Stuttgart/Den Haag – Die Mercedes-Benz Silberpfeile sind weltbekannte Ikonen des Motorsports. Das Louwman Museum in Den Haag zeigt vom 11. Oktober 2012 bis zum 6. Januar 2013 eine beeindruckende Sonderausstellung zu ihrer Geschichte in der Zeit von 1934 bis 1939. Faszinierende Originalfahrzeuge aus der Sammlung von Mercedes-Benz Classic fungieren als Hauptdarsteller dieser hochkarätig besetzten Schau.
Für diese Ausstellung kooperiert der älteste Automobilhersteller der Welt in bisher einmaligem Umfang mit dem 2010 an seinem heutigen Standort eröffneten Louwman Museum. Das namhafte Museum ist nicht nur Heimat der ältesten öffentlich zugänglichen privaten Automobilsammlung der Welt, sondern hat zugleich auch den Rang des nationalen Motormuseums der Niederlande.
Die Ausstellung „Silver Arrows 1934-1939“ in der großen Halle des Louwman Museums präsentiert insgesamt sechs Exponate: Neben den Rennwagen W 25, W 125, W 165 und W 154 ist auch der W25-Rekordwagen mit Zwölfzylindermotor von 1936 zu sehen. Auf dessen Chassis montiert ist die Nachfertigung der Vollstromlinien-Karosserie für dieses außergewöhnliche Fahrzeug, daneben wird die originale Karosserie als separate Installation gezeigt.
Zahlreiche weitere Exponate und Fotografien aus dem Bestand der Sammlung von Mercedes-Benz Classic schlagen außerdem eine Brücke zwischen den Biografien der Silberpfeile und denen ihrer Fahrer. Die Ausstellungsstücke geben Einblicke in das Leben legendärer Piloten wie Rudolf Caracciola, Manfred von Brauchitsch und Hermann Lang – auf der Rennstrecke und darüber hinaus. Und natürlich bildet der charismatische Rennleiter Alfred Neubauer, der virtuose Dirigent der Silberpfeil-Siege, ein zentrales Thema der Schau.
Louwman Museum ■ Heimat der weltweit ältesten privaten Automobilsammlung ■ Nationales Motormuseum der Niederlande
1934 erwarb der niederländische Automobilkaufmann Pieter Louwman einen Dodge aus dem Jahr 1914 – das war die Keimzelle seiner außergewöhnlichen Sammlung historischer Automobile und damit Grundstein des heutigen Museums mit einer Sammlung von mehr als 230 historischen Fahrzeugen und der weltgrößten Kollektion von automobiler Kunst. Die Liebe zu klassischen Automobilen entwickelte sich für die Louwmans zur Familiensache. Heute führt Evert Louwman, der Sohn des Gründers, das Museum.
Die ständige Ausstellung ist in die Bereiche „Frühzeit der Motorisierung“ („The Dawn of Motoring“), „Autofahren“ („Motoring“), „Rennsport“ („Racing“) und „Luxus“ („Luxury“) gegliedert. Zu den Beständen gehört unter anderem die weltgrößte Sammlung von Fahrzeugen der Marke Spyker; und der 1887 gebaute De Dion Bouton et Trépardoux des Museums gilt als das zweitälteste Auto der Welt.
Seit 2010 residiert das Louwman Museum in einem von den amerikanischen Architekten Michael Graves und Gary Lapera entworfenen dreistöckigen Gebäude in Den Haag. Hier ist auf mehr als 10.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche die Sammlung zu sehen, die zuvor in Leidschendam und Raamsdonksveer unter den Namen „Nationaal Automobiel Museum“ und „Louwman Collection“ gezeigt wurde.
Die Fahrzeuge der Ausstellung „Silver Arrows 1934-1939“ ■ Vier Formelrennwagen und ein Rekordfahrzeug sind die Zentralexponate der Ausstellung im Louwman Museum
Mercedes-Benz Grand-Prix-Rennwagen W 25 (1934 bis 1936) – 1932 beginnt die Entwicklung des Mercedes-Benz W 25, der ab 1934 in der neuen 750-Kilogramm-Formel startet. Diese Formel schreibt ein Höchstgewicht von 750 Kilogramm für das Fahrzeug (ohne Betriebsstoffe und Reifen) vor – so wollen die Organisatoren die Leistung der Rennwagen und damit die möglichen Höchstgeschwindigkeiten einschränken. Mercedes-Benz entwickelt für die neue Renn-Formel einen Monoposto mit mechanisch aufgeladenem 3,4-Liter-Reihenachtzylindermotor klassisch ausgelegter Fahrzeugarchitektur: Der Motor sitzt an der Front und gibt seine Leistung über ein an der Hinterachse sitzendes Getriebe an die Hinterräder ab. Der W 25 wird von 1934 bis 1936 eingesetzt und in dieser Zeit ständig weiterentwickelt. So steigt die Leistung des Rennwagens von zunächst 354 PS (260 kW) auf schließlich 494 PS (363 kW) mit dem Motor M 25 E aus dem Jahr 1936 – auch der Hubraum wächst bis auf 4.740 Kubikzentimeter, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei rund 300 km/h.
