MBMC: Der Dernburg-Wagen 1907

Ob Sie es glauben oder nicht, es hat etwas mehr als 3 Monate gedauert, um das Thema zu recherchieren und zu bearbeiten, und noch ein paar Wochen für die Redaktion und das Layout dieses Newsletters, der sich mit einem Kapitel der deutschen Geschichte befasst, das vielen Deutschen selbst wenig oder gar nicht bekannt ist.
Ich gebe zu, dass ich bei meinen Recherchen zu den Dokumenten dieser Zeit eine Menge gelernt habe. Ein wichtiges Dokument habe ich zufällig in meinem Wohnort Toronto entdeckt!

Dieser Artikel stützt sich mit Zitaten durchwegs auf öffentlich zugänglich zeitgenössische Artikel und wissenschaftliche Arbeiten, und erlaubt dadurch nebst der Geschichte des „Dernburg-Wagen“ dem Leser Einsichten und Einblicke, die ich ansonsten nicht hätte bieten können.

Ich hielt es dennoch wichtig, für die Sammler, die daran interessiert sind, von der Geschichte und den Ereignissen zu erfahren, die sich sozusagen im Hintergrund des Modells abspulten, mehr als nur die technischen Daten und den Einsatzort des Vorbildes mitzuteilen.

Sämtliche Zitate und Texte, die nicht von mir stammen, sind ausdrücklich in Kursivschrift geschrieben.

Viel Spaß mit dem Artikel, und vergessen Sie nicht, das Modell zu kaufen!


Erster Teil – das Modell:

  • Das Modell im Maßstab 1:43 von Autocult

Zweiter Teil – Geschichtsunterricht:

  1. Wer war Bernhard Dernburg? Und was ist ein Dernburg-Auto?
  2. Ein Geschäftsmann in der Politik
  3. Afrika um 1900 und die Ziele von Dernburgs Afrikapolitik.
  4. Die Studienreisen Dernburgs in die deutschen Kolonien in Afrika (1907 und 1908)
    – Die erste Studienreise (1907) nach Deutsch-Ostafrika
    – Die zweite Studienreise (1908) nach Deutsch-West-Afrika
  5. Schlussfolgerung

Erster Teil – das Modell:

Das Modell: der Dernburg-Wagen in 1:43 von AutoCult

Das wunderbare an den Modellen, die Autocult produziert ist, dass sie Miniaturen von einzigartigen Vorbildern darstellen, was immer wieder, von Monat zu Monat für Überraschungen sorgt, die man nicht erwartet hätte. So auch diesmal mit der Herausgabe des Dernburg-Wagens, ein Unikat konzipiert von Paul Daimler. Dieses in purer Autocult tradition prima gelungene Modell, hergestellt in der üblich limitierten Produktion von 333 Stück, dürfte auch in jeder Sammlung „mit dem Stern“, genauso wie das Vorbild in der Wüste, ein bewundertes Unikat werden.

Hier nun, was Autocult zu dem Vorbild des Modells sagt“:

Einsatz in Afrika

Vom deutschen, kaiserlichen Kolonialamt ging 1907 eine Bestellung an die Daimler-Motorengesellschaft mit der Vorgabe, ein besonders geeignetes Fahrzeug für die Fortbewegung in der von Hitze und Sand geprägten Kolonie Deutsch-Südwestafrika zu konstruieren.

Die Zuständigkeit für die Konstruktion des Wagens wurde in die Hände von Paul Daimler gelegt – dem Sohn des Firmengründers Gottlieb Daimlers. Im Werk in Berlin-Marienfelde machte sich die Technikercrew sofort daran, die Wünsche des Kolonialamtes in Form eines Lastwagens zu erfüllen, der auf Basis eines serienmäßigen Chassis aufgebaut wurde.

Für den über vier Meter langen und 3,6 Tonnen schweren Sonderwagen stellte die Daimler-Motor-Gesellschaft dem Kolonialamt den Betrag von 34.750 Mark in Rechnung.

Durch eine ausführliche, 1.677 km dauernde Dauertestfahrt auf heimischen Boden im Frühjahr 1908 zeigten sich alle Herren zufrieden und im Mai 1908 wurde das Fahrzeug auf das Dampfschiff `Kedive` verladen – mit Bestimmungsort Swakopmund in Deutsch-Südwestafrika.

Zusammen mit dem Auto begab sich auch der von der Daimler-Motoren Gesellschaft zur Verfügung gestellte Paul Ritter mit auf den Weg, der seine Aufgabe zwar in erster Linie als Chauffeur sah, aber auch für die Wartung
und die Instandsetzung verantwortlich war.

In Begleitung weiterer Fahrzeuge von Daimler und Benz setzte sich der Tross mit Bernhard Dernburg im heutigen Namibia zur Erkundigung der deutschen Kolonie in Bewegung. Das Lob für den im Sprachgebrauch schnell als Dernburg-Wagen bekanntgewordenen Lastwagen kam in Form einer immensen Zeitersparnis zum Ausdruck, denn für eine 600 km lange Fahrstrecke benötigte die Autokolonne vier Tage, während die gleiche Strecke zu Pferd neun Tage beanspruchte.


