■Aus Gewichtsgründen wird nach den SLC-Coupés ein offenes Fahrzeug für die Rallyesaison 1981 aufgebaut
■Walter Röhrl ist bereits engagiert – doch der Ausstieg aus dem Motorsport Ende 1980 beendet die Aktivitäten
Für die Rallyesaison 1981 wird auch der Einsatz des SL der Baureihe R 107 (1971 bis 1989) ernsthaft in Erwägung gezogen. Das bisher zum Einsatz gekommene SLC-Coupé (C 107) ist zu schwer und vor allem zu lang und unhandlich. Man hat deshalb unter der Leitung Erich Waxenbergers umfangreiche Modifikationen an der SL-Substanz vorgenommen. Für die Bodengruppe des Roadsters werden zur Gewichtserleichterung Bleche eingesetzt, die in ihrer Stärke denen von Bodenanlagen der Limousinen entsprechen. Durch diese Maßnahme werden rund 60 Kilogramm eingespart. Weitere 40 Kilogramm weniger bringt das Weglassen komfortrelevanter Teile. Ausreichende Torsionssteifigkeit der Karosserie wird durch den obligatorischen Einbau eines Sicherheitskäfigs und dem an sieben Punkten mit der Karosserie verschraubten Dach erreicht. Das Zusatzgewicht durch diese Maßnahmen beträgt etwa 40 Kilogramm.
Leistungssteigernde Maßnahmen erhält der Motor. Die bis dahin im SLC eingesetzten Motoren kommen auf 305 PS (224 kW), was nicht mehr ausreichend ist. Im Laufe des Jahres zaubern die Motorenentwickler unter Heinrich Reidelbach weitere 24 PS (17,6 kW) herbei. Die damals in der Presse vermuteten 340 PS (250 kW) gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht. Das belegen die Abnahmeprotokolle aus jenen Tagen. Mit dem plötzlichen Ausstieg aus dem Motorsport im Dezember 1980 – Walter Röhrl ist für die kommende Saison bereits engagiert – hat sich auch das Thema der Rallye-SL erledigt. Das noch vorhandene rollende Material wird zum Teil an die Scuderia Kassel verkauft.
Eineinhalb Jahre danach gelingt es Norbert Haug, damals Ressortleiter Sport der Fachzeitschrift „auto motor und sport“, einen der 500 SL in Rallyeausführung zu fahren und zu messen. Mit der kurzen Antriebsachsenübersetzung von 1 : 4,08 erreicht er 100 km/h in 5,9 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h. Haug ist beeindruckt und verdient zitiert zu werden: „Der letzte noch lebende Saurier ist wild, schwer und brüllt. Seine Kampf-Genossen sind ausgestorben, seine Kampf-Rivalen sind leichter, schneller und agiler – aber nicht stärker. Der Saurier kommt aus gutem Hause, und seine Väter sehen es deshalb nicht gerne, wenn er sich brüllend durch die Suhle frißt. Von Streß kann beim Lenker des silberfarbenen Zweisitzers keine Rede sein – Daimler-Fahren bietet selbst in hartem Gelände mit harten Federn und Dämpfern noch Komfort. Im Übrigen: Das Monstrum hat Kraft im Überfluß, und sie wird durch eine von Hand zu schaltende Viergang-Automatik auf die Hinterräder losgelassen. Der Fahrer im nur vier Kilogramm schweren Plastikstuhl von Recaro kann dabei die erste Schaltstufe getrost vergessen, denn im Ersten scharrt das drehmomentstarke Sport-Automobil nur aufgeregt mit den Antriebsrädern. In Stufe zwei geht es dann flott voran. In Kurven sollte möglichst früh eingelenkt werden. Denn da der Rallye-Daimler dank seiner Frontlastigkeit ein sehr entschlossener Untersteuerer ist, neigt er dazu, auch mit eingeschlagenen Vorderrädern ziemlich unbeeindruckt geradeaus zu preschen. Beherrscht der Pilot aber jene artistische Fahrpraxis, die Rallye-Spezialisten mit ‚Anstellen‘ bezeichnen, so sieht die Welt vom Daimler-Cockpit aus betrachtet wieder ganz spaßig aus: Das Auto muß nur vor der Kurve ordentlich quer zur Fahrtrichtung gebracht werden. Anschließend regelt der Gasfuß des Piloten und geringfügige Lenkbewegungen alles, was man zur flotten Kurvenfahrt braucht.“
So wird aus dem letzten Wettbewerbs-SL ein echtes Automobil mit Fahrspaß, das seine Qualitäten aber nicht mehr unter Beweis stellen kann.