Champion im Wirtschaftswunderland

von www.auto-und-uhrenwelt.de

Große Erfolge, tiefe Krisen

Die Geschichte der Pfäffinger Maico-Werke war ein stetes Auf und Ab. Mit über dreißig Maico-Exponaten dokumentiert die Sonderausstellung im Auto- und Uhrenmuseum ErfinderZeiten in Schramberg einen faszinierenden Streifzug durch die Geschichte eines schwäbischen Traditionsunternehmens – schwäbisches Tüftlertum und mobile Zeitgeschichte – vor allem auf zwei Rädern.

Die MAICO-Story begann nicht in Pfäffingen bei Tübingen sondern im benachbarten Poltringen. Das Familienunternehmen wurde 1926 von Ulrich Maisch gegründet und stellte in kleiner Serie Fahrräder und Fahrradzubehör her. Schon 1928 kam die erste Herausforderung: Mit der Weltwirtschaftskrise kam tiefste Rezession, Massenarbeitslosigkeit und Inflation. Es war keine Zeit für gute Geschäfte. Auch als Maischs Söhne, Otto und Wilhelm, fünf Jahre später die Fahrradproduktion übernahmen, waren die Bedingungen bescheiden. Sie ließen sich nicht beirren und stellten weiter in meisterlicher Handwerksmanier, die alsbald sehr gefragten MAICO-Fahrräder her.

Als 1933 vom Staat die Steuer- und Führerscheinbefreiung für Motorräder bis 200 ccm beschlossen wurde, entschlossen sich die Maisch-Brüder zur Herstellung von Kleinmotorrädern. Fichtel & Sachs und ILO boten damals entsprechende Einbaumotoren an. Bereits 1935 präsentierte Maico nicht weniger als sechs Fahrzeugtypen. Zeitgleich zeichnete sich nach der Krise wieder wirtschaftlicher Aufschwung ab.

Bereits 1939 stand der nächste Wandel wirtschaftlicher Rahmenbedingungen an. Die nationalsozialistische Regierung beschloss die Reduktion der Typenvielfalt im deutschen Fahrzeugbau. MAICO war gezwungen, ein Einheitsmodell zusammen mit den Herstellern Hecker, Tornax und UT zu bauen. Dieses Modell, die K 125 mit 125-cm³-ILO-Doppelsportmotor (Einzylinder mit zwei Auspuffrohren), wurde federführend von MAICO entwickelt und auch während des Krieges, neben der Produktion von Zulieferteilen für die Rüstungsproduktion, in kleiner Stückzahl gebaut. Für den Export waren die 98-cm³- und 118-cm³- Modelle weiterhin lieferbar. Mit Kriegsbeginn wurde der Motorradbau in Deutschland eingestellt – ausgenommen „kriegsverwendungsfähige“ Fahrzeuge.

Nach Kriegsende war MAICO einmal mehr in akutem Existenzkampf. An Motorradproduktion war nicht zu denken. Die Idee, Benzinmotoren in Kleinserie auf Holzvergaser umzurüsten, sah nach Rettung aus. Die französische Besatzungsmacht machte einen Strich durch die Rechnung und beschlagnahmte das gesamte Produktionsmaterial und demontierte alle Fertigungsmaschinen. Die Produktion von Holzspielzeug, Fahrradersatzteilen sowie Reparaturen aller Art für die französische Armee waren jetzt der letzten Rettungsanker. Ein Umzug der Firma in die liberale „Amerikanische Westzone“ nach Herrenberg erwies sich als Flucht nach vorn. Die dortigen Handelsbedingungen ließen die handwerkliche Herstellung von Fahrrädern wieder zu.

Mit der Währungsreform 1948 und der Lockerung der Handelsbeschränkungen durch die Alliierten kam die Wende. Es gab wieder Grundmaterialien und einen Markt für Motorräder. Autos waren noch unerschwinglich. MAICO profitierte von dieser Entwicklung. Sofort wurde eine Reihe neuer Modelle hergestellt. Alle entsprachen den Bedürfnissen der Zeit: Einfache, anspruchslose, sparsame und zuverlässige Beförderungsmittel.

Bereits 1952 stieg die Produktion bei MAICO auf über 26.500 Motorräder.