Zweiter Teil – Geschichtsunterricht:

1. Wer ist Dernburg? Und was ist ein Dernburg-Wagen?

Wenn man heutzutage den Namen Dernburg erwähnt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man einen leeren Blick zurückbekommt. Tatsächlich ist der Name praktisch nirgends zu finden, und doch war Bernhard Jakob Ludwig Dernburg im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts im Deutschland Kaiser Wilhelms II. ein wichtiger Mann. Als Staatssekretär für Kolonialangelegenheiten gehörte er der Regierung an, und auch nach dem Ersten Weltkrieg war er noch in die nationale Politik eingebunden, indem er u.a. für eine kurze Zeit Finanzminister und Vizekanzler der jungen Weimarer Republik wurde.

Um seine Rolle in Bezug auf die deutschen Kolonien in Afrika, insbesondere in „Deutsch Süd-West Afrika“, kurz DSWA, besser zu verstehen, muss man nur einen von Frederic William Wile geschriebenen Artikel in der New-York Times und in Toronto’s MacLean’s Magazine lesen, den ich im MacLean’s Archiv entdeckt habe, und der in der September 1914 Ausgabe erschien.

In seinen Berichten machte Frederic William Wile, der Berlin-Korrespondent der „New York Times“, der Londoner „Daily Mail“ und „MacLeans“, Toronto & Montreal, seinerzeit die Leser auf die Männer aufmerksam, deren Identitäten und Persönlichkeiten die Geschicke der deutschen Nation unter dem Kaiser Wilhelm II. entscheidend mitbestimmten.

2. Ein Geschäftsmann in der Politik: Eine Skizze von Bernhard Dernburg Von Frederic W. Wile

Vor sieben Jahren, im Herbstanfang, wagte der Kaiser ein kühnes Experiment. Er machte einen Geschäftsmann zum Minister, der sich durch nichts anderes auszeichnete als durch schiere Fähigkeiten. Obwohl Deutschland das gepriesene Land der Effizienz ist, scheiterte das Experiment. Bernhard Dernburg, ein gewöhnlicher Bankier, der im September 1906 berufen wurde, um den Augiasstall der verfahrenen, konfusen deutschen Kolonialverwaltung zu säubern, gehörte bereits im Juni 1910 der politischen Vergangenheit an. Seine Karriere hatte weniger als vier Jahre gedauert. In einer von Bürokratie durchdrungenen Regierung war kein Platz mehr für bloße Kapazität, und Dernburg musste gehen. Dernburg, der im In- und Ausland als der deutsche Joseph Chamberlain gefeiert wurde, weil er dem größten aller Kolonialsekretäre in Bezug auf seine Vorgeschichte und seine Methoden sehr ähnlich war, beging den revolutionären und verhängnisvollen Fehler, Geschäftsethik auf die Führung der deutschen Kolonien anzuwenden. Sein endgültiger Untergang war so unausweichlich wie das Grab. Er war nicht der erste, der dem System, in das er so unkonventionell hineingestoßen worden war, die Stirn bot, und er wird auch nicht der letzte sein.

Deutschlands überseeische Besitzungen, die in Quadratmeilen ein Vielfaches der Fläche des Reiches in Europa umfassen, waren vor der Ära Dernburg respektlos und verschiedentlich als Sandwüsten und Subventionsfriedhöfe bekannt. Kaum ein Deutscher, ausgenommen Beamte und Soldaten, hat sie je betreten. Togoland, Kamerun, Deutsch-Südwest- und Ostafrika, Kiau-Chau und die Dependenzen im fernen Pazifik, in und um die Samoanischen Inseln, figurierten unerbittlich auf der falschen Seite des kaiserlichen Kontos. Der Kelch des kolonialen Elends des Vaterlandes lief schließlich über, als zu den gewöhnlichen Lasten des Reiches die schweren Blut- und Schatzopfer eines hartnäckigen Aufstandes in Südwestafrika hinzukamen. Die fähigen Herren vom grünen Tisch mussten weniger zu ihrer Empörung als zu ihrem Erstaunen feststellen, dass Bürokratie und Kolonisierung nicht zusammenpassen. Ein halbes Dutzend Geheimräte und Herren Doktoren hatte man im Kolonialamt ausprobiert. Alle waren gescheitert. Der letzte, der sich als untauglich erwies, war ein Verwandter des Kaisers selbst, Prinz Ernst von Hohenlohe-Langenburg. Dernburg sollte für die Kolonien das tun, wofür er sich als Sanierer industrieller und finanzieller Lahmärsche einen Namen gemacht hatte – sie wieder auf die Beine stellen.

Ein ausgeprägter Patriotismus veranlasste Dernburg, die Wirtschaft zugunsten eines Amtes aufzugeben. Er gab die Geschäftsführung einer großen Bank, die ihm 10.000 Pfund pro Jahr einbrachte, und ein Dutzend Firmenvorstände, die ihm noch einmal halb so viel einbrachten, für ein mickriges Kabinettsgehalt von 1.250 Pfund und eine glorreiche Gelegenheit zum Scheitern auf.

