Kraftstoff aus Reststoff

Sauber fahren mit HVO100: Nachhaltiger Sprit für MB-trac und Unimog

Ein Artikel aus dem Clubmagazin UNIMOG Heft’l 127 des Unimog-Glub Gaggenau e.V. 

Die Alternative zu fossilem Kraftstoff: Mit HVO 100-Diesel, hergestellt aus Altspeiseöl oder Fettresten, wird nachhaltiges Tanken möglich. Die Bezeichnung HVO 100 beschreibt einen alternativen Kraftstoff für Dieselfahrzeuge in Reinform, also nicht als Beimischung. Als nachhaltig gilt HVO aufgrund der sinnvoll verwendeten Abfallstoffe. Anders als bei Kraftstoffen aus eigens dafür angebauten Ölpflanzen besteht nicht die Problematik, dass stattdessen Futter- oder Lebensmittel angebaut werden könnten. UCG-Mitglied Bernd Eckert beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema und erzählt, warum er seinen Unimog seit über vier Jahren nur noch mit HVO-Diesel betankt.

Ist HVO 100 auch für Unimog und MB-trac geeignet?
Das Thema wird aktuell viel diskutiert. Fakt ist: Der ADAC hat HVO-Diesel getestet und mit tankstellenüblichem B7-Diesel verglichen. Die Messungen belegen, dass die Alternative bei verschiedensten Automodellen problemlos funktioniert. Bei älteren Motoren verbessern sich Laufkultur und Ansprechverhalten, die Schadstoffemissionen gehen messbar zurück.

Was ist HVO?
HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) ist ein „Paraffinischer Diesel nach DIN EN 15940:2023“, ein gezielt auf die Verwendung im Dieselmotor hin entwickeltes Produkt. HVO wird vollständig aus erneuerbaren Rohstoffen wie Abfällen und Reststoffen hergestellt. Es ist allerdings nicht vergleichbar mit dem Biodiesel der ersten Generation nach DIN EN 14214. In dem folgenden Text wird die Abkürzung HVO immer für die Reinform HVO 100 mit hundert Prozent HVO verwendet. Da die Norm wie bei Mineralöldiesel eine Beimischung von sieben Prozent
Biodiesel zulässt, darf das Kraftstoffgemisch zwar noch als HVO, aber nicht mehr als HVO 100 bezeichnet werden. Im Zweifel an der Tankstelle fragen!

Was spricht für HVO?
Für die Verwendung von HVO spricht besonders, dass bei Bestandsfahrzeugen unmittelbar die  Kohlendioxidemissionen reduziert werden können. Das vom Motor ausgestoßene COS stammt unmittelbar aus Pflanzen, die den Kohlenstoff als COS aus der Luft beim Wachstum aufgenommen haben, so dass sich ein geschlossener Kreislauf ergibt. Dies betrifft jedes beliebige Fahrzeug mit Dieselmotor, besonders aber teure Spezialfahrzeuge und alle Fahrzeuge, die nicht auf batterieelektrische oder Wasserstoffantriebe umgestellt werden können. Die Ausgangsstoffe aus Bio-Abfällen und die Herstellung unter Verwendung überschüssiger elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen führen zu einer signifikanten Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes. Weitere technische Vorteile sind ein stark verbessertes Kaltstartverhalten und, besonders bei älteren Motoren, ein vergleichsweise leiserer und runderer Motorlauf mit weniger Rußbildung. Auch die vom Mineralöldiesel bekannte Verdünnung des Motoröls wird deutlich reduziert.

Welche Motoren können mit HVO betrieben werden?
Grundsätzlich alle Dieselmotoren. Neuere Motoren sind von den Herstellern der Motoren und Einspritzsysteme bereits freigegeben. Namhafte Auto- und Baumaschinenhersteller liefern ihre Produkte mit Dieselantrieb ab Werk mit einer HVO-Erstbefüllung aus. Auch Dieselmotoren, welche für den Betrieb mit Biodiesel der ersten  Generation nicht freigegeben sind, können mit HVO betrieben werden. Unproblematisch ist die Umstellung eines Fahrzeugs von B7-Diesel auf HVO, da eine Vermischung in jedem beliebigen Verhältnis möglich ist.

Kann HVO in einem älteren Motor ohne Herstellerfreigabe verwendet werden?
Grundsätzlich ja. Bei älteren Fahrzeugen liegen keine Herstellerfreigaben für HVO vor. Die vorliegenden Erfahrungen zeigen jedoch, dass die Nutzung von HVO problemlos auch in älteren Motoren möglich ist. Allerdings ist dieser alternative Dieselkraftstoff kein Jungbrunnen, um einem betagten Motor an seinem Betriebsende ein verlängertes Leben zu bescheren. Zu bedenken ist, dass ältere Motoren inzwischen ohnehin außerhalb der ursprünglichen Herstellerfreigabe betrieben werden.
Der zur Bauzeit dieser Motoren erhältliche reine Dieselkraftstoff war Grundlage für die damalige Freigabe. Bei der Einführung des B7-DieselkrahstoFes durch die Anpassung der DIN EN 590 im Mai 2010 wurden keine neuen Freigaben erteilt. Allerdings kann es bei Fahrzeugen mit durch B7-Diesel vorgeschädigten Dichtungen zu Undichtigkeiten kommen.

