von der MBIG
Trapezlinientreffen anlässlich des „Concours d’Elegance“ in Schwetzingen vom 1. bis 3. September 2017
Das Design von Personenkraftwagen spielte nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst keine Rolle. Nach den Produktionsvorgaben seitens der Alliierten sowie in Anbetracht der allgemeinen Rohstoffknappheit wurde entsprechend produziert. Das waren dann Fahrzeuge, die sich gegenüber den Vorkriegsmodellen nur marginal
unterschieden. Typische Beispiele: der Mercedes 170 V, der Opel Kadett oder auch der Ford Taunus. Dies änderte
sich erst Anfang der fünfziger Jahre durch das Aufkommen der „Ponton-Form“. Diese Fahrzeuge waren leichter, meist durch eine selbst- oder mittragende Karosseriekonstruktion, boten einen konstruktionsbedingt größeren Innenraum und waren in größeren Stückzahlen und auch preiswerter herzustellen. In Deutschland war der Hansa 1500 der erste Typ, der die neue Linie aus den USA kommend übernahm. Der gute alte „Ponton-Mercedes“ vom Typ 180 wurde dann für eine ganze Klasse begriffsbildend. Stilmerkmal einer Pontonkarosserie war die „Dreiboxkonstruktion“ mit glatten Seitenflächen und in die Kotflügel integrierten Scheinwerfern, Trittbretter konnten somit entfallen.
Bis Mitte der fünfziger Jahre hatten nahezu alle Hersteller sich den Vorzügen der modernen Konstruktion gebeugt und produzierten entsprechende Modelle. In großen Stückzahlen wurden der Opel Olympia Rekord ab 1953 sowie der Ford Taunus mit der Weltkugel „auf der Nase“ fortan hergestellt. Funktionell waren diese Wagen im Vergleich zu den an die Stromlinie angelegten Fahrzeugen der Vorkriegszeit. Aber eine eher pragmatisch-plumpe Form war sicherlich auch unverkennbar. Vor allem in Frankreich und Italien versuchten Fahrzeugdesigner, diesen Konstruktionen etwas mehr Grandezza und Prestige abzuringen. Die Folge waren mit Chromschmuck verschlimmbesserte Luxusversionen der entsprechenden Fahrzeugtypen. Kurzlebig war das Pontondesign, rasch sich in einer Sackgassensituation befindend.
Wie könnte es weitergehen?
Im Jahre 1955, alle produzierten ihre Pontonmodelle in großen Mengen, stellte der italienische Karosserieschneider Pininfarina eine Studie auf Basis des Lancia Aurelia vor. Diese Aurelia „Florida“ wirkte wie von einem anderen Stern, aber trotzdem nicht wie eine Utopiestudie versponnener Künstler. Er war in seinen Ausmaßen für die gehobene Mittelklasse ausgelegt, wirkte trotzdem filigran und lichtdurchflutet. Front- und Heckscheibe sowie die Fahrzeugfront und der Karosserieabschluss wirkten harmonisch, in den Winkeln und Übergängen fast mathematisch korrekt. Sowas hatte bis dato noch keiner gesehen. Dieser Wagen ließ Ponton-Fahrzeuge auf den ersten Blick alt und plump aussehen. Der Begriff der „Trapezlinie“, dieser Ausdruck beschreibt den Entwurf perfekt, setzte sich dann im Verlauf des Siegeszuges dieser Karosserieform auch durch.
Im Jahre 1957 wurde die neue Lancia Flaminia vorgestellt. Der viertürige Oberklassewagen sowie insbesondere
das Coupé ähneln der Studie von 1955 frappant. Insbesondere das Anpassen der Scheinwerfergröße ließ die
Modelle noch stimmiger und begehrenswert erscheinen. Da sich diese, auch preislich, deutlich von den Typen der
Mittelklasse á la Fiat 1500 oder den oben erwähnten deutschen Produkten absetzten, waren einer weiten Verbreitung der neuen Linie zunächst Grenzen gesetzt.