Anlehnend an die italienischen Motorroller entwickelte MAICO die bemerkenswerte „MAICOletta“, die damals weltweit als stärkster in Serie gefertigter Roller galt und dem Unternehmen ordentliche Umsätze bescherte. Auch das MAICO-Mobil sorgte für große Aufmerksamkeit. Das Maico-Mobil sollte mehr sein als nur ein schnöder Motorroller. Als „einspuriges Auto“ debütierte es auf dem Genfer Autosalon. Das Fahrzeug sollte edel ausgestattet, eine neue Fahrzeugklasse begründen. Maicos neues Gefährt hatte einiges zu bieten: Es bot mehr Wetterschutz als normale Zweiräder und ließ sich in engen Städten besser parken als ein Auto. Auch hinter der Windschutzscheibe herrschte Auto-Atmosphäre, dank Armaturenbrett mit Zündschloss, Handschuhfach und Tacho. Der Erfolg fiel jedoch bescheiden aus – das Maicomobil führte auf deutschen Straßen ein Schattendasein. Nach knapp 10.000 gebauten Einheiten wurde die Produktion 1958 eingestellt. Parallel zu den Rollern baute MAICO die Motorräder „M 150“ und „M 200“.

MAICO und der Motorsport

Ohne Maico wäre der internationale Motorsport um einige Kapitel ärmer. Sportlich ambitionierte MAICO-Ingenieure identifizierten sich von Herzen mit der Marke. Am Wochenende waren sie oft als Rennfahrer im Einsatz, am Montag wieder im Konstruktionsbüro mit vielen neuen Erkenntnissen. In ganz Europa fuhren Maico-Maschinen und Maico-Fahrer glorreiche Siege ein. „Sportliche Rekordbilanz bei Maico“ titelte das TAGBLATT vom 8. Dezember 1955. Die sportlichen Erfolge von MAICO führten zu positivem Markenimage in ganz Europa und Übersee.

Der Auto Boom der Fünfziger

Maicos wirtschaftlicher Erfolg geriet Mitte der fünfziger Jahre einmal mehr in Bedrängnis. Mitte der 50er-Jahre brach der Motorradmarkt ein. Die Menschen sehnten sich nach Autos. Es war die Ära des VW Käfer, der BMW Isetta, des Leukoplast-Bombers von Lloyd. Es war die Zeit der großen Automobil-Konzerne, die fette Gewinne einstrichen. Den Motorrad-Firmen wie Zündapp, Victoria oder Maico blieben die Kunden fern. Das Auto wurde zum Trend der Zeit.

Auch Maico wollte dabei sein. Mitte der 50er Jahre versuchte sich der Motorrad-Hersteller am Autobau. Der Hoffnungsträger wog nur knapp 500 Kilogramm. Die Pfäffinger suchten und fanden ihren Champion, ein Klein-Mobil aus dem Ingenieur-Büro Holbein in Herrlingen bei Ulm. Rund 5000 Champions knatterten um 1955 über Deutschlands Straßen. Das Auto an sich war seinerzeit wirklich wegweisend. Modulbauweise, Wasserkühlung, Zahnstangenlenkung: Das war damals fortschrittliche Technik. Im Champion steckte mehr Know-how als im Käfer.“ Aber dem sportlichen Zweitakter zum Preis von rund 4500 Mark stand der Wolfsburger Viertakter zum Preis von 3800 Mark gegenüber. Im Jahre 1956 konnte man nur noch rund 1500 Exemplare verkaufen.

Maico musste handeln. Und brachte noch im selben Jahr einen eigenen Viersitzer auf den Markt: den Maico 500, ein Eigengewächs. Das Auto war nicht schlecht. Es hatte einen unverwüstlichen Motor und eine moderne Kühlung. Der 500er bot einen wassergekühlten Heinkel-Zweizylinder Motor mit 18 PS zum Preis von 3500 Mark. Der Maico 500 war ein Auto für Jedermann. Ein Werbespruch für den Pfäffinger Familienwagen lautete:

„Sie brauchen den Gürtel nicht enger zu schnallen!“

Der Verbrauch des 500er lag unter dem des VW Käfer, die Technik war ausgefeilter, das sportliche Design orientierte sich am Champion. Und doch: In gewisser Weise eilte dem 500er ein schlechter Ruf voraus – der 500er war sehr laut: ein kleiner, stinkender Zweitakter. Der Preis war zwar attraktiv, aber vereinzelte Lenkradbrüche machten den Maico 500 für viele Kunden verdächtig. Schlechte Presse kam dazu: Ein „Spiegel“-Beitrag vom August 1957 stellte den 500er als Mängel-PKW dar. Der Image-Schaden für die Pfäffinger war erheblich.

