Das war einer dieser Abende, bei dem man vorab denkt: „Soll ich da wirklich hinfahre? Was kann es beim Autosattler denn schon Interessantes geben?“ Doch es kam ganz anders!
Eingeladen hatte der Regionalstammtisch HANNOVER des MB SL Club Pagode e.V. zur Firma Bielkine in Hannover. Die Firma gibt es seit 30 Jahren und für die Teilnehmer an dem Technik-Abend ging es natürlich um die Arbeiten an klassischen Fahrzeugen.
Die Halle der Firma Bielkine war gut geheizt, gut gefüllt und gut vorbereitet:
- Eine entsprechende Temperierung ist für die Verarbeitung von Stoffen, Gummiteilen und Kleber natürlich besonders wichtig, hierbei hilft nicht nur eine Luftheizung sondern sogar eine Fußbodenheizung!
- Die angemeldeten Teilnehmer waren alle pünktlich vor Ort und sehr interessiert, diverse interessante Fahrzeuge standen in der Halle, somit war auch vor und nach den Vorträgen genügend Gesprächsstoff vorhanden.
- An vier Stationen wurde den Teilnehmern einige Punkte des vielseitigen Berufs des Autosattlers näher gebracht und direkte Beispiele für die eigenen Fahrzeuge vorgeführt.
Zunächst erfolgte die Begrüßung durch den Stammtischleiter, Michael Sternberg und den Hausherrn, Boris Bielkine, mit einer kurzen Erklärung zum Werdegang der nunmehr 30 jährigen Firmengeschichte. Als Obermeister der Sattlerinnung Hannover liegt Herrn Bielkine natürlich die Lehrlingsausbildung sehr am Herzen und auch daran die Jugend gut in das eigene Team zu integrieren. Danach ging es an die verschiedenen Vorträge bei denen immer wieder sehr gerne eigene Fragen oder Fahrzeugprobleme erörtert wurden:
Station A >LEDER< Reinigen, Pflegen, Aufbereiten
Am einem speziell für den Abend vorbereiteten Sitzfläche wurde uns gezeigt, was man aus einem Sitz mittels entsprechender Reinigung und Pflege wieder herausholen kann. Dabei wird das Leder auch wieder geschmeidig und neigt nicht mehr so schnell zu neue Rissen. Besonders hervorgehoben wurden dabei die Produkte des Lederzentrums Göttingen (wobei der Lederreiniger Mild meist absolut ausreichend ist!), die hier seit Jahren beste Ergebnisse erzielen.
Besonders interessant war dabei auch die Möglichkeit mit speziell nach einer Lederfarbbegutachtung an einer ursprünglichen Stelle (im Beispiel der durch die Rückenlehne geschützte Knickstelle des Sitzes) angemischten Farbe, das Lackieren des Leders. Dazu wird nach einer Grundreinigung das Leder angeschliffen und dann mittels Farbauftrag per Lackierpistole wieder mit einem gleichmäßigen Farbaufbau veredelt. Gerade bei den mercedesüblichen Sitzen mit den sogenannten Pfeifen gibt es dabei einige Tricks und Tipps, wie man wirklich bis in die unteren Bereich der Pfeifen einlackieren kann…
Einen tollen Tipp gab es am Ende des Vortrages noch zur Pflege und Farberhaltung beim Stoffverdeck. Nach dem Ausbürsten getrockneter Flecke, kann man zum Reinigen zum Beispiel bei einem schwarzen Verdeck auch sehr gut ein farbauffrischendes Waschmittel für dunkle/schwarze Wäsche nehmen! Diesen Tipp habe ich bereits tags drauf getestet und einige leichte Scheuerstellen vom Zusammenklappen waren kauf noch erkennbar.
Station B >VERDECK< Begutachtung, Öffnen/Schließen, Verbesserungen, Zubehör
Die wohl interessanteste Station beschäftigte sich mit dem Verdeck. Dabei wurde mal wieder klar, dass sich die meisten der heutigen Pagodenfahrer/innen erst seit einigen Jahren mit Ihrem Fahrzeug vertraut machen und dabei auch ganz anders an so ein Fahrzeug herangehen, wie es in unserer Familie geschehen ist. Unser 280SL/8 kam vor über 25 Jahren in die Familie und nach der ersten Fahrt, habe ich mich hingesetzt und die Bedienungsanleitung einmal durchgelesen… da kann man dann lesen, wie das Verdeck korrekt geöffnet und geschlossen wird. Die richtige Reihenfolge ist dabei wirklich wichtig und der Sattlermeister der Firma Bielkine erklärte uns an einem Fahrzeug auch, warum das so sichtig ist. Die Wege für das Verdeck in den Verdeckkasten sind teilweise wirklich sehr eng und nur dann ohne Kontakt möglich, wenn durch eine kleine Exzenterbewegung des Verdeckgestänges durch das Herunterklappen/Begradigen des Verdecks oberhalb der Seitenscheiben ein paar Millimeter Platz geschaffen werden.
