Kess-Model, ein Modellbauer mit Sitz in Italien, kündigt für Ende Februar 2016 die Herausgabe eines 1:43 Modells des Mercedes-Benz 320 (W142 IV), in der sog. „Autobahn-Kurier“ Stromlinien-Limousine Version von 1938 (damaliger Neupreis des Wagens: 14.500 Reichsmark), an.
Der Hersteller Kess produziert nicht das ursprüngliche Auto, sondern das Auto, dass im Mercedes-Museum ausgestellt ist. Dieses Exponat ist eine Restauration mit vielen Änderungen im Vergleich zum Auto aus dem Jahr 1938, so wie es damals im Werk gefertigt wurde.
Offensichtlich wurde der Museums-Wagen gescannt, um das Modell herzustellen. Dementsprechend kann – ohne weiteren Nachforschungen – der Modellbauer nichts Besseres bieten, als ein Modell des im Museum befindlichen Exponats. Und trotzdem scheint die Dachlinie des Modells ein bisschen zu flach ausgefallen zu sein … Noch wichtiger ist, dass ein kleines aber wichtiges Merkmal des 320 (142 IV) vergessen wurde, nämlich die 2 Reihen von je 5 kleinen Kühlungs-Schlitzen, die sich mittig oben auf der Motorhaube in der Nähe der Windschutzscheibe befinden.
Und jetzt lassen Sie mich ein wenig Kritik üben, oder wenn Sie es wollen, Haare spalten, oder wie Sie auch immer es nennen mogen.
Der Mercedes-Benz 320 (142 IV) Stromlinienwagen der im Museum steht, wurde offensichtlich eine Zeitlang nach seiner „Rückkehr“ aus Portugal nach Deutschland vor mehr als 35 Jahren mit dem Münchner Kennzeichen M-WY4444 gefahren (der ausgestellte Wagen führt eins der ab 1948 von der amerikanischen Besatzungsbehörde fur Wurttemberg-Baden, wie es damals hies, herausgegebenen polizeilichen Kennzeichen die mit „AW“ anfingen: AW 24-8014).
Allein schon wenn man Bilder des Autos, so wie es das Werk verlies, mit dem Exponat im Museum vergleicht – welches verwendet wurde, um das Modell herzustellen – werden durchaus einige Unterschiede bzw. Mängel deutlich. Der 320, der im Museum steht, wurde offensichtlich zu einem bestimmten Zeitpunkt ein erstes Mal restauriert, wahrscheinlich sogar ein zweites Mal, denn die „dritte“ ursprünglich mittig angebrachte Heckleuchte wurde irgendwann durch einen Mercedes Stern und die roten durch verchromte Speichenrader ersetzt. Schon allein eine oberflachliche Betrachtung von Bildern zeigt eine Reihe von deutlichen Unterschieden zwischen dem Original und dem im Museum ausgestellten Wagen:
- Die Form der vorderen Kotflugel insbesondere am Radhaus ist vollig verschieden. Man könnte meinen, die ursprunglichen Kotflugel wurden durch solche ersetzt, die eigentlich denen eines Mercedes 320 (W142) Cabriolet A entsprechen….
- Zwei Reihen von Lüftungsschlitzen an den Hauben-Seitenteilen des Museums-Wagens verglichen mit einer einzigen Reihe am „erfrischten“ 320 (142 IV) Stromlinienwagen.
- Kein Suchscheinwerfer mit Ruckspiegel am Originalfahrzeug.
- Keine Speichenräder am Original, sondern Scheibenräder.
- Kein MB-Stern am Ende der zentralen Heckflosse. Das Original hatte dort eine dritte Heckleuchte!
- Die Pendelwinker waren beim Original-Auto nicht verchromt.
- Die Stoßfänger hatten am Originalwagen von 1938 keine Hörner.
- Die Scheinwerfer waren am Wagen von 1938 voll verchromt …usw…
Das Modell von Kess-Model stellt das Museum Exponat mit all seinen Schwachstellen dar, und fügt leider noch ein paar mehr hinzu:
- Die Stosstangen (vorne sowohl wie hinten) ragen zu weit aus dem Fahrgestell heraus.
- Das Dach scheint etwas zu niedrig, zu flach zu sein.
- Am Exponat im Museum hat das Logo auf den hinteren Radkappen keinen roten Hintergrund.
- Die 5 mittigen Lüftungsschlitze nahe an der Windschutzscheibe auf der Oberseite der Haube fehlen.
- Das Kennzeichen AW 38-8010 am Modell unterscheidet sich vom Kennzeichen des Museums Exponats (AW 24-8014).
Da ich kein Vorserienmodell zur Verfügung habe, beruht meine gesamte Kritik am Modell auf Vergleiche von Aufnahmen. Moglicherweise gibt es weitere Mängel am Modell – doch hoffentlich nicht!
Ist das Modell den Kauf wert?
Ja, denn es ist das erste [*] 1:43 Modell der Mercedes-Benz 320 (W142) Stromlinien-Limousine / „Autobahn-Kurier, und…
…ja, so lange dem Käufer bewusst ist, dass das Modell eine Wiedergabe eines – wieder einmal – ungenauen Museum-Exponats ist. Und von solchen ungenauen Exponaten gibt es dort leider mehrere: obgleich ich selbst noch nicht das Museum besucht habe, kann ich auf Anhieb schon vier ausgestellte „fehlerbehaftete“ Fahrzeuge auflisten:
- den Lo2750 Renntransporter von 1936 (siehe dbzgl. Newsletter 1/2014),
- den 130 H Vierturer,
- die Pagode, und…
- eben den 320 (W142 IV) Stromlinie.
…die allesamt in einigen, manchmal kleinen, manchmal schwerwiegenden Einzelheiten den Fahrzeugen, so wie diese das Werk verliesen, nicht entsprechen.[**] Der Preis des Modell ist mit ca. 90 €(plus Versand) heutzutage durchaus akzeptabel.
[*] Um ganz genau bleiben, es wurde ein 1:43 Resine-Modell dieses Wagens bereits vor circa 8 bis 10 Jahren vom russischen Modell-Kleinsthersteller „Master 43“ in geringer Menge produziert. Allerdings war es ein wirklich schlecht proportioniertes Modell, das man am besten vergessen sollte.
[**] Ein Museum sollte moglichst ausschlieslich 100% akkurate Exponate ausstellen. Ein bisschen “Retrofit“ etwa bewirkt da Wunder! Stellen Sie sich mal die 1956 restaurierte „ona Lisa“ im Louvre Museum in Paris mit einer Halskette vor…