Dossier: Mercedes-Benz Typ 130

Mercedes-Benz Typ 130 Cabriolimousine 1935

Mercedes-Benz Typ 130 Cabriolimousine 1935

Das hässliche Entlein!?

Mercedes-Benz Typ 130 mit Heckmotor 1937

Mercedes-Benz Typ 130 mit Heckmotor 1937

Einen „Witz der Geschichte“, wird es von einigen Historikern genannt, dass ausgerechnet Dr. Ferdinand Porsche, Liebhaber großvolumiger Motoren und ungebändigter Leistung, als Vater des VW Käfer gelten sollte. Er, Porsche, war aber auch eigentlich nicht dagegen, Fahrzeuge mit so „lächerlich kleinen Maschinen“ zu bauen. Und nur die wenigsten wissen, dass die ersten Volkswagen nicht im gleichnamigen Werk entstanden sondern in den Werkstätten von Daimler-Benz. Vorläufer und Serienwagen mit ähnlichem Grundgedanken gab es jedoch auch als Produkte der eigenen Marke, schließlich war man immer an Alternativen interessiert. Und so setzte die Firmenleitung sich durch. Porsche schied jedoch weit vor dem 130 aus dem Unternehmen und Hans Nibel trat sein Erbe an. Allerdings erlebete er den „Erfolg“ der Heckmotoren nicht mehr, da er 1934 starb.

Der richtige Club für Rahmenfahrzeuge aus dem Daimler-Benz-Programm ist der MVC (Mercedes-Benz Veteranen Club) von Deutschland.

Der andere Rahmen

Der Typ 140 W 01 hatte erstmals den später in der Serie eingesetzten Zentralrohrrahmen und einen vorn liegenden Sechszylinder-Motor. Diese Verbindung war jedoch so ungünstig, daß man 1926 nur acht Versuchswagen gefertigt und werksintern erprobt hatte. Die Versuche und Erkenntnisfindung dauerten über ein Jahr. Nach dem damaligen Kenntnisstand wurden dann im Februar 1928 die ersten von knapp 30 des Typ 130 gebaut. Diese waren jedoch allesamt verschieden. Bei jedem wurde eine neue Änderung ausprobiert und hier entstanden auch die ersten Fahrzeuge mit Schwingachse. Der Motor dieser W 14 leistete 25 PS und war als Vierzylinder dem späteren 19134-1934-fahrgestell-vornSerienaggregat schon sehr ähnlich. Jedoch Zentralrohr-Rahmen und Motor vorn schien nicht recht zusammen zu passen und so entstanden 1931 zwölf Versuchswagen mit der Bezeichnung 120 W 17. Sie besaßen einen luftgekühlten Boxermotor mit gegenüberliegenden Zylindern. Jeweils zwei Zylinder dieser Viertaktkonstruktion waren in einem Block gegossen und dann beide Hälften am Kurbelgehäuse angeschraubt. Jetzt war die Antriebseinheit erstmalig ins Heck und zwar hinter die Hinterachse gerutscht. Daß man hierüber nur so wenig weiß, liegt daran, daß die gesamten Versuchswagen in keiner normalen Produktionsstatistik auftauchen. Man muß also für diese Informationen in den Test- und Prüfberichten verschiedener Institutionen suchen.

Experimente

Mercedes-Benz Typ 120 W17 1932

Mercedes-Benz Typ 120 W17 1932

Da stößt man auch auf Versuche mit Dreizylinder-Diesel im Heck und andere wilde Konstruktionen. Der Typ 130 resultierte also aus dem 120, in dem man viele Fehlerquellen, unter anderem auch den Motor, erkannte und daraus lernte. Triebwerk des 130 war dann auch wieder viel traditioneller gebaut. Ein wassergekühlter Reihenvierzylinder mit untenliegender Nockenwelle und Stößel zu den stehenden Ventilen. Erhalten bleib vom 120 jedoch die hintere Pendelachse, die bereits beim 170 Sechszylinder erfolgreich und nach und nach bei allen Modellen eingesetzt wurden. Aber bei der Vorderachse

Mercedes-Benz Typ 175H W23 1933 mit dreizylinder Dieselmotor

Mercedes-Benz Typ 175H W23 1933 mit dreizylinder Dieselmotor

entschied man sich für einzeln aufgehängte Räder an zwei querliegenden Blattfedern anstelle der herkömmlichen starren Faustachse mit halbeliptischer Federung. Die Bremse wirkte zwar ebenfalls auf alle vier Räder, jedoch statt mechanischer Umlenkung vertraute man der dünnflüssigen Hydraulik einer Ate-Lockheed-Bremse.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters

