Aus der Clubzeitung: Huckepack auf die Straße

Aus der Clubzeitung DEPESCHE 01/2016 des Mercedes-Benz Veteranen Club von Deutschland e.V.:Wer hat’s erfunden? Ja, die Amerikaner. Obwohl, eigentlich nur eingesetzt. Doch blicken wir zurück. Ende der 1920er-Jahre wurden die Autos, die von ihren Käufern nicht im Werk abgeholt wurden, per Eisenbahn zu den Händlern transportiert. Eisenbahn deshalb, weil die US-Highways im Winter und Frühjahr schlechthin witterungsbedingt unbenutzbar waren. Darüber hinaus hatte sich das System sogenannter „Driveaways“ bewährt.

Vom Händler beauftragte Fahrer holten die Neuwagen in der Fabrik ab und überführten sie für den Kunden. Mit dem gravierenden Nachteil, dass nach einer in der Regel 100 Meilen langen Fahrt die Neuwagen nicht mehr neu fahren. Zumindest bei Ford, das die USA mit einer regionalen Fabrikproduktion regelrecht überflutet hatte.

Vorkriegstransporter

So berichtet die renommierte Zeitschrift „National Geographic“ Anfang der 1920er-Jahre, dass ein Hersteller ein ganzes Heer von Überführungsfahrern beschäftigte. Diese fuhren dann in Zehnergruppen zusammen mit einem „Captain“ und einem Mechaniker. Denn Fahrern war das Öffnen der Motorhauben untersagt, auch das Verlassen der Position im Konvoi. Das Maximaltempo war auf 25 Meilen – etwa 40 km/h – begrenzt.

Käfer in den USA

Da sich die Automobilindustrie rund um die Great Lakes/Michigan konzentrierte hatte wurden aber auch Schiffe zum Transport genutzt. So wurden 1928 rund 350.000 Tonnen Automobile verschifft. 75 Prozent in Detroit. In den späten 1920er-Jahren begann dann die Ära der Lkw. Straßen und Nutzfahrzeuge waren deutlich besser als in der Vergangenheit. So verlagerten sich die Überführungen weg von den „Driveaway-Flotten“ hin zu gewerbemäßig organisierten Lkw-Flotten.

Das Design der Lkw, teils mit Hängern, differierte innerhalb der einzelnen US-Staaten.  Ausschlaggebend dafür waren unterschiedliche Vorschriften bezüglich Höhe, Breite oder Länge. Eine weitere Entwicklung war der  Doppeldeck-Transporter, der praktischer war, da die Autos immer länger wurden. Ende der 1930er-Jahre waren Doppeldecker, die zwei Autos oben und unten verluden, Standard.

Lo 2000 mit Spezialanhänger (MB Typ 200 Stuttgart Cabriolet C) 1932

VW Bus – Transporte in den USA

Diverse USA-Transporte

Während des zweiten Weltkrieges wurden viele Transporter umgebaut. Der Transport von Militärfahrzeugen bekam höchste Priorität. So wurden auch Anhänger zerschnitten und dann verlängert um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Mit Ende des Krieges ergab sich dadurch ein Engpass der  Transportkapazitäten, der aber schnell behoben wurde. USA eben.

Mitte der 1950er-Jahre kam ein weiteres Problem. Die neuen Fahrzeugdimensionen, vor allem aber die großen Überhänge vorne und hinten sowie die neuen Kompaktversionen. Die Firmen waren gezwungen jeweils eine Mischung aus beiden Fahrzeugarten zu transportieren. Die beeinflusste wiederum das Transporterdesign: von „sawtooth“ (Sägezahn) bis zu „camelback“ (Kamelrücken) bezogen auf die Fahrzeugsilhouette im beladenen Zustand.