Doch der Kaiser suchte einen Spezialisten für die Überwindung von Hindernissen, und als ihm Dernburgs Bilanz als finanzieller Lebensretter vorgelegt wurde, erklärte Wilhelm II., er habe den richtigen Mann gefunden. Die dramatische Ernennung des jungen Selfmade-Volkssohns, dessen Vater als Journalist bei einer Berliner Zeitung (tatsächlich war er Publizist und Politiker. Anm. d. Red.) tätig war, folgte prompt. Seine Anwesenheit auf der Regierungsbank im Parlament brachte neues Leben in diese Galaxie der bürokratischen Effizienz. Noch bevor er drei Monate im Amt war, war seine aggressive Persönlichkeit allgegenwärtig. In der leidenschaftlichen Reichstagswahlkrise, die er selbst ausgelöst hatte, war er die dominierende Figur. Der Wahlkampf wurde einzig und allein über das von Dernburg aufgeworfene Thema – die Erhaltung und Entwicklung der Kolonien – geführt.

Als Hauptredner der Regierung reiste er durch das Land, nach Norden und Süden, nach Osten und Westen, und predigte überall in glühenden Worten das Evangelium von Deutschlands Zukunft in Übersee. Er entwickelte bemerkenswerte Fähigkeiten als Wahlkämpfer und politischer Kämpfer. Über Nacht wurde er zum starken Mann der Regierung des Fürsten Bülow und erlangte innerhalb von vier Monaten nach seinem Eintritt in das offizielle Leben Ruhm und kometenhafte Popularität. Als die Stimmen ausgezählt waren, fand sich die unheilige Allianz aus Klerikalismus und Sozialismus, die Dernburgs kolonialen Einschätzungen getrotzt und die Parlamentswahlen herbeigeführt hatte, ihrer Macht beraubt.

Dernburgs Name stand nun für Energie, Wagemut und Erfolg. Die Weisen und Graubärte des antediluvianischen Systems rieben sich entsetzt die Augen. Seine Feinde wurden zahlreich und fleißig. Sie erklärten, er könne und werde nicht überleben. Die aristokratische Kaste, die in Deutschland durch ererbte Tradition hohe Ämter monopolisiert, ohne auf Verdienste zu achten, nahm ihm den alles erobernden Fortschritt eines einfachen Mannes semitischer Abstammung bitter übel. Sie nannten ihn unbeherrscht. Sie rügten ihn für seine Unbeholfenheit in der Hofkleidung. Sie sagten, sein ganzes Verhalten in seiner neuen Umgebung sei offensichtlich unerträglich. Aber er machte weiter in dem mit Spinnweben übersäten Kolonialamt.

Jeder, der mit Dernburgs Bankkarriere vertraut war, hätte den vergoldeten, stolzierenden, eingebildeten  Angebern, deren Empfindlichkeiten er so schwer verletzte, sagen können, dass sein charakteristisches Merkmal Rücksichtslosigkeit war – kaltblütige, unerbittliche Missachtung von allem anderen als seinem Ziel. Als Prof. Bergmann, Deutschlands großer Chirurg, einmal von einem verwundeten Soldaten in einem Feldlazarett gefragt wurde, was man für ihn tun könne, antwortete er: „Enthaupten.“ Enthauptung war Dernburgs Leitmotiv, als ein verzweifeltes Finanzprojekt in seinen Operationssaal in der Darmstädter Bank gebracht wurde.

Im Alter von neunzehn Jahren wurde Dernburg zum Studium des Bankwesens zu Ladenburg, Thalmann & Co
nach New York geschickt, wo er eine dreijährige Lehre absolvierte. Nach seiner Rückkehr nach Berlin als
Angestellter der Deutschen Bank zeigte der junge Dernburg schnell das Organisationstalent, das ihn mit zweiundvierzig Jahren in die Räte des Kaiserreichs berufen sollte.

Etwa zu dieser Zeit gründete die Deutsche Bank die erste Treuhandgesellschaft in Deutschland, die den Zweck 
hatte, bankrotte Finanz- und Industrieunternehmen zu retten. Herr Dernburg wurde zum Geschäftsführer ernannt. Er hatte seine Geschäfte nur wenige Monate geführt, als er durch die geschickte Wiederbelebung einiger praktisch bankrotter Hypothekenbanken, die von Besserwissern als hoffnungslose Fälle aufgegeben worden waren, landesweite Aufmerksamkeit erregte. Die Wirtschaftskrise von 1900, die die Leipziger Bank und andere solide deutsche Handelsschiffe ins Trockendock trieb, um deren Lecks zu reparieren, gab Dernburg seine große Chance. Er wurde auf den Chefsessel der Bank für Handel und Industrie, besser bekannt als Darmstädter Bank, berufen, wo er alle Möglichkeiten hatte, seine kühnen finanziellen Geniestreiche zu verwirklichen. Sie waren zugegebenermaßen hart, revolutionär und verblüffend in ihrer Kühnheit, aber fast immer wirksam. Herr Dernburg befand sich mitten in seiner Bankkarriere, als er gebeten wurde, seinen Vorschlaghammer und seine Axt ins Kolonialamt zu bringen. Er folgte dem Ruf unter der ausdrücklichen Bedingung, dass es ihm erlaubt sein sollte, sie in seinem neuen Arbeitsbereich weiterhin zu schwingen.