Das ungewöhnlichste an den Heckmotor-Fahrzeugen ist jedoch der erste Eindruck. Der fehlende Kühler vorn, das relativ lange und unförmige Heck und die Lufteinlaß-Schlitzen vor den hinteren Kotflügeln. Dem Typ 130 sehr ähnliche Fahrzeuge entstanden Mitte 1932 unter den Dächern der späteren Auto Union-Werke. Hermann Ahrens war es, der jedoch nicht nur für die Heckmotorwagen in Zwickau verantwortlich zeichnete, sondern alle produzierten Pkw trugen seine Handschrift im Erscheinungsbild. Anfang der Dreißiger Jahre war es auch, daß sich Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz hauptsächlich über das Argument der Technik verkauften. Wer aber ein schönes Auto haben wollte, neigte dann doch eher zu einem Horch. Wer noch mehr Eleganz benötigte, griff aber zu ausländischen Fabrikaten wie Talbot, Delahye und Delage. Jedoch die Dame oder der Herr, die die Absicht hatten beides zu vereinen, Spitzenstand

1934 Dei Elegante Welt berichtet, dass Irmgard Lange-Allmers aus Aachen am Nürburgring mit ihrem Typ 130 zu sehen war

1934 Dei Elegante Welt berichtet, dass Irmgard Lange-Allmers aus Aachen am Nürburgring mit ihrem Typ 130 zu sehen war

der Technik und Eleganz, konnten nur ein Fahrgestell eines Mercedes kaufen und ließen es sich von einer anderen Karosserie-Firma aufbauen. Daimler-Benz schnitt mit den eigenen Wagen bei Schönheitswettbewerben bedauerlicherweise immer schlechter ab als die Auto Union. Dem mußte Abhilfe geschaffen werden. Was lag also näher als den Verantwortlichen für die Karosseriegestaltung von dort abzuwerben?! Und genau so geschah es. Dr. Wilhelm Haspel hatte die Idee, den gesamten Karosseriebau auf das Werk Sindelfingen zu verlegen. Und richtig: „Sindelfinger Karosserie“ sollte später zum Qualitätssymbol werden.

Ein junger Designer

Wir können davon ausgehen, daß Jörgen Skafte Rasmussen, seinerzeit Besitzer der Horch, Audi und DKW Werke, nicht sonderlich erfreut war, als er hörte, das die Daimler Vorstandsmitglieder Nibel und Kissel den jungen Hermann Ahrens, anläßlich eines „Concours d‘ Elégance“ in Baden Baden, abwarben. Er sollte als Leiter des Sonderwagenbaus in das Stuttgarter Unternehmen wechseln. Ganze 28 Lenze zählte er, als er dann am 12. September 1932 sein neues Betätigungsfeld in Beschlag nahm. Zu den Sonderwagen zählten zuerst natürlich die Vorserien und Prototypen. Auf deren Basis würden dann gegebenenfalls auch die Serienwagen entstehen – wie beim Typ 130. Daß es also in Zwickau kurz vorher Wagen gab denen der 130 wie „aus dem Gesicht geschnitten“ scheint, ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich. Der Typ 130 (W 23) wurde in seiner endgültigen Form dann im Februar 1934 einem staunenden Publikum präsentiert. In Berlin fand zu diesem Zeitpunkt nämlich die IAMA (Internationale Automobil und Motorad Ausstellung) statt. Dieses Fahrzeug war deshalb eine so große Überraschung, da keiner der Test- und Erprobungswagen jemals der Öffentlichkeit auch nur angedeutet wurde. Der 130 stellte zwar den kleinsten Vertreter des Stuttgarter Unternehmens dar, war aber im Vergleich mit anderen Herstellern der größte Wagen mit Heckmotor aus deutscher Produktion. Auch daß erstmals ein Wagen mit Vierzylinder-Motor unter Stern und Lorbeerkranz verkauft wurde, war ein Novum. Der Zentralrohrrahmen mit der Gabelung hinten, wo die

Mercedes-Benz Typ 130 mit Heckmotor 1935

Mercedes-Benz Typ 130 mit Heckmotor 1935

Antriebseinheit verbaut wurde, galt unter Fachleuten der damaligen Motorpresse als äußerst fortschrittlich. Mit wenigen Schrauben konnte die komplette Heckpartie vom Blechkleid befreit werden und alles außer Elektrik und Lenkung war übersichtlich und zugänglich.

