Die motorisierte Feldküche des Kaisers Wilhelm II. – offizielle DMG Bezeichnung: Daimler-Mercedes-Nutzwagen / Küchenwagen.
Die „Automobil Abteilung“ des königlichen Marsstalls.
In erster Linie sieht man in ihm ein Ersatzmittel für die Eisenbahn, worauf übrigens schon die Lackierung hindeutet, dessen Farbe derjenigen des Kaiserlichen Hofzuges nachgebildet ist. Die Unbequemlichkeit, die früher namentlich mit der häufigen Fahrt zwischen den beiden Residenzen Berlin und Potsdam verknüpft war, ist durch dieses Ersatzmittel der Eisenbahn vollständig behoben.“
Das neue „Beförderungsmittel Kraftwagen“ wurde dort untergebracht, wo seit Jahrhunderten bereits Pferd und Wagen zuhause waren: im königlichen Marsstall genau gesagt im „Neuen Marsstall“, gegenüber dem Stadtschloß, in Berlin. Der Marsstall erfuhr dadurch eine „vollständige Auffrischung“, die „der Würde des deutschen Kaiserhauses angemessene Prachtentfaltung mit den Anforderungen des modernen Geschmacks überaus glücklich vereinigte“.
Der erste Oberstallmeister, der der Einführung des Automobils am Hofe nicht teils ablehnend, teils abwartend gegenüberstand, und der anders als die Mehrzahl der „Zeitgenossen im aristokratischen Lager“ den Kraftwagen nicht als „ein Gefährt betrachtete, der in den Rahmen eines vornehmen Betriebes durchaus nicht hineingehörte“, war ein Freiherr von Reischach, der schon lange zuvor dem Automobil positiv gesonnen war, und zwar zumindest teilweise auf Grund seiner verwandtschaftlichen Beziehung zum Herzog von Ratibor, seinem Schwager, der als Präsident des K.A.C. (Kaiserlichen Automobil Club) zu den ersten Fürstlichkeiten gehörte, die ein Auto für Privatzwecke benutzten.
Zwischen 1899, als Kaiser Wilhelm II. zum ersten Mal einen Daimler-Wagen bestieg und in ihm gefahren wurde,
eine Tat die das Volk als äußerst waghalsig empfand, und 1908, zehn Jahre später ‚ als die verfeinerte und
zuverlässigere Technik, bzw. „die motorische Gewalt hinter dem gefälligen Gewande einer geschmackvollen Karosserie fast ganz verborgen blieb“, sprach schließlich soviel für den Kraftwagen, „dass man ihm in der vornehmen Sphäre des Marstalls einen seiner Bedeutung entsprechenden Platz einräumen konnte.“
Nicht zu vergessen ist die Begünstigung des Automobils am Hofe, Dank der intensiven Förderung des Automobilismus durch Prinz Heinrich, dem Bruder des Kaisers.
Sofort nach dem Amtsantritt des Oberstallmeisters Freiherr von Reischach wird die Automobilabteilung des Marsstalls straff militärisch organisiert, und als Leiter der Abteilung ein Hauptmann Albert Zeyß ernannt. Ihm unterstanden die Oberwagenführer Schröder und Christian Werner (dem bekannten, um nicht zu sagen berühmten, Rennfahrer).
Bei 1907 bestand die Automobilabteilung aus 7 Personenwagen, und zwei elektrischen Stadt-Coupés, dazu kamen noch zwei Lastwagen mit Benzinmotor, geliefert 1906 und 1909.
1912 war der Wagenpark auf 25 Fahrzeuge angestiegen, davon befanden sich 20 in Berlin und ab 1908 zwei auf dem kaiserlichen Urlaubs-Schloß Achilleion auf der Insel Korfu in Griechenland (1890 für die österreichische
Kaiserin Sissi erbaut, vom Kaiser 1907 gekauft.) Insgesamt bestand 1912 das Personal aus: 5 Oberwagenführer, 7 Wagenführer, 12 Begleitleute, 3 Lastwagenführer, 1 Maschinenmeister, 1 Monteur, 1 Wagen Halter, und 1
Telefonist.