Mercedes-Benz Grand Prix-Rennwagen W 125 (1937) – Ausschließlich für das Jahr 1937, die letzte Saison der 750-Kilogramm-Rennformel, entwickelt Mercedes-Benz den W 125. Dieser Rennwagen wird von einer Weiterentwicklung des Motors aus dem W 25 angetrieben. Allerdings ist bei dem mechanisch aufgeladenen Reihenachtzylindermotor M 125 F der Kompressor nach den Vergasern angeordnet. Diese erstmals in einem Mercedes-Benz Rennwagen eingesetzte Technik sorgt dafür, dass das bereits fertige Gemisch verdichtet wird. Aus 5.663 Kubikzentimeter Hubraum erzielt der M 125 F eine Leistung von 592 PS (435 kW), das maximale Tempo liegt bei rund 320 km/h. Der Rennwagen basiert auf einem stählernen Rahmen mit vier Querträgern, die Räder werden vorne an doppelten Querlenkern mit Schraubenfedern geführt, hinten arbeitet eine De-Dion-Doppelgelenkachse. Der für die Entwicklung des W 125 verantwortliche Ingenieur Rudolf Uhlenhaut wählt nach ausgiebigen Versuchsfahrten auf dem Nürburgring eine revolutionäre Fahrwerkauslegung mit weicher Federung und kräftiger Dämpfung. Unverwechselbar ist der W 125 durch die drei Kühlöffnungen in der Frontpartie.
Mercedes-Benz Grand-Prix-Rennwagen W 154 (1938 bis 1939) – 1938 tritt eine neue Formel für Grand-Prix-Rennen in Kraft, die nicht mehr das Maximalgewicht des Wagens, sondern den Hubraum als entscheidenden technischen Faktor vorschreibt: Saugmotoren dürfen maximal 4,5 Liter Hubraum haben, bei Kompressormotoren sind es maximal 3 Liter. Außerdem werden neue Gewichtsgrenzen zwischen 400 und 850 Kilogramm vorgegeben. Mercedes-Benz entwickelt für diese Formel den neuen Rennwagen W 154 mit mechanisch aufgeladenem V12-Motor. Die Auslegung von Fahrgestell und Aufhängung orientiert sich am Konzept des Vorjahreswagens, dem W 125. Der 1938 eingesetzte Motor M 154/8 hat 2.963 Kubikzentimeter Hubraum, verdichtet die Ansaugluft mit zwei Einstufenkompressoren und leistet bei 7.800/min 468 PS (344 kW). 1939, im zweiten Rennjahr des W 154, kommt ein überarbeiteter Motor zum Einsatz, der M 163 mit Zweistufenkompressor und einer Leistung von 483 PS (355 kW) bei 7.800/min. Die Höchstgeschwindigkeit des W 154 liegt bei rund 300 km/h.
Mercedes-Benz Grand-Prix-Rennwagen W 165 (1939) – Den Rennwagen W 165 mit 1,5-Liter V8-Motor entwickelt Mercedes-Benz für ein einziges Rennen, den Großen Preis von Tripolis im Jahr 1939. Grund dafür ist die Entscheidung der Veranstalter, das Rennen in der italienischen Kolonie nur für Fahrzeuge der sogenannten Voiturette-Formel mit 1,5-Liter-Motor auszuschreiben. Damit soll die deutsche Konkurrenz ausgebootet werden, denn Mercedes-Benz (Tripolis-Sieger in den Jahren 1937 und 1938) besitzt keinen Rennwagen für diese Klasse. Doch die Stuttgarter Rennabteilung baut in nur acht Monaten einen neuen Monoposto für die 1,5-Liter-Formel. Dieser W 165 orientiert sich in vielen konstruktiven Details am aktuellen Grand-Prix-Fahrzeug W 154. Der mechanisch aufgeladene V8-Motor mit 1.493 Kubikzentimeter Hubraum leistet 254 PS (187 kW) bei 8.000/min, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 272 km/h.
Mercedes-Benz 12-Zylinder-Rekordwagen W 25 (1936) – Spezielle Rekordfahrzeuge, die von den jeweiligen Grand-Prix-Rennwagen abgeleitet werden, spielen in den 1930er-Jahren eine wichtige Rolle für Mercedes-Benz. 1936 setzt die Stuttgarter Rennabteilung erstmals ein Fahrzeug mit voll verkleideter Karosserie – einschließlich der Räder und des Bodens – ein, den Rekordwagen W 25 mit V12-Motor. Die Form der Stromlinienkarosserie ist im Windkanal optimiert worden, somit ist der W 25 Rekordwagen von 1936 einer der wichtigen Wegbereiter moderner Aerodynamik im Automobilbau. Angetrieben wird der Rekordwagen von dem V12-Motor MD 25 DAB/1, der aus 5.577 Kubikzentimeter Hubraum 616 PS (435 kW) leistet. Rudolf Caracciola stellt mit dem Wagen am 11. November 1936 Rekorde über 5 Meilen (336,838 km/h), 10 Kilometer (331,889 km/h) und 10 Meilen (333,489 km/h) auf. Die schnellste gemessene Geschwindigkeit des Rekordwagens liegt jedoch bei 372 km/h.