Ich machte die Bekanntschaft von Sir Peter Ustinov im Dezember 1985 anlässlich einer Galaveranstaltung zu seinen Ehren in Toronto, und es war ein Moment, den ich nie vergessen werde. Als ich mich mit meinem Namen vorstellte, antwortete er sofort auf Deutsch: „Aah, Deutscher, nehme ich an?“ Von diesem Moment an hatten wir eine Unterhaltung über seine Filme, seine humanitären Bemühungen und Leistungen, nur er und ich, ein Gespräch das etwa 20 Minuten dauerte, und in dem wir zwischen Deutsch, Englisch, und Französisch hin und her wechselten. Obwohl er im Leben, wie zu erwarten, ernster war als in seinen Filmen, war in seiner Art dennoch immer ein Hauch von Humor spürbar, und ein schelmisches Glitzern in seinen Augen. Das Gespräch, das wir führten, handelte von Themen, die ihm am Herzen lagen, und die auch für mich damals wie heute wichtig waren. Die Unterhaltung war relativ kurz, und ich hätte mir gewünscht, sie hätte noch viel länger gedauert, doch in diesen zwanzig Minuten schenkte er mir seine volle Aufmerksamkeit. Es war, als wären nur er und ich im Raum, beide abwechselnd in allen drei Sprachen sprechend. Einfach unvergesslich! Am Ende des Abends ging ich, bereichert durch die Erfahrung und das Gespräch nach Hause, und völlig unerwartet mit seinem Buch über Russland, das er mir, mit seiner Widmung, schenkte.
Wer war eigentlich Sir Peter Ustinov?
Sir Peter Ustinov, eigentlich Peter Alexander Freiherr von Ustinov, wurde am 16. April 1921 in Swiss Cottage, (London), Großbritannien, als Sohn von Nadezhda Leontievna (née Benois) und Jona Freiherr von Ustinov geboren. Er verstarb am 28 März 2004 im Alter von 82 Jahren in Genolier, (Canton de Vaud) in der Schweiz. Peter Ustinov’s Vater, Jona Freiherr von Ustinov, war deutscher, russischer, polnischer, äthiopischer und jüdischer Abstammung. Peters Großvater väterlicherseits war Baron Plato von Ustinov, ein russischer Adliger, und seine
Großmutter war Magdalena Hall, Sprössling einer deutsch-äthiopisch-jüdischen Mischfamilie. Ustinovs Mutter, Nadeschda Leontjewna Benois, genannt Nadia, war eine Malerin und Ballettdesignerin französischer, deutscher, italienischer und russischer Abstammung. Ihr Vater, Leon Benois, war ein kaiserlich-russischer Architekt und Eigentümer von Leonardo da Vinci‘s Gemälde, das „Benois Madonna“ Gemälde, das heutzutage im Hermitage Museum in Sankt Petersburg hängt. Ihr Vorfahr väterlicherseits, Jules-César Benois, war in Frankreich der
Konditormeister des Herzogs von Montmorency, verlies aber das Land 1794 während der Französischen
Revolution in Richtung Sankt Petersburg, wo er zum Konditormeister der Zarin Maria Fiodorovna (vormals
Sophie-Dorothée Augusta Luisa von Württemberg), Ehefrau des russischen Zaren Paul I., wurde.
Peter Ustinovs Vater Jona arbeitete in den 1930er Jahren als Pressereferent an der deutschen Botschaft in London, und war Reporter für eine deutsche Nachrichtenagentur. Im Jahr 1935, zwei Jahre nach der Machtübernahme Adolf Hitlers in Deutschland, begann Jona von Ustinov für den britischen Geheimdienst MI5 zu arbeiten und wurde britischer Staatsbürger. Aller Wahrscheinlichkeit nach, war Jona von Ustinov auch der MI6-Spion, der als „U35“ bekannt war. Obwohl er als Kind nicht wusste, was da hinter geschlossenen Türen im elterlichen Salon vor sich ging, erzählt Sir Peter Ustinov in seiner Autobiografie, dass sein Vater in seinem Londoner Haus geheime Treffen hochrangiger britischer und deutscher Beamter veranstaltete.
Vielen durch seine Rolle als Agatha Christie‘s Hercule Poirot, oder (unter anderen) durch seine Rolle in „Quo Vadis“ oder in „Viva Max“ bekannt, war Sir Peter Alexander Ustinov, CBE, FRSA, ein britischer Schauspieler, Filmemacher und Schriftsteller. Als international bekannter Raconteur war er während eines Großteils seiner Karriere ein fester Bestandteil von Fernseh-Talkshows und Vortragsreihen. Als Intellektueller und Diplomat bekleidete er verschiedene akademische Ämter, war „Botschafter des guten Willens“ für UNICEF und Präsident des „World Federalist Movement“. 1999 gründete er mit seinem Sohn Igor in Frankfurt-am-Main die „Peter Ustinov Stiftung“, deren Ziel es ist, eine gemeinsame Welt der Toleranz, des offenen Geistes und der gegenseitigen Achtung zu schaffen.
