Die neue Oberklasse-Modellgeneration mit den Typen 250 S, 250 SE und 300 SE wird ab dem 16. September 1965 auf der IAA in Frankfurt präsentiert. Sie treten die Nachfolge der Heckflossen-Typen 220 Sb, 220 SEb (W 111) und 300 SE (W 112) an. Allen drei Modellen gemeinsam ist eine von Paul Bracq gezeichnete Karosserie, deren klare Linienführung auf modisches Beiwerk verzichtet und die mit ihrer zurückhaltenden Eleganz auch heute noch zeitlos wirkt. Hinsichtlich ihres technischen Konzepts entsprechen die neuen Typen weitgehend ihren Vorgängermodellen. Neu sind außer der Karosserie die beiden 2,5-Liter-Motoren, die man aus den entsprechenden 2,2-Liter-Aggregaten (M 180) durch Aufbohren und Vergrößerung des Hubs entwickelt hat. Die Kurbelwelle ist nun siebenfach gelagert, und ein Öl-Wasser-Wärmetauscher sorgt für einen besseren Wärmehaushalt im Ölkreislauf. Bei der Einspritzversion wird anstelle der Zweistempelpumpe nun eine Sechsstempel-Einspritzpumpe verwendet. Sowohl der Vergasermotor (M 108) als auch die Einspritzversion (M 129) sind uns nicht unbedingt als Wunder hinsichtlich minimalen Ölverbrauchs und Vollgasfestigkeit in Erinnerung geblieben.
Im Gegensatz zu seinem Vorgängermodell ist der neue Typ 300 SE nicht mehr mit Luftfederung ausgerüstet. Dafür hat er, wie auch die beiden 2,5-Liter-Typen, eine hydropneumatische Ausgleichfeder an der Hinterachse, die anstelle der bisherigen Schraubenfeder montiert ist und das Niveau des Aufbaus unabhängig von der Beladung konstant hält. Das parallel gebaute Auslaufmodell 230 S, noch ein W 111, erhielt ebenfalls diese hydropneumatische Ausgleichfeder aus dem Hause BOGE. Im März 1966 wird die Modellpalette um den Typ 300 SEL (W 109) erweitert, der einen gegenüber dem Basismodell um 100 Millimeter verlängerten Radstand hat. Der Raumgewinn kommt dabei ausschließlich dem Fußraum im Fond und der Einstiegsbreite der Fondtüren zugute. Wie bei seinem direkten Vorgänger mit gleicher Typenbezeichnung gehört auch beim neuen Typ 300 SEL Luftfederung zur Serienausstattung. Werksintern sind die Typen mit konventioneller Federung in der Baureihe W 108 zusammengefasst, der luftgefederte 300 SEL wird jedoch unter der Bezeichnung W 109 einer eigenständigen Baureihe zugeordnet.
Zwei Sonderausführungen
In den Jahren 1966 und 1967 entstehen in Sindelfingen zwei ganz besondere Varianten des Typ 300 SEL speziell für den Vatikan. entwickelt. Im Juni 1966 wird ein Landaulet mit normalem Radstand fertig gestellt, das sich von der Serienlimousine durch einen einzelnen Sessel im Fond sowie das bis zur Vorderkante der Fondtüren reichende Landaulet-Verdeck unterscheidet. Fast ein Jahr später, im Mai 1967, kommen zwei identische sechssitzige Limousinen zur Auslieferung, die auf einer um 650 Millimeter verlängerten Bodengruppe aufgebaut sind und modifizierte Fondtüren sowie zwei Klappsitze im Fond bieten.
Die Produktion der Typen 250 SE und 300 SE endet mit Beginn des Jahres 1968; als Nachfolger werden im Januar die Typen 280 S und 280 SE vorgestellt, die sich nur in der Motorisierung und in Ausstattungsdetails von ihren Vorgängern unterscheiden. Der neu entwickelte 2,8-Liter-Sechsylindermotor (M 130) leistet in der Vergaserversion 140 PS (103 kW) und mit Benzineinspritzung 160 PS (118 kW). Eine leistungsgesteigerte Version des Einspritzmotors mit 170 PS (125 kW) wird nicht nur in den Mercedes-Benz 280 SL eingebaut, sondern kommt – ebenfalls von Januar 1968 an – auch im 300 SEL zum Einsatz, wo er den bisherigen 3,0-Liter-Leichtmetallmotor (M 189) ersetzt.