Er hat die Kolonien nicht sofort in El Dorados verwandelt. Sie zeigten weiterhin einen unersättlichen Appetit auf Subventionen, aber sie hörten auf, ein bloßer Spielplatz für zivile und militärische Märtyrer zu sein, und begannen, die Aufmerksamkeit echter Kolonisatoren – Bankiers, Schiffer, Kaufleute, Bauern und Händler – auf sich zu ziehen. Die „Kolonialmüdigkeit“, ein altes deutsches Leiden, nahm ab. Die Sandwüsten Afrikas und des Pazifiks wurden nicht mehr nur als Mühlsteine um den Hals des Kaisers betrachtet.

Während all dieser anstrengenden Monate des loyalen und effektiven Dienstes waren Dernburgs Feinde  unerbittlich am Werk. Die katholische Zentrumspartei, die er gleich zu Beginn seiner Karriere gedemütigt hatte, begehrte schon lange seinen Skalp. Im Laufe der Jahre hatten sie sich viele Verbündete außerhalb ihrer eigenen Reihen gesucht, denn Dernburg der Unbarmherzige hatte die Kunst, sich Feinde zu machen. Fürst Bülow, unter dem der Kolonialsekretär sein Amt angetreten hatte und viel Spielraum genoss, war nicht mehr Kanzler. Der Klerikalismus war wieder die Macht hinter dem Regierungsthron geworden. Dernburgs Kopf war eine ihrer ersten
Forderungen. Seit dem Sommer 1910 war er das, was ein angesehener amerikanischer Senator einmal von sich selbst sagte: ein Staatsmann, der seinen Job verloren hatte.

Dieser damals erschienene Beitrag summiert Bernhard Dernburg und sein Wirken in ziemlich vollständiger Weise. Bedenkt man einen Augenblick, dass dieser Artikel nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs geschrieben bzw.
veröffentlicht wurde, dann kann man, angesichts des damals herrschenden anti-deutschen Ressentiments, nur die Sachlichkeit und Unvoreingenommenheit des Berichtes bewundern.

Zwar war Dernburg durch seinen Rücktritt 1910 aus dem Kolonialamt „Job-los“, was er ein paar Jahre später angesichts des Verlusts der Kolonien sowieso geworden wäre, seine politische Karriere jedoch war noch längst nicht zu Ende: Nach 1918 war er im inneren Führungsring der neu gegründeten Deutschen Demokratischen Partei tätig, Mitglied der Nationalversammlung, und vom April bis Juni 1919 Reichsfinanzminister und Vizekanzler im Kabinett Scheidemann. Aus Protest gegen den Versailler Vertrag trat er von seinem Posten zurück. Von 1920 bis 1930 war Bernhard Dernburg dann Reichstagsabgeordneter. Erst nach den Reichstagswahlen von 1930 zog er sich dann vom aktiven politischen Leben zurück.

3. Afrika um 1900, und Die Ziele Dernburg‘s Afrika Politik.

(Von Dr. phil. Sören Utermark, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel).

Generell herrschte in den Kolonien Afrika’s – gleich welcher Kolonialmächte – eine Vorstellung der „weißen Überlegenheit“, und damit eine Legitimation für die Unterwerfung der eingeborenen Bevölkerung. Ein Auszug aus den „Windhoeker Nachrichten“ vom 4 Juli 1907 verdeutlicht das vorherrschende Herrschaftsverhältnis zwischen der eigeborenen Bevölkerung und den deutschen Ansiedlern so: „Die Idee, dass die Neger in Afrika ein Recht darauf hätten, nach ihrer eigenen Fasson zu leben und zu sterben, diese Idee ist einfach absurd“ [Zitat].

Doch schon bereits um die Jahrhundertwende hatte sich deutlich herausgestellt, dass eben diese Art der Herrschaftsausübung nicht den gewünschten Erfolg herbeibringen konnte. Die Entwicklung der Kolonien blieb bei weitem hinter den anfänglichen Erwartungen zurück, so dass in der deutschen Öffentlichkeit die Kritik an den vielen Unzulänglichkeiten der deutschen Kolonialpolitik wuchs. Neben den zahlreichen Verfehlungen der Kolonialverwaltung, dem Desinteresse des deutschen Kapitals an Kolonialinvestitionen sowie im Zusammenhang mit den großen indigenen Aufständen in Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika (1904-1907), war es vor allem der durch die inhumane Eingeborenenpolitik entstandene permanente Arbeitermangel, der u.a. im Reichstag zu heftigen Diskussionen führte und den Ruf nach einer „neuen“ Kolonialpolitik entfesselte. Vor allem die Sozialdemokraten und das Zentrum attackierten die Kolonialpolitik der Regierung, so dass Kolonialdirektor Ernst
zu Hohenlohe-Langenburg schließlich im September 1906 sein Amt niederlegte.

Mit dieser ruhmlosen Verabschiedung des Erbprinzen zu Hohenlohe-Langenburg erreichte die Krise der  deutschen Kolonialpolitik schließlich ihren Höhepunkt. Reichskanzler von Bülow war nun dazu angehalten, eine Kolonialreform unter neuer Führung der Kolonialverwaltung voranzutreiben.