Haben Sie eine Pagode? Und verfügen Sie auch über das namensgebende Hardtop? Dann schauen Sie mal in den Verdeckkasten ob unter der Montage des Verdecks Platten liegen… wenn ja ist Ihre Pagode mit dem Hardtop ab Werk ausgeliefert worden, da bei einem Wagen mit Metalldach zunächst das im Werk montierte Verdeck wieder abgebaut und dann das Hardtop an das Fahrzeug angepasst wurde. Danach wurde dann das Stoffverdeck wieder montiert.
Einige Pagodenbesitzer klagen über ein Verdeck, welches in den Verdeckkasten gefallen ist und sich nur sehr schlecht wieder aus diesem befreien lässt. Der Grund sind über die Jahre kleinere Abnutzung an der Verrastung des Verdecks. Um dieses Problem einfach zu lösen zeigte man uns die Schlaufe (mittig im Bild vor dem blauen Hemd des Sattlermeisters) an der das Verdeck dann hervorgehoben werden kann. Auch fertigt man bei Bielkine spezielle Scheibenschutztücher, die mittels Gummizug am Verdeck befestigt werden und ein Verknicken und Schueren der PVC Scheibe im zusammengeklappten Verdeckzustand vermeiden können.
Station C >TEPPICH< Unterschiede, Formen, Spezialanfertigungen
Bei der Auskleidung des Innenraums ist der Teppich ein wichtiger Punkt. Meist ist er über die Jahre so verschlissen, dass er ausgetauscht werden muss. Bei der Fertigung im Werk kann auf große Pressen und formgebende Fertigung eingegangen werden. Das war bisher im Sattlerbereich nur eingeschränkt möglich. Mit der Anschaffung einer speziellen Dampfstation konnte man uns vorführen wie der störrische Teppich an den Innenraum angepasst, gereckt und gestreckt werden kann.
Über den Teppich im Innenraum kommen dann meist noch die sogenannten Fußmatten. Bei einer Fußmatte sollte der erste Blick auf die Rückseite fallen. Dort kann man bereits große Qualitätsunterschiede sehen. Ist die Rückseite einfach nur nach dem Ketteln der Einfassung aus einem dünnen Schaumstoff aufgeklebt, wird diese leider nicht so lange halten. Die Spezialisten arbeiten mit einer speziellen Filzfläche die mit gefasst und so wie der Teppich auch nach einer groben Vorlage am Fahrzeug angepasst wird. Fußmatten aus dem Versand sind oft nach einer Schablone gefertigt… im Laufe eines Fahrzeuglebens ändert sich aber durch Arbeiten am Unterboden, Sitzschienen etc. auch mal etwas, was eine einheitliche Schablone nicht abdecken kann.
Sehr interessant sind auch zusätzliche Ablagen die farblich passend zum Rest der Innenausstattung angefertigt werden können und mit Magnethaltern versehen, nur für den Einsatz bei Rallyes oder Ausfahrten eingesetzt werden können.
Das wohl sichtbarste Teil einer Innenausstattung und auch für das Fahrgefühl eines der wichtigsten Teile des Fahrgastraums. Gezeigt wurden neben einem serienmäßigen Drahtfedergestell eines Pagodensitzes, der mittels sogenannter Taxiklötze von einem nicht genannten Mitbewerber „aufgepolstert“ wurde, über einen weiteren Seriensitz, der mittels Verschlingungen an das heute gewohnte straffere Sitzen angepasst wurde auch eine Neuentwickling mieinem richtigen Spiralfederinnenleben.
Desweiteren bietet man auch die Nachrüstung von Kopfstützen an. Dazu können entweder -sofern vom Kunden besorgt- mittels der originalen Einsatzschienen oder mittels neuerer Scheelschienen erfolgen. Die Optik ist hinterher nicht zu unterscheiden.
Auch sehr interessant war es einmal zu sehen, wie die Sonnenblenden rekonstruiert werden können. Beim W113 waren diese bereits in PVC ausgeführt. Diese Lösung kann heute in Einzelanfertigung nicht mehr produziert werden. Ein Neuaufbau in Leder scheint eine Alternative.
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Ein wirklich lehrreicher Abend, der dann doch viel zu schnell vorbei ging. Mein Dank geht an den Regionalstammtisch HANNOVER des MB SL Club Pagode e.V. der mir die Teilnahme ermöglichte und an das Team der Firma Bielkine.