Müssen Additive für ältere Motoren beigemischt werden?
Nein, das ist nicht notwendig. Der HVO-Kraftstoff wird vom Hersteller gebrauchsfertig eingestellt und kann direkt aus der Zapfsäule verwendet werden. Zusätze zur Verbesserung der Schmierfähigkeit oder der Zündwilligkeit sind nicht erforderlich. Die einzuhaltenden Anforderungen sind in der Norm festgelegt und entsprechen den Vorgaben für mineralölbasierten Diesel.

Wofür steht die Zahl 100 beim HVO?
Die Verkaufsbezeichnung HVO 100 steht für reinen, hundertprozentigen HVO-Kraftstoff ohne Fettsäuremethylester (FAME)-Beimischung. Durch die vorgeschriebene Beimischung von FAME im handelsüblichen B7-Dieselkraftstoff wird in ungünstiger Weise die Lagerfähigkeit des Kraftstoffes aufgrund
der Dieselpestbildung verringert.

Wie lange ist HVO lagerfähig?
Durch die fehlende FAME-Beimischung entfällt der Nährboden für Bakterienwachstum und damit die vom B7-Diesel bekannte Dieselpest. Der Vorteil der problemlosen Lagerfähigkeit wird beispielsweise von den Betreibern von Notstromaggregaten genutzt, da dort der vorgehaltene Kraftstoff nicht mehr regelmäßig ersetzt werden muss. Bei HVO zeigen die Erfahrungen, dass beispielsweise der Neste-Kraftstoff, der als erster auf dem Markt verfügbar war, selbst nach mehreren Jahren Lagerung nichts von seinen Eigenschaften eingebüßt hat.

Wie wird HVO hergestellt?
HVO wird in einem Raffinerie-Prozess durch Zugabe von Wasserstoff (Hydrierung) hergestellt. Der finnische Hersteller Neste beispielsweise hat dazu bereits 1997 ein eigenes Verfahren (NEXBTL-Technologie) patentieren lassen. HVO wird so hergestellt, dass ausschließlich Kohlenwasserstoffe enthalten sind, die der Motor gut verarbeiten kann. Somit unterscheidet sich HVO vom herkömmlichen Dieselkraftstoff, der Bestandteile enthält, die der Motor nur schlecht nutzen kann.

Welche Menge HVO kann aus Bio-Abfall hergestellt werden?
Die zur Verfügung stehende Menge der gegenwärtig verwendeten Ausgangsmaterialien ist noch begrenzt. Die Industrie arbeitet erfolgreich daran, weitere leicht verfügbare Bio-Ausgangsstoffe für die Produktion von HVO zu erproben und einzusetzen. Aktuelle Entwicklungen sind die Verwertung von Klärschlamm und die Nutzung von Algen.

Was bedeutet XtL?
Das Kürzel XtL (X to Liquid), welches bei neueren Fahrzeugen auf den Tankhinweisschildern oder in der Bedienungsanleitung zu finden ist, weist auf die gesamte Gruppe der neuen synthetischen Dieselkraftstoffe hin. Die wichtigsten Untergruppen von XtL sind GtL (Gas to Liquid), BtL (Biomass to Liquid) und CtL (Coal to Liquid). In der Bezeichnung wird jeweils deutlich, welcher Kohlenstofflieferant zur Herstellung verwendet wurde: Erdgas, Biomasse oder Kohle. HVO gehört zur Gruppe der BtL.

Wo gibt es HVO?
Das Netz der HVO 100-Tankstellen wächst ständig. Entsprechende Tankstellen werden von vielen Tank-Apps aufgeführt. Beispielsweise bietet der Verein eFuelsNow auf seiner Webseite eine detaillierte Tankstellenkarte (www.efuelsnow.de).

Kann ich meine Küchen-Altspeiseöle und -Fe7e einbringen?
Ja. Die Firma „Jeder Tropfen Zählt“ betreibt in Süddeutschland Sammelstellen zur Abgabe von Altspeisefetten (www.jeder-tropfenzaehlt.de). Die Firma Lesch sammelt und reinigt sie und bringt sie zur  Weiterverarbeitung in die Raffinerie (www.altfep-lesch.de).

Wo gibt es weitere Informationen?
Infos zum HVO-Kraftstoff bieten der finnische HVO-Pionier Neste (www.neste.com) und der Brennstoffhändler EDi Energie-Direkt Hohenlohe (www.edi-hohenlohe.de).