Die Notwendigkeit eines neuen Systems wurde von allen Seiten gefordert. Einen geeigneten Mann für das Amt des Kolonialdirektors zu finden, der imstande war, die marode und dringend sanierungsbedürftige Kolonialverwaltung zu führen, gestaltete sich als sehr schwierig. Die Erfahrungen mit den bisherigen Personalbesetzungen hatten gezeigt, dass eine juristische Ausbildung, eine militärische Karriere oder politische Erfahrungen nicht ausreichen konnten, um dem hohen Anspruch dieses Amtes zu genügen. Daher versuchte Reichskanzler von Bülow nunmehr, einen „Mann der Wirtschaft“ an die Spitze der Kolonialabteilung zu stellen. Damit kam er dem Wunsch des Kaisers, des Reichstags und zahlreicher Unternehmer nach stärkerer Berücksichtigung kaufmännischer Elemente in der Verwaltung entgegen. Nach langem vergeblichem Suchen und vielen Absagen führender Industrieller und Bankiers konnte schließlich Bernhard Dernburg für die Kolonialreform gewonnen werden, und von Bülow ernannte am 05.09.1906 den Bankier zum Direktor der Kolonialabteilung.

Dass die Lösung des Arbeiterkräfteproblems Voraussetzung für den gesamten Kolonialbetrieb war, wurde von niemanden, der an der Kolonialpolitik beteiligt war (Kolonialvereine und -gesellschaften, Parteien, Ansiedler usw.) ernsthaft bestritten. Allerdings zeigten sich Uneinigkeiten in der Frage, auf welchem Weg die Afrikaner zur Arbeit bewogen werden könnten und wie sie zu behandeln seien.

Dernburg skandalisierte die bürokratischen Funktionäre in Berlin, indem er die ketzerische Doktrin verkündete, dass Afrika ein Land der Schwarzen sei und dass die Eingeborenen aus einem anderen als dem vorherrschenden Berliner Blickwinkel behandelt werden müssten. Er vermittelte seinen Landsleuten eine völlig neue Vorstellung  von ihrer Aufgabe und ihren Möglichkeiten als Kolonialmacht.

Dernburg stieß mit seinen Reformvorschlägen zum Teil auf energische Ablehnung im Reichstag, in der Presse, bei den Ansiedlern und selbst bei einigen Gouverneuren und Beamten in der Kolonialverwaltung. Durch die Reformierung der Eingeborenenpolitik sollte die indigene Bevölkerung als Arbeitskraft für die koloniale Wirtschaft nutzbar gemacht werden. Das gewünschte Ziel war, die Afrikaner zur Arbeit zu „erziehen“, so dass sie sich widerspruchslos in die Lohnarbeit fügten.

Eine zentrale Rolle war dabei der Schule zugedacht, die den Afrikanern „Werte“ wie Disziplin und Arbeitslust
vermitteln sollte. Laut [der damaligen 1884 in New-York geborenen Historikerin] Mary Evelyn Townsend markierte der Amtsantritt Dernburgs einen Schnitt in der kolonialen Schulpolitik, indem er ein Erziehungssystem etablierte, das sogar von der britischen Kolonialmacht als „Wunder“ angesehen wurde.

Die insgesamt vier Jahre währende Periode, die sogenannte „Ära Dernburg“ (1906-1910), beansprucht in der deutschen Kolonialgeschichte einen besonderen Platz. Sowohl in der zeitgenössischen Literatur als auch in der aktuellen wissenschaftlichen Forschung wird der Amtsantritt Bernhard Dernburgs zum Leiter der Kolonialabteilung im Jahre 1906 als der „Beginn einer neuen humanen Ära“ deutscher Eingeborenenpolitik oder als „Zäsur“ bzw. „Wandel zum Besseren“ bezeichnet.

Der bereits kurz nach seinem Amtsantritt aufgestellte Rahmen allgemeiner kolonialpolitischer Leitsätze konnte nur durch eigene realitätsnahe Afrika Erfahrungen zu einem detaillierten politischen Programm geformt werden, so dass im Ergebnis der Dernburgsche Reformweg für die deutschen Plantagen- und Siedlungskolonien  entstehen konnte.

4. Die Studienreisen Dernburgs in die deutschen Kolonien in Afrika (1907 und 1908)

Die erste Studienreise des Kolonialstaatssekretärs nach Deutsch-Ostafrika begann am 13. 07.1907 und dauerte bis zum 30.10.1907. Um praktische „Unterlagen für wirtschaftliche und administrative Reformen“ zu
erhalten, sah es Dernburg entsprechend seiner früheren Ankündigung als seine erste Aufgabe an, die Kolonien aus eigener Anschauung kennen zu lernen.

Zur dieser „Bestandsaufnahme“ gehörte die genaue Sondierung des Arbeitsterrains und der vorhandenen Profitmöglichkeiten.

Nur wenige Unternehmer, Politiker und Publizisten kannten die deutschen Kolonien mit ihren landesspezifischen Eigenarten aus persönlicher Erfahrung. Selbst in der Kolonialverwaltung herrschte größtenteils Unkenntnis über die konkreten wirtschaftlichen und politischen Bedingungen der Kolonien.

Seit 1892 war kein deutscher Leiter der Kolonialpolitik wieder in den Kolonien gewesen. Die Kolonien kannte man in Berlin durchwegs nur aus den jährlichen Berichterstattungen.