Der recht routinierte Dienst zwischen Berlin und Potsdam erhielt Abwechslung, wenn der Kaiser auf Reisen ging, z.B. alljährlich, wenn er die zwei Touren Straßburg – Metz, und Hannover – Hamburg unternahm. Hinzu kam natürlich die so genannte „Manöverzeit“. All diese Unternehmungen wurden per Kraftwagen als Ersatz für die längeren Eisenbahnfahrten unternommen, die ab, bzw. zu den Bahnhöfen sowieso den Einsatz von Automobilen und das lästige und umständliche Umsteigen erforderten. Nur eins hatte der Zug zu bieten, das ein Auto nicht konnte: einen Speisewagen!
Aber wie sollte seine Majestät denn jetzt beköstigt werden?
Etwa eine Stulle mit grober Leberwurst, möglicherweise auch noch in Wachspapier eingewickelt für seine Majestät? Wo denken Sie hin, mein Lieber???
Der Mercedes Küchen-Wagen.
Also musste eine Feldküche her, aber nicht irgendeine, sondern eine mobile komplett ausgestattete Küche auf Rädern, für die Bereitung der Mahlzeiten seiner Majestäten, der höheren Stabs-Offiziere, und anderen geladenen
Gästen. Eine solche motorisierte Küche wurde bei der DMG bestellt. Für das dazugehörige Personal wurde gleichzeitig ein Begleitwagen in Auftrag gegeben, der mit Sitzbänken und Tisch ausstaffiert bei schlechtem Wetter unter anderem als rollende motorisierte Kantine benutzt werden konnte. Dieses Fahrzeug wurde zusammen mit der Feldküche, 1912 an den Hof, genau gesagt an das Obermarsstallamt in Berlin geliefert.
Hier nun eine zeitgenössische Beschreibung des Küchenwagens:
„Die Kaiserliche Feldküche, eine Schöpfung der Daimler Motoren Gesellschaft (Untertürkheim) besteht aus zwei Wagen, nämlich einem Küchenwagen und einem Begleitwagen. Aus den beiliegenden Bildern ist die Verwendungsart der beiden Fahrzeuge so deutlich erkennbar, dass man sich nur auf die Schilderung ihrer unsichtbaren Vorzüge zu beschränken braucht.
In dem Küchenwagen wird nicht nur an einem echten Herd gekocht… er birgt auch in zwei großen Eisbehälter die Vorräte an Fleisch, Butter, Wein und Bier in einer Reichhaltigkeit, die allen Anforderungen des gesteigerten Manöverappetits gewachsen ist. In luftdicht abgeschlossenen Räumen lagern Gemüse, Gewürze und andere Lebensmittel…
Im Wagen sind außerdem ein 4,50 m langer und 1 m breiter zerlegbarer Tisch für zwölf Personen untergebracht, und die dazugehörigen 12 zusammenklappbaren Holzstühle. Sollte die Sonne einmal nicht über des Kaiser’s Hauptes scheinen, ist auf dem Dach verstaut unter einem wasserdichten Segeltuch, ein 6 mal 4 Metern großes und ca. 3 m hohes ovales Zelt, das in Minutenschnelle von 2 bis 3 Leuten aufgespannt werden kann. So ist wenigstens bei einem Regenguss ausgeschlossen, dass der Wein seiner Majestät verwässert wird…
Das Fahrzeug selbst besteht aus einem 50 HP Mercedes Kettenwagen, mit verbreiteter Spur, und doppelten Rädern an der Hinterachse. Der Küchenaufbau des Wagens ist so hoch gehalten, dass der Koch aufrechtstehend arbeiten kann. An der am Heck des Fahrzeugs angebrachten Tür zur Küche ist innen ein gepolsterter Klappsitz angebracht. Am vorderen Teil der Seitenwände befinden sich Holzklappen, die waagerecht heruntergelassen werden können, und der Küche als Serviertische dienen.