„Test uneingeschränkt bestanden“

Seit über vier Jahren setzt Bernd Eckert für seinen U 1300 L auf HVO-Diesel

Als ich meinen U 1300 L zum ersten Mal mit HVO-Diesel betanke, fühlt es sich an wie ein Abenteuer. Es ist ein Freitag im November 2021, die nächste erreichbare HVO-Tankstelle liegt damals noch 70 Kilometer von meinem Zuhause entfernt. Zwar habe ich zu diesem Zeitpunkt nur wenige Informationen zur neuen Dieselalternative, doch diese klingen ausgesprochen vielversprechend. Seit April 2024 ist der Kraftstoff für den allgemeinen Verkauf freigegeben. Doch 2021 war die Abgabe an Privatverbraucher noch nicht vorgesehen und nur für speziell
zugelassene Linienbusse und Arbeitsmaschinen gedacht. Mein Unimog ist definitiv eine Arbeitsmaschine, und mit dem Schild „Forstbetrieb“ in der Frontscheibe wirkt mein Fahrzeug glaubhaft. An der etwas versteckt gelegenen Tankstelle wird also der fast leere Tank mit HVO-Diesel des finnischen Herstellers Neste gefüllt.

Die Heimfahrt ist einerseits von dem Gefühl, etwas ganz Neues, Revolutionäres zu tun geprägt, andererseits aber auch von Bedenken, dass etwas Unangenehmes und Kostspieliges im Motor meines Unimog passieren könnte. Deswegen fahre ich etwas angespannt über zahlreiche Kreisverkehre in Richtung Autobahn. Durch die kurvenreiche Fahrt und das häufige Abbremsen und Beschleunigen wird der neue HVO-Kraftstoff gut mit der verbliebenen kleinen Restmenge des B7-Diesels vermischt. Im Bereich der Autobahnauffahrt hat der neue
Kraftstoff offensichtlich die Einspritzpumpe erreicht. Verblüfft stelle ich fest, dass der Sprint auf der Steigung der
Auffahrt zur Autobahn schneller ist als gewohnt. Der Motor läuft ruhiger als sonst und am Auspuff ist die übliche Rauchfahne nur noch zu erahnen. Die Rückfahrt ist ausgesprochen angenehm: Zu Hause angekommen, bin ich sowohl überrascht als auch erleichtert.

Die HVO-Erprobung geht weiter: In einer strengen Frostnacht stelle ich meinen Unimog im Freien ab, um unter Winterbedingungen die Eigenschaften beim Morgenstart des Motors zu testen. Beim Minustemperaturen um fünf Uhr in der Frühe vermisse ich die typische Startorgie bei kaltem Motor. Ein kurzer Dreh am Schlüssel und der Motor springt an, als hätte er bereits die ersten Kilometer hinter sich. Er läuft rund und ruhig, nimmt sofort Gas an, die übliche Weißrauchfahne und das grobe Stottern bei Kälte fehlen. Die ersten Meter Fahrt bringen
mich aber schnell wieder in die Realität der Minusgrade zurück, da sich das Getriebe temperaturtypisch nur schwer schalten lässt. Zudem ist die Unterstützung der Servolenkung offensichtlich ebenfalls durch die Kälte sehr eingeschränkt. Doch der Motor hat diesen Test mit HVO-Dieselkraftstoff uneingeschränkt bestanden.

In den folgenden Wochen wird das Fahrzeug im Wald und als Zugfahrzeug im Anhängerbetrieb eingesetzt. Die Bedenken bezüglich des neuen Kraftstoffs werden mit jeder Fahrt kleiner. Aufgrund der guten Erfahrungen wächst die Zuversicht, eine Fahrt zum zehnjährigen Jubiläum der italienischen Unimogfreunde im Aostatal an der Südseite des Mauerhorns mit HVO im Tank zu wagen. Der beeindruckende Berg bildet dort die Kulisse für eine Fahrt zum Theodulpass, welcher der höchste mit Radfahrzeugen befahrbare Pass der Alpen sein soll. Die Anfahrt durch das Wallis und über den Großen Sankt Bernhard verläuft problemlos, ebenso die Fahrt auf den Theodulpass. Beim Anstieg sind weder Leistungsverlust noch Rußbildung zu beobachten: Mit der Ankunft auf der Passhöhe (3.295 Meter) ist für mich die Leistungsfähigkeit des HVO-Dieselkraftstoffs bewiesen.

Seither hat sich HVO weiter bewährt. Zu den zurückgelegten Fahrten gehören die üblichen Wege rund den heimischen Kirchturm, aber auch längere Touren mit mehreren hundert Kilometern auf Autobahnen. Aufgrund der ausnahmslos guten Erfahrungen seit mehr als vier Jahren wird mein Unimog auch weiterhin ausschließlich mit HVO betankt.