Das Spitzenmodell Mercedes-Benz 300 SEL 6.3
Spitzenmodell der Modellreihe wird im März 1968 der Typ 300 SEL 6.3, der den V8-Motor (M 100) und das Automatikgetriebe des Mercedes-Benz 600 hat und damit das Leistungspotential hochkarätiger Sportwagen erreicht. Seine Vorstellung auf dem Genfer Salon ist eine Sensation, zumal es im Vorfeld keinerlei Andeutungen gegeben hatte. Von außen ist der 6.3 nur an den breiteren Reifen, den Halogen-Doppelscheinwerfern und den zusätzlichen Weitstrahlern zu erkennen. Der Motor leistet 250 PS (184 kW), bedeutsamer dürfte aber das gewaltige Drehmoment von 51 mkg (500 Newtonmeter) sein. Damit beschleunigt die Limousine in 8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 221 km/h angegeben. Obwohl er über 10 000 DM mehr kostet als ein Typ 300 SEL und mehr als doppelt so teuer ist wie der Typ 280 SE, stößt der Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 auf ein vergleichsweise lebhaftes Interesse und wird in einer Stückzahl von 6526 Einheiten produziert. Die sportlichen Erfolge der entsprechenden AMG-Modelle sollen hier nicht im Einzelnen behandelt werden und sind einem anderen Artikel vorbehalten.
Im Herbst 1969 wird der Typ 300 SEL mit 2,8-Liter-Sechszylindermotor vom Typ 300 SEL 3.5 abgelöst, dessen Antriebsaggregat ein völlig neu konstruierter „kleiner“ V8-Motor (M 116) mit 3,5 Liter Hubraum und 200 PS (147 kW) ist. Ab März 1971 kommt dieser Motor auch in den Typen 280 SE 3.5 und 280 SEL 3.5 zum Einsatz; sie haben eine konventionelle Stahlfederung. Der Typ 280 SE mit Sechszylindermotor ist auch weiterhin erhältlich, während der Typ 280 SEL zugunsten des Achtzylindermodells aus dem Programm genommen wird. Ausschließlich für den nordamerikanischen Markt gibt es parallel zum 3,5-Liter-V8-Motor eine hubraumstärkere Variante mit 4,5 Liter Hubraum (M 117), die ab Mai 1971 in den Exportmodellen 280 SE 4.5, 280 SEL 4.5 und 300 SEL 4.5 ausgeliefert wird.
Als besondere, nicht auf dem freien Markt angebotene Modellvariante der Baureihen W 108/109 entsteht 1971 die Sonderschutz-Ausführung des Typ 280 SEL 3.5. Nachdem seit der Fertigstellung der beschussgesicherten Mercedes-Benz 600 Pullman-Limousine im Juni 1965 keine sondergeschützten Fahrzeuge bei Daimler-Benz produziert worden sind, geht der Anstoß zur Entwicklung dieser Variante von mehreren Bundesbehörden aus. Durch Überfälle, die im Jahre 1970 auf Diplomaten in Lateinamerika verübt werden, sieht sich das Auswärtige Amt veranlasst, die Dienstwagen verschiedener Missionschefs besonders zu sichern. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist der sondergeschützte Typ 280 SEL 3.5, der zwischen Mai 1971 und September 1972 in 28 Exemplaren produziert und an die besonders gefährdeten Auslandsvertretungen der Bundesrepublik geliefert wird.
Die Produktion der sehr erfolgreichen Baureihen W 108/109 endet im September 1972. Insgesamt werden 383 341 Fahrzeug hergestellt. Nachfolger ist die Baureihe W 116, die erstmals den Namen S-Klasse erhält.