Sein Familien-Hintergrund, seine Erziehung, und die Lebenserfahrungen gaben Sir Peter Ustinov seine kosmopolitische Einstellung, die ihn gegen jegliche Art von Nationalismus und Extremismus aufbrachte. Im Laufe seines Lebens wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter zwei Oscars als bester Nebendarsteller; Emmy Awards, Golden Globes und BAFTA Awards für seine schauspielerische Leistung, ein Grammy Award für die beste Ton-Aufnahme für Kinder, sowie staatliche Auszeichnungen, unter anderem aus dem Vereinigten Königreich (CBE), Frankreich (Chevalier des Arts et Lettres), Deutschland (Bundesverdienstkreuz), und das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, u.a. Darüber hinaus zeichnete er sich durch eine einzigartige kulturelle Vielseitigkeit aus, die ihm häufig den Beinamen „Renaissance-Mann“ einbrachte. Im Jahr 2003 änderte die „Durham University“ den Namen ihrer „Graduate Society“ (Absolventengesellschaft) in „Ustinov College“ um die bedeutenden Beiträge zu würdigen, die Sir Ustinov als Kanzler der Universität von 1992 bis zu seinem Tod geleistet hatte.
Peter Ustinov hatte aber auch ein lebenslanges Hobby: Automobile!
Seit seiner Kindheit waren seine Eltern, die, wie er selbst in seiner Autobiografie zugibt, absolut nichts von Motorisierung verstanden, zeitweilig sehr um das Wohlbefinden ihres Sohnes besorgt waren, hielt er sich doch im
Kindesalter vom Augenblick des Aufwachens bis zum Bettgehen für ein Auto, und er wusste genau welches: er war ein „Amilcar“!
Sein erster Wagen wurde allerdings kein Amilcar sondern ein Fiat 500, den er für 200 Pfund erwarb, damals immerhin ein schönes Sümmchen, besonders für einen jungen Gefreiten mitten im zweiten Weltkrieg. Wer English versteht, kann nicht umhin, sich köstlich zu amüsieren über eine Tonaufnahme von 1958, die Ustinov in einer einzigen Sitzung machte. Es ist seine „Reportage“ (als Sportreporter) über den „Großen Preis von Gibraltar“ mit seinen Interviews von Herrn Altbauer, und mit u.a. den Rennfahrern Jose Julio Fandango, Girling Foss, Wolfram v. Grips, Karl Fling, und Bill Dill, komplett mit sämtlichen Akzenten. Hinzu gesellt sich auch der Wildfowl-Rennwagen, der für das Rennen durch die Entfernung des Aschenbechers und dem Einbau einer kleineren Uhr leichter gemacht wurde. (Grand-Prix Kenner dürften Juan Manuel Fangio, Stirling Moss, Phil Hill usw. erkannt haben)… Die Aufzeichnung ist von Anfang bis Ende urkomischer Unfug… alles mit Peter Ustinov’s eigener Stimme, Motorengeräusche inbegriffen! Gleichzeitig aber ist die Aufzeichnung auch eine ironische Kritik des Zirkus um den GP von Monaco.
Die Langspielplatte der Aufzeichnung CD dürfte kaum noch erhältlich sein, die 2003 herausgekommene CD schwer zu finden, aber man kann den ganzen spaßigen Unsinn auf „You Tube“ genießen: Riverside Records: “The Grand Prix of Gibraltar” – YouTube (auf Englisch) Peter Ustinov war ein Autoliebhaber, der es schätzte, seltene, vor allem aber charaktervolle Autos zu kaufen und zu sammeln (seiner Meinung nach war Charakter die wichtigste aller Eigenschaften eines Automobils), allerdings beschränkte er sich nicht auf eine bestimmte Marke. Er besaß unter anderem einen 11,3-Liter V12 Hispano-Suiza (ein Geburtstagsgeschenk seiner zweiten Frau, das 1989 gestohlen wurde), ein Delage Cabriolet, einen Aston Martin DB 2/4, den er sehr schätzte, einen Alvis Speed Twenty, einen frühen Maserati Quattroporte, einen Jowett Jupiter, mehrere BMWs, sowie einen, jawohl, einen 600ccm DAF „Variomatic“, den er schätzte, weil der kleine Wagen, langsam gefahren, es durch jeden tiefen Schnee schaffte, wo alle andere stecken blieben. Einem Interviewer gegenüber sagte er jedoch eines Tages kichernd, dass „viele der heutigen Kleinwagen ihn an Bidets erinnerten“.