Darüber lassen sich kurzfristig auf beiden Seiten Zeltdächer aufspannen, die vor Sonne und Regen Schutz bieten. Eine für seine Zeit sehr moderne und raffinierte Einrichtung am Wagen ist das herausklappbare Waschbecken, das unter dem Fahrersitz links angebracht ist, und das von einem auf dem Vorderdach angebrachten Behälter mit Wasser gespeist wird. Ist man mit dem Händewaschen fertig, wird das Waschbecken zugeklappt, und es entleert sich von selbst ins Freie unterhalb des Wagens…
Der von Wilhelm II. in Auftrag gegebene Küchenzug (bestehend aus Küchenwagen und Personenwagen) gefiel auf alle Fälle so gut, dass Cousin Nikki in St. Petersburg (Verzeihung, soll heißen: dass der russische Zar, Nikolaus II, ein Cousin des Kaisers), anlässlich eines Besuchs in Potsdam einen identischen Küchenzug bei der DMG bestellte.
Tatsächlich waren beide Küchenzüge bis auf den Außenlack identisch. Der sichtbare Unterschied bestand nur darin, dass beide Wagen des Küchenzugs von Wilhelm II., also Küchen- und Personalwagen, die Farben der kaiserlichen Automobile trugen: creme und dunkelblau mit Goldsteifen. Der Küchenzug des Zaren Nikolaus II hingegen trug die Farben des russischen Kaisers, d.h. dunkelgrün mit roten und schwarzen Absetzungen.
Wir wissen nicht, ob der dritte Cousin im Bunde, also der englische König George V. sich für einen gleichen Küchenwagen interessierte. Es ist, soweit mir bekannt, nirgendwo von einer Lieferung eines solchen Wagens von Untertürkheim zum Buckingham Palace die Rede.
Auf alle Fälle war der Zar so zufrieden, als er 1913 zum ersten Mal seinen neuen Küchenwagen sah, dass auf Befehl seiner Majestät der Küchenzug auf die St. Petersburger Automobil Ausstellung 1913 gebracht und ausgestellt wurde, wo er – wie es laut Berichten hieß – „dort vollsten Beifall fand.“ Weiter hieß es in Berichten über den Besuch des Zaren: „Endlich sei noch als ein weiterer Beweis der hohen Meinung, die der Zar von den Mercedes-Wagen hat, darauf hingewiesen, dass im Anschluss an die St. Petersburger Automobil Ausstellung auch noch zwei neue 25/60 HP Mercedes-Knight Chassis für den russischen Hof angekauft wurden.“
Leider habe ich kein Bild des Zaren am DMG-Stand gesehen; vom Zaren am Benz-Stand und am Rolls-Royce-Stand hingegen schon. Damit niemand sich benachteiligt fühlt, habe ich mich für das Bild seiner Kaiserlichen Majestät, beim Verlassen der Ausstellung auf dem Weg zu seinem Staatswagen, einem französischen „Delauney-Belleville“ (Typ HC4) entschieden 😉, der wie es heißt, sein bevorzugtes Reisemobil gewesen sein soll.
Was sowohl aus dem Küchenwagen des Kaisers und aus dem des Zaren wurde ist leider nicht bekannt. Gut vorstellbar ist es, dass beide im, oder in den Wirren nach dem Ersten Weltkrieg umfunktioniert, beziehungsweise zerstört wurden. Desgleichen ist es sehr leicht vorstellbar, dass die Begleitwagen – sollten sie die Kriegszeit überlebt haben – anschließend einfach als Truppentransporter oder als Busse benutzt wurden.
Das Modell des Küchenwagens von AutoCult:
Mit dem 1:43 Modell des Küchenwagens von Wilhelm II. bringt AutoCult ein kleines Prachtstück heraus.
Es wäre deutlich einfacher gewesen, das Fahrzeug im geschlossenen Zustand darzustellen, und das wäre ein nettes Beispiel in 1:43 eines Lastwagens aus der 1912-1913 Produktionspalette der Daimler Motoren Gesellschaft geworden. Nett, in der üblichen ausgezeichneten AutoCult Qualität, aber ansonsten auch nicht viel mehr.