Umso mehr war Dernburgs Entschluss, die Kolonien selbst zu bereisen und sein kolonialpolitisches  Reformprogramm auf seine konkreten persönlichen und praxisnahen Erfahrungen zu stützen, etwas grundlegend Neues gewesen.

Auf seiner Reise wurde Dernburg von Walther Rathenau begleitet, den er von seiner Zeit in der Darmstädter Bank kannte, und zu dem er ein enges freundschaftliches Verhältnis pflegte, Oberstleutnant Ferdinand Quade als Vorsteher der Militärverwaltung im Reichskolonialamt, dem Geheimen Baurat Johannes Baltzer als technischer Sachverständiger, Rittmeister Graf Henckel von Donnersmarck als Dernburg’s Adjutant, einigen Industriellen, und einem Landschaftsmaler begleitet. Hinzu gesellten sich sieben Journalisten.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Daressalam und einem Besuch beim Sultan auf Sansibar begann am 10.08.1907 eine lange Eisenbahnfahrt durch Englisch-Ostafrika zum Victoria Nyanza (Viktoria See und umliegendes Gebiet) mit dem Ziel, ausgiebig die dortigen Pflanzungen der Afrikaner zu besichtigen.

Es folgte eine Begutachtung der britischen Ugandabahn, bevor es mit einer Karawane nach Tabora ging, um sich mit Sachverständigen über den Bau der Zentralbahn zu unterhalten. Ende September inspizierte die Gruppe deutsche Kaffeeplanzungen in Usambara.

Hier stellte Dernburg eine Rentabilitätsrechnung auf und kam zu dem Ergebnis, dass die Produktion der Afrikaner rentabler sei als die der Europäer. Der Preissturz des Kaffees und die verhältnismäßig hohen Löhne waren hierfür weniger die Ursache als der geringe Ertrag der Pflanzen. So verkündete Dernburg den anwesenden Pflanzern, dass ihre Betriebe in Anbetracht der Kosten sowie der Erträge wirtschaftlich nicht tragbar seien. Weil die Erträge der Pflanzungen von den Schwankungen des Weltmarktes abhängen, dürfe man sie nicht zum Nachteil anderer Hilfsquellen des Landes begünstigen, damit nicht das ganze wirtschaftliche Leben der Kolonie verderblichen
Erschütterungen ausgesetzt werde.

In seiner Begründung stellte Dernburg weiterhin heraus, dass die deutsche Regierung ausschließlich  Unternehmungen unterstützen würde, die Aussicht auf Rentabilität böten. Daher könne man Kulturen, deren Unrentabilität sich gezeigt habe, wie dies bei vielen Kaffeepflanzungen in Usambara der Fall sei, nicht subventionieren. Solche Kulturen brächten die gesamte Kolonie nur daheim in Misskredit und entzögen
rentablen Kulturen die Arbeitskräfte.

Deutlicher als es ihm in den öffentlichen Stellungsnahmen möglich war, konnte Dernburg seine Auffassung in seinem „Geheimbericht an die Regierung“ darlegen. In diesem verurteilte er die durch „eigene Interessen etwas verblendeten Ansiedler und Farmer“.

Durch die gesammelten Eindrücke und Erfahrungen gelangte der Kolonialstaatssekretär zu der Überzeugung,
dass Deutsch-Ostafrika „seiner natürlichen Bestimmung“ nach nicht eine Siedlungs- und Plantagenkolonie wäre,
sondern ein Land für Kaufleute und Eingeborenenkulturen.

Es dürfte klar sein, dass Ihm seine Analysen und deutliche Stellungnahmen in Ost-Afrika bei den Ansiedlern keine
Freunde einbrachten…

Die zweite Studienreise von Bernhard Dernburg startete am 12.05.1908 in Berlin und endete mit seiner Rückreise am 21.08. 1908. Sie führte an die westliche Küste des Kontinents, nach Deutsch Süd-West Afrika (kurz DSWA), dem heutigen Namibia.

Diese insgesamt viermonatige Reise war mit einer Länge von rund 36.000 Kilometern wirtschaftlich und politisch von deutlich größerer Bedeutung als die Reise des vorhergehenden Jahres nach Deutsch-Südostafrika. Trotz unwirtlicher Geografie war Deutsch-Südwestafrika die einzige der deutschen Kolonien, in der sich eine nennenswerte Anzahl deutscher Siedler niederließ.

DSWA‘s Topografie ist weitaus sandiger und steiniger, bergiger, unwegsamer, als Ost-Afrika, und so wurde bereits 1906 vom Reichskolonialamt in Berlin für diese zweite Reise Dernburgs nach Afrika bei der Daimler Motoren Gesellschaft ein ganz spezielles Fahrzeug bestellt, das sich vor allem in unwegsames Terrain und langen Strecken pannenlos zu bewähren hatte.

Wir kennen den Wagen heutzutage als den „Dernburg“-Wagen. Er wurde nur ein einziges Mal hergestellt, für den Herrn Staatssekretär zum Gebrauche, anschließend inklusive Werkschauffeur der Landes-Polizei in Süd-West-Afrika zum Nutze überlassen. Vom Wagen wissen wir, dass er bis 1910 im Einsatz blieb, dass dann sich aber jede Spur…im Sande verläuft.