Die niedrige Gewinnspanne des Maico 500 wurde zum nächsten Problem: Maico konnte den 500er zwar preiswert anbieten, musste aber entsprechend große Mengen verkaufen. Doch der Run auf das Fahrzeug blieb aus.´Der Traum eines Volkswagens aus dem Schwabenland war ausgeträumt. Maico beantragte beim Wirtschaftsministerium in Stuttgart „Staatshilfe“. Vergeblich: Im Frühjahr 1958 war die „Maico-Werk GmbH Pfäffingen“ zahlungsunfähig.

Was folgte, war der bis dahin größte Wirtschaftsprozess in der deutschen Nachkriegsgeschichte: Otto Maisch, der die Geschäfte seinerzeit zusammen mit seinem Bruder Wilhelm führte, musste sich verantworten. Über zehn Millionen Mark schuldeten die Maico-Werke ihren Gläubigern, zu denen pikanterweise auch die Pfäffinger Maisch-oHG und die Herrenberger Maico-Fabrik gehörten.

Der Konkurs wurde sozial verträglich aufgefangen: Alle Mitarbeiter des Pfäffinger Werks fanden bei der Maico-Fabrik Herrenberg ihr Auskommen. Geschäftsführer Otto Maisch allerdings wurde 1960 vor dem Tübinger Landgericht zu zwanzig Monaten Haft verurteilt.

Das Ende des Auto-Abenteuers

Unter dem Namen Maico wurden von nun an wieder ausschließlich qualitativ hochwertige Motorräder produziert. Langsam kehrte der Erfolg zurück. Dazu kam ein Großauftrag der Bundeswehr, mit dem die 500 Maico-Mitarbeiter von 1959 an ihr Geld verdienten. Maico hatte eine Nische gefunden: In der Fabrik entstanden kaum noch Straßenmotorräder, stattdessen wurden erstklassige Motocross-Maschinen mit gutem Profit auch ins Ausland geliefert. Zugleich dauerten die sportlichen Erfolge bis Ende der siebziger Jahre an.

1983 folgte eine weitere Insolvenz: Rund 150 Beschäftigte mussten damals ihren Hut nehmen. 1986 ging in der Firma endgültig das Licht aus, und die Marke Maico wurde zuerst nach Nördlingen, dann ins holländische Utrecht verkauft. Heute besitzt das Leverkusener Unternehmen Köstler die Markenrechte. Köstler baut die Motorräder mit dem „M“ auf dem Tank als Einzelstücke für Liebhaber nach. Maico steht bis heute hauptsächlich für eins: „Exzellente Motorräder und Motocross-Maschinen“.

Die MAICO-Story im Auto- und Uhrenmuseum ErfinderZeiten

Die Ausstellung im Auto- und Uhrenmuseum in Schramberg ist laut Fachleuten die wohl umfassendste Sonderschau zum ehemaligen Pfäffinger Traditionsunternehmen MAICO die bisher zu sehen war. Gezeigt werden die Milestones von MAICO, sowohl auf zwei als auch auf vier Rädern. Die schwäbische MAICO-Story im Auto- und Uhrenmuseum beginnt mit dem ältesten noch vorhandenen Fahrzeug von MAICO – einem Fahrrad mit Holzfelgen aus dem Jahr 1926 und endet mit dem schnell geplatzten Traum eines schwäbischen Volkswagen – beginnend mit dem Champion und dem MAICO 500 bis hin zum raren stilistischen Meisterwerk – dem MAICO 500 Sport.

Die renommierte Reutlinger Karosseriebau-Firma Wendler baute vier Spider-Prototypen auf Basis des MC 500. Von den vier Spidern hat wohl nur dieser eine in der Ausstellung die Zeit überlebt. Ein einmaliges Exponat der MAICO-Geschichte!

 

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