Mag einer sagen, dass das wie in Puppen-Häuschen aussieht, ich kann nur erwidern, dass es die genaue Darstellung der motorisierten Feldküche des Kaisers ist, und als solche sehr gut gelungen!
Des Kaisers Mercedes-Feldküche: ein einmaliges AutoCult-Modell, ein kleines Schmuckstück, das in keiner seriösen Sammlung von 1:43 Mercedes-Wagen fehlen sollte!!
Quellen:
Deutscher Architektur Forum, Allgemeine Automobil Zeitung, Archiv Süd-Deutsche
Zeitung, World History Archive, Deviantart, Archiv der Deutschen Bahn, Landes
Archiv Berlin, DMG (Mercedes Archiv), S.Kiriletz.
Ein königliches Mittagsmenü während der Manöver 1906 – Kompliment an den Küchenchef!
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Mecklenburgische Suppe
Steinbutt
Gedämpfte Rinderstücke mit Gemüse
Frische Gänseleber en Bellevue
Rehschnitten auf Ungarische Art
Poularden in Gallert, Salat
Háselnussbombe
Käsestange
Kaiser Wilhelm II und GastWinston Churchill
(sowie Weitere)
im Manöver in Breslau, September 1906.
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Zum Schluss noch eine vergnügliche kurze Geschichte:
Sehnsucht nach Bratwurst?
Wann immer Wilhelm II. beschloss, einige Zeit auf
Korfu zu verbringen, um sich zu erholen, musste ihm
sein „Oberwagenführer“ auf die Insel vorausfahren, um
den Zustand des Weges vom Hafen zum Achilleon für
die Fahrzeuge des Kaisers zu gewährleisten.
Nachfolgend ein Auszug aus einem Interview von Fedor
Freund von der „Allgemeinen Automobil Zeitung“ aus
dem Jahr 1913 mit Oberwagenführer Schröder:
„Die Straßen weisen scharfe Kurven und schwer zu nehmende
Serpentinen auf, man hat mit starken Steigungen und tiefen
Gefälle zu rechnen. Ursprünglich waren die Wege für den Verkehr mit den dort üblichen
zweirädrigen Karren angelegt. Die auf der Stelle wenden können. Ein langgestrecktes
Automobil braucht größere Bewegungsfreiheit, namentlich beim Nehmen der Kurven.
Deshalb werden diese jetzt erweitert, wie überhaupt für die Verbesserung der Straßen in
der Umgebung des Achilleon ziemlich viel getan wird.
Trotzdem müsse man bereits vierzehn Tage vor Ankunft des Kaisers die Wege ganz genau
rekognoszieren, um über jede Veränderung orientiert zu sein.“
“Na ja, da haben Sie ja die beste Gelegenheit, die Insel mit ihren berückenden Schönheiten
auf eigene Faust zu genießen.“
Schröders Augen glühten nicht vor Begeisterung, seine Mienen zeigten auch nicht jenen
verzückten Ausdruck, mit dem viele Menschen von ihren Aufenthalten in Süden zu sprechen
pflegen.
Und dann gestand er mir, dass die Zeit der vierzehntägigen
Rekognoszierung bis zur Ankunft der kaiserlichen Küche eine
wahre Fastenzeit für ihn sei. Er könne die dortigen Speisen
nicht vertragen.
Der kaiserliche Oberwagenführer darf des innigen Mitgefühls
aller aufrichtigen Deutschen versichert sein.
„Wem ist nicht landeinwärts im Süden die Wonne der
Augenweide durch die knurrende Klage des Magens
beeinträchtigt worden? Ewig Hammelfleisch mit Zwiebeln,
Ziegenfleisch mit Knoblauch und Oliventunke, das kann kein
Deutscher Magen vertragen!
Auch die süßen Weine, für die die Dichter vergangener Zeiten so vielfach Stimmung machten, fallen allmählich auf die Magennerven.“
Na ja, die heute so beliebte und empfohlene Mediterrane Küche war eben
damals nicht jedermanns Sache, bzw. so populär wie heute 😉!