Was den von der DMG „ausgeliehenen“ Fahrer betrifft, einen Herrn Paul Ritter, dieser kehrte erst 1919, nach Ende des Weltkrieges „heim ins Reich“.

Die technischen Einzelheiten zum Dernburg-Wagen sind hinreichend bekannt, der(die) Leser(in) braucht zur genauen Unterrichtung nur im Internet die zwei Worte “Dernburg Wagen“ eingeben, schon bekommt er alles Wissenswerte zum Fahrzeug zu lesen.

Jedenfalls ist das unter der Leitung von Paul Daimler bei der Daimler Motoren Gesellschaft (DMG) in Berlin-Marienfelde gebaute 4,90 Meter-lange Einzelexemplar Anfang April 1908 für eine eingehende Erprobungsfahrt fertig, zwar nicht in Afrika, sondern über eine 1677 km lange Strecke von Berlin nach Stuttgart-Untertürkheim und zurück, und wird über allem möglichen Gelände gefahren, insbesondere um den Allradantrieb zu testen, in Sandgruben, Steigungen von bis zu 21%, und anderen Widrigkeiten, auf die man sich bei einer Fahrt in Afrika gefasst machen konnte, und nebenbei auch auf ganz normalen Straßen.

Leicht erkennbar an seinem charakteristischen „Doppelkühler“ (zusätzlich zum an der Front montierten Kühler war an der Spritzwand ein weiterer hufeneisenförmiger Kühler angebracht, beide waren miteinander über zwei seitlichen entlang der Motorhaube am Fahrgestell installierten Wasserbehälter verbunden) und mit seinem
vergrößerten Benzintank war der Wagen bereit, Deutsch-Südwestafrika zu erobern.

Im Mai 1908 wird das maximal 40 km/h schnelle, 35 PS starke, 3,6 Tonnen schwere Fahrzeug, das dem Kolonialamt 34.750 Reichsmark kostete, mit dem Dampfer „Kedive“ nach Swakopmund in Deutsch-Südwestafrika verschifft, wo es Mitte Juni ankommt.

Hinzu gesellten sich drei weitere, tropengerecht hergerichtete Daimler Lastwagen ebenfalls am doppelten Kühler erkennbar, allerdings ohne Allradantrieb, und eine gepanzerte Benz-Limousine. Von diesen Fahrzeugen ist heute meines Wissens noch weniger bekannt, als über den Dernburg-Wagen.

In der Zwischenzeit tritt Dernburg ebenfalls seine Reise an. Am 12. Mai verlässt er Berlin, in Richtung London, wo er am nächsten Morgen ankommt. Kurz nach seiner Ankunft am 13.Mai hat er eine Besprechung mit dem englischen Kolonialminister Lord Crewe und im Anschluss daran ein Treffen mit Handelsminister Winston Churchill.

Am 14. Mai trifft er sich mit Außenminister Grey, und am 15. Mai beendet er seinen Aufenthalt in London mit einer Audienz beim König Edward VII.

Am 16. Mai ist er per Dampfer unterwegs nach Süd-Afrika, wo er am 2. Juni im Hafen von Capetown (Kapstadt) vor Anker geht.

Von Capetown führt seine Studienreise nach Port Elisabeth, East-London, Durban, und Johannesburg. Von dort aus geht es weiter zum Betschuanaland, dem heutigen Botswana, anschließend zu den Viktoria Fällen, dann über
Rhodesien nach Pretoria.

Am 14. Juli überquert er, von Süd-Afrika kommend, die Grenze zu Deutsch-Südwestafrika am Bondelzwart Gebiet, unterwegs nach Seeheim, dem Beginn der neuen erst Anfang 1908 eingeweihten 318 km langen Eisenbahn-Strecke von Seeheim – einem Flecken mit einer Festung, zwei Hotels und dem Bahnhof – nach Lüderitzbucht.

Von Lüderitzbucht ging es weiter nach Windhuk, wo Dernburg am 6. August ankam. Es ist mit Sicherheit bekannt, dass Dernburg auf diesem 600 Kilometer langem Abschnitt seiner Informationsreise seinen Daimler-Allradwagen benutzte. Eine Eisenbahnlinie war zu der Zeit auf dieser Strecke noch nicht vorhanden, und es lässt sich anhand der jeweils besuchten bzw. inspizierten Orten (Keetsmanhoop, Berseba, Gibeon, Maltahoehe, Rehoboth) ebenfalls nachvollziehen, dass die Reise die „Route“ der Heliographen-Linien mit seinen Stationen folgte.

Diese Strecke wurde in 4 Reisetagen zurückgelegt, und zwar ohne Unfall! Im Vergleich hätte ein guter Reiter hierfür 12 Tage gebraucht.

Es ist interessant zu notieren, dass der „Dernburg-Wagen“ auch mit einem Feldfernsprecher ausgestattet war, der unterwegs an jeder Telegraphenleitung angeschlossen werden konnte. So konnte Dernburg, falls er es wünschen sollte, sogar mit Berlin in Verbindung bleiben.

