagen vom Typ W 165 von Dresden nach Lugano in die Schweiz, dem damaligen Wohnort von Rudolf Caracciola, verlagert. Der Hintergrund war eindeutig: Bereits 1939 war die neue Grand Prix-Formel ab 1941 auf 1,5 Liter festgelegt worden.
Mercedes wollte für die neue Zeit gerüstet sein. Unbestätigten Quellen zu Folge soll dieser Aktion eine persönliche Vereinbarung zwischen Rudolf Caracciola und dem 1942 verstorbenen Daimler-Benz Generaldirektor Dr. Wilhelm Kissel zu Grunde liegen: Demzufolge wurden die beiden Silberpfeile Caracciola geschenkt. Offizieller Importeur war die Daimler-Benz Schweiz AG. Diese war aber zwischenzeitig von den Schweizer Behörden konfisziert.
Somit gingen auch die beiden W 165 in das Eigentum der „Schweizerische Verrechnungsstelle“ über, die für alle beschlagnahmten deutschen Werte zuständig war. Rudolf Caracciola und seine Frau Alice klagten gegen diese Beschlagnahme. Es folgte ein Prozess, der sich bis 1950 hinzog. Caracciola plante damals sogar noch die Teilnahme beim Rennen in Indianapolis 1946. Als Schweizer Staatsbürger war er nicht vom internationalen Verbot der deutschen Fahrer betroffen. Sein ehemaliger Chefmechaniker Walz reiste sogar nach Zürich, um zumindest einen W 165 rennfertig zu machen. Aber im letzten Moment wurde die bereits erteilte Freigabe von den Behörden zurück genommen. Dies basierte auf einem Einspruch des US Foreign Office. Die beiden Silberpfeile blieben im Schweizer Behördendeutsch „arrestiert“.
Caracciola’s Begründung, dass er die Wagen von Daimler-Benz erhalten habe, weil das für ihn fällige Monatshonorar nicht in die Schweiz überwiesen werden können, wurde aus Sicht der Schweizer Juristen wegen eines fehlenden Übereignungsvertrages nicht entsprochen. Der SPIEGEL berichtete Anfang September 1950: „Der Gerichtspräsident sagte zum Schluß: Ich habe selten einen Fall zu behandeln gehabt, in dem das juristische Gewissen soweit von meinem Gefühl entfernt war.“ Besonders bitter: Selbst die Gerichtskosten mussten von Caracciola übernommen werden. Damit stand einer Verwertung durch die Schweiz nichts mehr im Wege. Die Verrechnungsstelle inserierte daher auch beide Fahrzeuge in der „Zürcher Zeitung“. Verbindliche Offerten seien bis zum 15. Dezember 1950 einzureichen.
Die deutsche Automobil Revue, Herausgeber war der Automobilclub von Deutschland (AvD), berichtete damals: „Dass der Text dieser Anzeige von sportlicher Ritterlichkeit und Kameradschaft nicht diktiert ist, bedarf keiner besonderer Erklärung. Die Angelegenheit hat aber mit dieser öffentlichen Versteigerung unserer siegreichen Rennwagen noch nicht ihr Ende erreicht, denn es bestünde noch immer die Möglichkeit, dass Caracciola selbst oder die Daimler-Benz A.G. die beiden Rennwagen im Wege des Kaufs zurückerwerben, so dass es bei der materiellen Bereicherung der Verrechnungsstelle sein Bewenden hätte. Aus der Schweiz besitzen wir jedoch Informationen darüber, dass die Wagen weder an die Daimler-Benz A.G. noch an Caracciola, noch an einen anderen Deutschen verkauft werden dürfen, und dass auch jeder Käufer einer anderen Nationalität sich unterschriftlich verpflichten muss, die Rennwagen niemals an einen Deutschen zu verkaufen. Träfe diese Nachricht zu, dann käme es der Schweizerischen Verrechnungsstelle nicht allein auf den materiellen Vorteil, sondern auf die Vernichtung eines ideellen deutschen Gutes an, das für uns unschätzbaren Wert, für jeden Ausländer aber nur reinen Museumswert besitzt.“