Ungewöhnliche Fahrleistungen

„Der Motor ist seitengesteuert und gibt bei sehr zivilen 3000 Touren gute 26 PS Bremsleistung ab, die durchaus als Dauerleistung verstanden werden kann. Rechts am Motorblock sitzt der Steigstromvergaser 26 FVRS der Firma Solex (Anmerkung: Es kam auch 26 BFRVS zum Einsatz). Die Kraftstofförderung erfolgt durch Ausnützung des natürlichen Gefälles aus dem rechts angebrachten 30 Liter Tank. Die üppige Ausstattung mit Aschenbecher mit Zigarrenanzünder, Innenraumbeleuchtung, ATE-Lockheed Bremsen an allen vier Rädern, allerlei Meßuhren, kleineren Gepäckfächern in Innenraum und einem Viergang-Getriebe, welches teilweise synchronisiert ist, machen ihn trotz seiner geringen Größe zu einem echten Mercedes.

Mercedes-Benz Typ 130 Heckmotor 1934

Mercedes-Benz Typ 130 Heckmotor 1934

Auch die Karosserieform ist für heutige Verhältnisse sehr fortschrittlich und vertritt ganz konsequent die ‚Stromlinien-Form‘.“ Die Fachpresse überschlug sich förmlich mit Lobeshymnen die allerdings schon nach den ersten Probefahrten gedämpft wurden. Schließlich war der 130 nicht nur ungewöhnlich im Erscheinungsbild, sondern auch die Handhabung fiel dem „Normalfahrer“ nicht ganz leicht. Außerdem war er nicht „billig“, wie die Ausstattung bereits vermuten läßt. Der Innenlenker kostete 3.425 Reichsmark. Eine Cabrio-Limousine schlug mit 3.625 RM und ein Tourer mit stolzen 3.900 Mark zu Buche. Heckmotorwagen mit ihrer meist ausgeprägten Übersteuerungsneigung bedurften schon immer einer „schnellen“ Lenkung – der 130 hat sie: Eine äußerst exakt arbeitende Zahnstangenlenkung mit Schraubenvorgelege ermöglicht die schnelle Kurskorrektur bei Abwandern des Hecks.

Hinten mit H?

Mercedes-Benz Typ 130 Tourer von 1934

Mercedes-Benz Typ 130 Tourer von 1934

War Hermann Ahrens bei Auto Union abgeworben worden um das Gestalterische in die Hand zu nehmen, ist ihm das, nach heutiger Meinung einiger vermeintlicher Experten, beim Typ 130 überhaupt nicht gelungen. Viele verurteilen die optisch kaum geliederte Haube und die unorganisch angesetzten Kotflügel. Auch die Gestalt des konstruktiv bedingten langen Hecks erregt nicht mehr unbedingte Begeisterung und erinnert ein wenig an einen Entenbürzel. Hierfür erhielt er intern den Kosenamen „Heckschnauzerle“. Um das, trotz relativ großer Fensterflächen, käferartige Aussehen doch noch zu retten, griff man zum Strohhalm der Zweifarbigkeit. Die drei normalen Serienfarben (grau, blau und rot), so wie die beiden Sonderfarben (maroon und beige) wurden grundsätzlich durch schwarze Kotflügel kontrastiert. Drei jeweils zweitürige Karosserie-Varianten standen anfangs zur Auswahl: Der Innenlenker, die Kabriolett-Limousine und der offene Tourer mit seitlichen Steckscheiben. Letzterer wurde bereits ab Januar 1936 aus dem Angebot gestrichen, wähend die gesamte Produktion im März des Jahres stoppte. Die großzügige Auslegung des Fahrgastraumes war nur bei einem Heckmotor möglich und ging stark zu Lasten des Gepäckraums, der nur noch 28 Liter Ladevolumen bietet. Kurze Zeit später urteilten die Tester schon anders. Die Fahreigenschaften auf gerader Strecke galten als sehr komfortabel, da die Passagiere ja mittig zwischen den Achsen saßen.

Mercedes-Benz Typ 130 Heckmotor CabrioLimousine 1935

Mercedes-Benz Typ 130 Heckmotor CabrioLimousine 1935

Aber das Kurvenverhalten wird höflich umschrieben als „gewöhnungsbedürftig“ aber auch „abenteuerlich“ und, vom englischen Autotester Michal Frostick, als „schweinemäßig“ bezeichnet. Von der im Verkaufsprospekt propagierten „bestechend guten Straßenlage bei allen Straßenverhältnissen“ kann also nicht die Rede sein. Bei gewölbter Fahrbahn geht der Bodenkontakt beinahe gänzlich verloren. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von immerhin 92 km/h erweist er sich auch als sehr sensibel gegen Seitenwind und unegalen Reifendruck. Das Suffix „H“ hat der Typ 130 übrigens nie getragen. Die Unterscheidung, „H“ für Motor hinten und „V“ für vorn , wurde erst bei dem Nachfolger des 130, dem 170 H nötig, da es erst jetzt ein Fahrzeug gleicher Bezeichnung, jedoch mit anderer Motoranordnung gab.