So sehr sich der Allradantrieb insbesondere auf tiefen sandigen und unwegsamen Distanzen bewährte, so  wurden doch die Reifen, auch schon allein des hohen Fahrzeuggewichtes wegen, arg beansprucht. Insgesamt brauchte der Dernburg-Wagen von 1908 bis 1910, also während der Dauer seiner bekannten Existenz, 36 Reifen plus 27 Schläuche. (zur Erinnerung: schlauchlose Reifen wurden 1929 patentiert, und waren erst in den neunzehnhundertsechziger Jahren erhältlich). So gesehen, musste der Wagen innerhalb von nur 3 nachweislichen Jahren neunmal einen kompletten Satz neuer Reifen erhalten. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach gingen nicht sofort alle vier auf einmal kaputt…

Am 10. August reisten Dernburg mit seiner Begleitung von Windhuk nördlich in das Osana-Gebiet und nach  Otavi, ob mit dem „Dernburg-Wagen“ oder mit dem Zug ist nicht nachvollziehbar, um die „kleinen Siedlungen“ sowie die Konzessionsgebiete der Southwest-Africa GmbH. (S.W.A.G.) und der Otavi Company zu besuchen. Mit Hilfe der staatlichen Ansiedlungsprämien hatten die meisten der wirtschaftlich schwachen Einwanderer kleine landwirtschaftliche Betriebe gegründet, die allerdings mangels Produktivität ständig auf Darlehen und Kredite des Kolonialministeriums in Berlin angewiesen waren.

Am 21. August war dann die Reise in Swapkopmund nach weiteren Besprechungen zu Ende, und Staatssekretär im Reichskolonialamt Bernhard Dernburg ging an Bord eines Dampfers zurück nach Deutschland.

Am Rande sei noch das „Ereignis des Tages“ erwähnt, das für eine nette Abwechslung sorgte, offenbar sogar gut genug, um eine kolorierte Postkarte zu drucken, und die mit der Überschrift „Herausziehen eines  steckengebliebenen Automobils in DSW-Afrika“ herausgegeben wurde.

Und was zeigt das Bild auf der Karte…ein Ochsengespann, das den Dernburg-Wagen aus seiner misslichen Lage herauszieht! Dies ist das einzige Bild des Wagens, das sich heute, abgesehen von den Werksfotos und dem Bild mit der Menschengruppe, finden lässt. Nun, manchmal sind ein paar Ochsen stärker als 35 Pferde…

Nach eingehender Untersuchung des Poststempels erweist sich, dass die Postkarte in Warmbad, Deutsch Südwest Afrika, am 28.8.12 abgestempelt wurde. Und wenn die Kolorierung tatsächlich den Tatsachen entsprechen sollte, dann ist klar, dass der Wagen zur Zeit der Aufnahme neu in weiß lackiert war, was m.E. darauf hindeutet, dass zu dieser Zeit, vier Jahre nach Dernburg’s Informationsreise, der Wagen bereits umgebaut worden war, was  wiederum auch erklären dürfte, warum er steckengeblieben war…

Irgendwann nach Staatssekretär Dernburgs Abreise nämlich wurde nach gründlicher Inspektion von einem Oberstleutnant der Landespolizei die Umstellung auf reinen Heckantrieb angeordnet, aus dem einfachen Grund, dass der Allradantrieb zu aufwendig zu warten und zu reparieren sei.

Was aus dem Dernburg-Wagen außer von ein paar wenigen verbliebenen Bildern wurde, wissen wir nicht.  Vorstellbar ist es jedoch, dass der Wagen nach der, Anfangs des Ersten Weltkrieges erfolgten Einnahme DSWA’s durch die Engländer und Süd-Afrikaner, von den Besatzern beschlagnahmt und weiterhin benutzt wurde, bis er im Laufe der Zeit, u.a. sicherlich mangels Ersatzteile, verschrottet wurde.

5. Letztendlich

Als Dernburg als erster Staatssekretär des Reichskolonialamts schließlich am 10.06.1910 sein Amt niederlegte, traf diese Entscheidung auf unterschiedliche Reaktionen. Die gemäßigten kolonialen Kreise, aber auch die Liberalen und die Finanzwelt bedauerten Dernburgs Rücktritt. Die kolonialen Ansiedler ebenso wie die nationalkonservativen Parteien, die Zentrumspartei und die Interessenorganisationen verspürten eine gewisse Erleichterung. Viel zu lange hatte Dernburg in ihren Augen eine „falsch überlieferte“ und „negrophile Eingeborenenpolitik“ betrieben, die nicht im Sinne der weißen Ansiedler, sondern zum Vorteil der indigenen Bevölkerung ausgerichtet sei.

Bonus:

Der folgende Text ist ein Auszug aus einem Buch über die deutsche Kolonialpolitik, das 1908, dem Jahr von Bernhard Dernburgs Reise nach Deutsch-Südwestafrika, erschienen ist. Dieser Auszug ist hier nur in deutscher Sprache verfügbar. Ein interessanter Einblick in die Problematik der Deutschen Kolonien.


Artikel Quellenverzeichnis:

Mercedes-Benz AG Archiv; Daimler Global Media; MacLeans Archives, Toronto; Meyers Grosses Konversations-Lexikon 1906-1908; Dr. Sören Utermark; WordPress; Library of Congress, Washington D.C; Bundesarchiv; DHM Deutsches Historisches Museum; Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz, Alamy Fotodienst; Wikipedia;