Antikblech

Anfang der 1960er kam dann ein herber Rückschlag. Die US-Eisenbahngesellschaften entschieden sich wieder in
den Transport von Neuwagen zu investieren. Ein Geschäft, das sie lange vernachlässigt hatten. Der Transportation
Act von 1958 ermöglichte diese Vorgehensweise. Durch ihn konnten die Eisenbahner ihre Preispolitik deutlich
aggressiver gestalten. Zwei technische Innovationen unterstützten dabei den Durchbruch der Schiene. Zum einen das System des „piggyback“ (Schweinerücken). Dahinter verbirgt sich das Befüllen von Transport-Containern mit acht bis zehn Neuwagen. Diese werden dann zusammen mit vielen weiteren Containern auf dem Zug verladen. Am Zielbahnhof wird der jeweilige Container direkt zum Händler geliefert und dort entladen. Damit verloren Lkw-Spediteure erhebliche Umsätze und verkümmerten mehr oder weniger zu einem Hol- und Bring-Service. Zum anderern nach Piggyback eine weitere Neuerung: triple-level auto racks. Dahinter verbirgt sich ein Waggon, der prinzipiell so funktioniert, wie die heute bei der Deutschen Bahn eingesetzten Waggons. Also Neuwagen, die  über zwei Ebenen geladen werden. In USA aber mit drei übereinander liegenden Fahrrampen. Damit konnten seinerzeit je Waggon zwölf große oder 15 Kompaktwagen verladen werden.

Noch offensiver ging es dann Anfang der 1970er zu, mit Einführung des „Vert-A-Pac“. Bis zu zwölf Wagen je Reihe senkrecht gelagert, bei zwei Reihen pro Waggon also 24 Einheiten. Angewandt wurde diese Methode aber nur bei bestimmten Modellreigen, zum Beispiel dem Chevrolet Vega.

Die neue Konkurrenz auf der Schiene brachte aber auch die Preise in Bewegung – nach unten. Ein konventioneller
Lkw-Transport erzielte 93 US-Dollar, ein vergleichbarer per Schiene 40 $. Viele Trucker büßten über die Hälfte  lhres Einkommens ein. Viele Fahrer verloren ihre Arbeit. Einige von ihnen sabotierten in der Folgezeit  nachweislich Eisenbahnequipment und verladene Autos mit Farbe.

Deutschland nach dem Krieg

Deutschland lag in Trümmern. Autos ein nicht finanzierbarer Luxus. Das Straßenbild beherrschten  Vorkriegswagen, Neuwagen gab es ja sowieso nicht. Nach Kriegsende ist die deutsche Automobilindustrie zudem fast völlig zerstört. Darüber hinaus machen der Facharbeitermangel und die Rohstoffknappheit eine  Wiederaufnahme der Fertigung nahezu unmöglich. So beläuft sich die Gesamtzahl der 1945 in Deutschland produzierten Pkw am Jahresende auf 1.293 Stück.

Der Westen Deutschlands näherte sich im Laufe der 1950er-Jahre dem US-Standard. Die deutsche  Fahrzeugindustrie konnte ihre Produktion zwischen 1950 und 1960 verfünffachen. So gab es bei uns 1955 rund 1.747 Millionen Fahrzeuge, fünf Jahre später waren es bereits 4.489 Millionen.

Interessant dabei der Blick auf die Zweiräder: 1955 rund 2.494 Millionen, 1960 rund 1,892 Millionen, klarer Trend also Richtung überdachtem Fahren.

Zum Vergleich darüber hinaus die Neuzulassungen im Pkw-Segment:

Alle diese Fahrzeuge aber wollten zum Händler und damit zum Kunden verbracht werden. Abholung lag damals
noch nicht so richtig im Trend. Was also lag näher, als den Transport auf Nutzfahrzeuge zu verlagern? Die Bahn
war nicht in der Lage die benötigten Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. Zudem wären nur noch Großstädte anfahrbar gewesen. Das Hinterland wurde somit von Speditionen und damit den Autotransportern bedient. Der
1950 einsetzende Boom sollte über Jahrzehnte andauern.

Erst der Druck der europäischen Konkurrenz sollte das Ende der kleineren Speditionen einleiten. Eine Fortschreibung in die heutige Zeit macht keinen Sinn. Letztendlich hat sich nur die Größe der Zugmaschinen,
die Motorisierung und die Art der Beladung verändert.

Fotos: Daimler AG, Archiv Ritter, private Quellen