Der Mercedes-Benz 26/120/180 (680 S) – 1928 (RHD),
Kommission Nr. 40637, Fahrgestell Nr. 35952, Motor Nr. 71808,
Aufbau nach Gangloff (Genf, Bern, Colmar)
Er besaß ebenfalls eine Zeitlang einen Mercedes-Benz Typ 680S, der bereits zu seinen Lebzeiten seit Jahren im „National Motor Museum“ in Beaulieu, Hampshire, Großbritannien, ausgestellt war – und noch ist. Über dieses Autosagte er mal: „Es war sehr schnell, sehr gefährlich und hatte Seilzugbremsen. Wenn es regnete, schickte das Bremspedal eine Nachricht an eines der Räder, das eher widerwillig eine Nachricht an ein anderes Rad schickte, und so weiter.“ Jedes Rad reagierte zu einem anderen Zeitpunkt, so dass man mit 100 Meilen pro Stunde quer über die ganze Straße fuhr.
Dieser Mercedes 680 S, mit „Aufbau von Gangloff“… bzw. mit „Aufbau im Style Gangloffs“ oder „Aufbau nach
Gangloff“ hat eine etwas sonderbare Geschichte.
Der rechtsgelenkte Mercedes-Benz 26/120/180 PS Typ 680S, bestellt am 4. Juni 1928, mit der Kommissionsnummer 40637, der Fahrgestellnummer 35952, und der Motornummer 71808 wird als fahrbares Fahrgestell am 4. September 1928 von der British Mercedes (London) an einen Herrn Dowding in London verkauft.
Bereits einen Monat später, am 6. Oktober 1928 wechselt das Chassis den Eigentümer, der neue Besitzer ist ein gewisser Mr. J. Lloyds wohnhaft in St. Neots, 95 km nördlich von London gelegen. Im Oktober 1950 steht der Wagen beim Händler C. Arnold in Northamton (East Midlands, England) für 230 GBP zum Verkauf.
Allem Anschein nach fand der Wagen keinen Käufer, denn bereits im Dezember 1950 steht er wieder zum Verkauf, diesmal bei Chipstead Motors in London SW3, und wird als ein rotes zweisitziges „Schnäppchen“ in
„hervorragendem Zustand“ angepriesen. Dort wartet er bis Mitte 1951 auf einen Käufer.
Schließlich erwirbt Peter Ustinov im Juni 1951 den 680S mit dem Nummernschild YX5964.
Der Wagen, so wie er von Peter Ustinov gekauft wurde, und so wie der Wagen bis in die siebziger Jahre hinein im „Montagu Motor Museum“ in Beaulieu ausgestellt war, bestand im Grunde genommen aus einem rollendem
Mercedes 680S Fahrgestell mit einem vielleicht in Heimarbeit dilettantisch selbstgefertigten Aufbau von der „A-Säule“ bis zum Heck des Wagens. Es sind keine Bilder vom Heck des Autos verfügbar oder vorhanden. Es scheint aber und sieht so aus, als ob glatte Metallplatten einfach zusammengenietet wurden.
1953 wird der Wagen zum Einbau eines neuen Anlassers in die Werkstatt gebracht. Kommentar: Auto in schlechtem Zustand, Amateur-Karosserie. Das Auto ist jetzt weiß lackiert mit roten Kotflügeln. 1955 wird der Wagen als Leihgabe von Peter Ustinov an das „Montagu Motor Museum“ in Beaulieu, Hampshire, Großbritannien, übergeben.
Im August 1955 ist der Wagen im Museum zu sehen. Kommentar: Karosserie, Lack und Politur: sehr schlecht. Von den 1960er bis in die 1970er Jahren wurden verschiedene Arbeiten (Reparatur und Wartung) an dem Auto durchgeführt.
1976 überträgt Peter Ustinov formell den Besitz des 680S an das „National Motor Museum“ (vormals „Montagu Motor Museum“), in Beaulieu. Kurz nachdem der Wagen vollständig in den Besitz des Museums übergeht, wird 1976 mit der Restaurierung des 680S begonnen.
Gleichzeitig wurde entschieden, dem Wagen einen Aufbau zu geben, der dem Wagen entspräche, und seiner
auch würdig wäre. Angesichts des Zustands des Wagens, so wurde mir vom Beaulieu Museum mitgeteilt, wurde das Thema eines neuen Aufbaus bereits in den fünfziger angesprochen, und über die folgenden zwei Jahrzehnte immer wieder diskutiert.