Selbst die angesehene schweizerische Automobil-Revue, die mit dem AvD nichts zu tun hatte, resümierte, dass die beiden Rennwagen, nachdem der Verkauf in deutsche Hände ausdrücklich verboten war, für einen Privatkäufer völlig wertlos seien, da ihm die erforderliche Werksunterstützung für einen sportlichen Einsatz fehle. Der Museumswert wurde pro Fahrzeug auf 15.000 DM geschätzt. Die zur Versteigerung frei gegebenen Rennwagen kamen aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen letztendlich zu einem Preis von 100.000 Schweizer Franken wieder in den Besitz der Daimler-Benz A.G., allerdings ausschließlich für museale Zwecke. Für die Schweizer ein lohnendes Geschäft: Beschlagnahme und Wiederverkauf an den Eigentümer. Allerdings hatte dieser nicht vor, die Fahrzeuge nur museal zu verwerten. Am 15. Juni 1951 wurde ein Vorstandsbeschluss für den Neubau von fünf W 165 plus die entsprechende Anzahl an Reservemotoren unterzeichnet. Vermutlich wären die beiden Tripolis-Wagen unauffällig in diese „Neubau-Serie“ mit eingeflossen. Der Beschluss der FIA, dass 1952 und 1953 die Weltmeisterschaft nach F2-Reglement ausgetragen wird, machte dem allerdings den berühmten Strich durch die Rechnung. Die Franzosen wollten künftig keine deutsche Nationalhymne mehr hören, die Italiener wollten ihre Wagen weiter gewinnen sehen. Dies war dann das endgültige Aus für den legendären W 165.
Restaurantbesitzer Rudi Fischer
Was die Mercedes-Pläne von Rudi Fischer angeht, so sind diese in verschiedenen Ausgaben von „Das Auto“ 1950
nach zu lesen. Das Ganze wurde zeitweise sehr nationalistisch unter dem Motto „Deutsche Autos den Deutschen“
behandelt. Die Weigerung von Mercedes-Benz in Sachen Unterstützung kam sicherlich auch unter dem Druck der Öffentlichkeit und der Medien zustande.
Rudi Fischer, ein Restaurantbesitzer aus Zürich, wollte die beiden W 165. Seine Idee war, einen Wagen im Tausch
für die Überholung des anderen an das Werk zu geben. Alfred Neubauer hatte seine Mühe und Not, ihm das aus
zu reden: Die Wagen seien nicht fertig entwickelte Prototypen, bei denen nach Tripolis noch nicht einmal das Öl
abgelassen worden sei. Erst nachdem Neubauer die Kosten für die Wiederinbetriebnahme mit einer Million DM
bezifferte, gab Fischer auf.
Die von Neubauer gegenüber Fischer gemachte Aussage, dass die beiden W 165 nach Tripolis direkt eingemottet
wurden, entsprach nachweislich nicht der Wahrheit. Sie diente nur dazu, Fischer von dem Projekt abzuhalten. Noch im Kriegsjahr 1940 wurde der W 165 weiter entwickelt und zumindest einer der beiden in einen rennfertigen Zustand versetzt. Nach offizieller Propaganda sollte der Krieg in Kürze zu Ende und natürlich von Deutschland gewonnen sein. Ziel war daher damals ohne Pause an die Vorkriegserfolge anzuknüpfen. Alle seriös an den W 165 interessierten Parteien wussten, dass ohne die technische Unterstützung von Mercedes-Benz kein professioneller Einsatz möglich war. Auch Fischer war dieses klar. Mercedes-Benz dachte aber zu diesem
Zeitpunkt ernsthaft über einen eigenen Einsatz nach. Eine Tatsache, die allerdings vor der Öffentlichkeit – vor
allem der ausländischen – geheim gehalten wurde.
Fotos Daimler AG und privat