Es wurde schließlich beschlossen, den 680S mit einem sogenannten „Dual Coach Phaeton“-Aufbau (zu Deutsch: Tourer) von Gangloff nachzubauen, so wie der Genfer Karosserie-Betrieb sie um 1928 herstellte. Ein Bild von einem Mercedes 680S mit Gangloff-Karosserie wurde als Inspiration benutzt.
Der Auftrag ging an Rod Jolley Coachbuilding, in Lymington, Hampshire (England). Der Nachbau erfolgte ausschließlich auf der Grundlage von zahlreichen Fotos und nicht anhand von technischen Zeichnungen oder eines existierenden Fahrzeugs.
Der restaurierte 680S mit seiner neuen Karosserie wird schließlich um 1980 komplett fertiggestellt. Ganz korrekt beschreibt das Museum den Wagen folgendermaßen: „Eine Kopie einer der drei Karosserien aus „The Car of Kings“ wurde Mitte der 1980er Jahre von Rod Jolley angefertigt und auf das Fahrgestell eines Mercedes-Benz (680S) gesetzt, das einst Peter Ustinov gehörte.“
Jahre später, als Rod Jolley die Gelegenheit hatte, einen der drei Überlebenden im Besitz Arturo Keller‘s befindlichen und in den USA restaurierten 680S mit Gangloff Aufbau aus nächster Nähe zu begutachten, stellte er einige kleine Fehler an der von ihm für Ustinov’s Wagen gefertigten Karosserie fest, die allein auf den Mangel an Vermessungsmöglichkeiten zurückzuführen waren.
Fehler hin, Fehler her, Rod Jolley’s Aufbau ist beachtenswert, wenn man sich vor Augen hält, dass ausschließlich Fotos zu einem Ergebnis geführt haben, das kaum und für einen „Nicht-Spezialisten“ in aller Wahrscheinlichkeit
überhaupt nicht von einem Original-Gangloff Aufbau zu unterscheiden ist. Abgesehen davon kann jedoch die Frage aufkommen, ob der im „National Motor Museum“ in Beaulieu ausgestellte „Ustinov“-Wagen geschichtlich
gesehen, überhaupt etwas mit Sir Peter zu tun hat. Wäre es nicht authentischer gewesen, nebst Fahrgestell und Motor die „Seifenkisten“-Karosserie des 680S in den Ur-Zustand zu restaurieren und auszustellen?
Natürlich kann es hier keine absolut klare Antwort geben. Sicher sieht das Museums-Ausstellungsstück völlig anders aus als der Wagen, den Peter Ustinov in den fünfziger Jahren für circa fünf Jahren besaß. Zudem wurde der neue Gangloff-Aufbau erst in Angriff genommen, nachdem der Wagen von Ustinov an das Museum überschrieben worden war. Und doch ist der Wagen mit Gangloff-Aufbau zweifelsohne Peter Ustinov’s Wagen gewesen, denn laut Gepflogenheit und Begriffsbestimmung, bestimmt die Fahrgestellnummer das Baujahr und den Wagen-Typ.
Folgerichtig ist der Wagen, der im Museum steht, der gleiche Wagen als der mit der genieteten Blech-Karosserie, über dessen problematischer Verteilung des Bremsdrucks der Seilzugbremsen Sir Peter sich mit Humor beklagte. Nur darf man akkuraterweise hier eigentlich nicht von einer Gangloff-Karosserie sprechen, weil sie zu 100% ein Nachbau ist, sondern von einem Aufbau „im Stile von Gangloff“ oder „nach Art von Gangloff“ oder „Karosserie
nach Gangloff“.
Heute, im Jahre 2023, steht der ebenso typisch „im Stile von Gangloff“ rot und schwarz lackierte 680S von Sir Peter Ustinov als permanentes Ausstellungsstück in der Abteilung „Cars of the Stars“ im National Motor Museum.
Ilario hat es wieder einmal geschafft…
…ein perfekt produziertes Modell im Maßstab 1:43 des Peter Ustinov Mercedes-Benz 680S (1928) mit der Fahrgestellnummer 35952 und einer Karosserie im Gangloff-Stil anzubieten. Es ist in offener und geschlossener Version erhältlich und kann bei Ilario entweder über seine Website www.ilario.com oder per E-Mail bei contact@ilario.com bestellt werden.
Über das Modell gibt es nichts zu sagen, außer dass man nichts Besseres finden kann. Seine Qualität ist auf dem gleichen Niveau wie die Qualität der von EMC hergestellten Modelle, das Studio von Kijv in der Ukraine, das
aufgrund der Umstände seine Produktion einstellen musste, wenn auch nur vorübergehend, man kann es nur hoffen. Das Modell kostet in Europa 329,20 € (MwSt. inkl.) und 266,00 € (+ Versand) außerhalb der EU. Es ist auf alle Fälle jeden Cent wert!