Gerade heute wieder sind die F l ami n i a -Mo d e l l e begehrenswerte Oldtimer geworden und ziehen auch
preislich deutlich an, ganz im Sinne des alten Pinin, der in einem solchen Wagen nach vollbrachter Lebensleistung
„in den Himmel fahren möchte“. Nachvollziehbarer Stolz auf eine selbst erbrachte Meisterleistung. Rasch interessierten sich natürlich auch europäische Massenhersteller für Pininfarinas Entwurf. Vorneweg die Turiner Autobauer von Fiat, die ja nach wie vor mit dem 1500er keine herausragenden Formen „zu Bleche“ gebracht hatten. Dessen Nachfolger sollte dann im Pininfarinakleid als „Trapezlinienfiat“ in die Automobilgeschichte
eingehen. Die Sechszylindermodelle 2100 und 2300 waren etwas unterhalb der Lancia Flaminia angesiedelt,
sorgten aber für eine erste weitere Verbreitung des neuen Formempfindens in der Mittelschicht. Und Pininfarina verkaufte seinen Entwurf in ganz Europa erfolgreich weiter. In der Mittelklasse wurde der Peugeot 404 zum Millionenseller und über 15 Jahre hinweg gebaut. Die Trapezlinie wurde auf die entsprechend kleinere Dimension angepasst, der Wagen wirkte stimmig, seriös und wurde für die Franzosen zu einem riesigen Erfolg. Abgelegte Gebrauchte des „französischen Mercedes“ fanden in rauen Mengen Abnehmer in den französischen Kolonien Afrikas noch bis in die 80er-Jahre.
Auch nach Großbritannien schwappte die Trapezlinienidee. Die sich Ende der 50er-Jahre schon im Sinkflug befindliche britische Automobilindustrie baute die „Farina Modells“ als edge engineering nur mit wenigen markentypischen Unterschieden als Morris, Austin, Wolseley, Riley und MG bis in die 70er-Jahre, ehe sie dann natürlich, auch technisch überholt, von Geräten wie beispielsweise dem Morris Marina abgelöst wurden.
Schaut man sich heute mit 40 Jahren Abstand diesen „Umbruch“ an, so ist es nicht verwunderlich, dass British-
Leyland nach weiteren Jahren des langsamen Sterbens ausgeblutet und mausetot am Boden lag.
Auch in Untertürkheim musste in den ausgehenden 50ern etwas passieren. Die Produktion sollte weiter gesteigert werden, die Fahrzeuge mussten moderner, größer und leichter zu produzieren sein. Und das bei
bleibendem Prestige und Qualität. Nicht wenig, was da im Lastenheft stand, und einfach einen Pininfarina-Entwurf einkaufen, „des gooht gar nette“ bei den Schwaben. Das Ergebnis ist bekannt! Die Modelle der Heckflossenbaureihen trafen die Vorgaben auf den Punkt. All dies konnte nur gelingen, indem sich auch im konservativen Untertürkheim der neue Gedanke der „Trapezlinie“ durchsetzen konnte. War der Ponton der Übergang vom Vorkriegsformenempfinden, so ist die Heckflosse der erste moderne Mercedes!
Und im anderen Teil Deutschlands? Dort stand Anfang der 60er-Jahre die Überarbeitung des ersten Trabant
600 an. Wenn sich schon an der Grundkonstruktion nichts Wesentliches ändern durfte, so sollte der neue Lancia Flaminia Berlina Fiat 2300 dann doch aussehen wie ein Neuer. Der Typ 601 war dann das Fahrzeug, das bis 1990 nahezu unverändert in Trapezlinie hergestellt wurde. Sicherlich ist der Kleinwagen in den Proportionen eher unglücklich geraten, einfach zu hoch, aber die drinsitzenden Menschen lassen sich ja nicht maßstabsgetreu verkleinern.
In den 60er-Jahren war das europäische Pkw-Design umfassend von Pinifarinas Entwürfen beeinflusst. Auch
heute noch ist das Formenempfinden des Italieners beim genaueren Betrachten eines Flaminia Coupés, eines Fiat
2100 oder Peugeot 404 bewundernswert. Und genau deshalb möchten wir anlässlich des „Concours d’Elegance“
in Schwetzingen vom 1. bis 3. September ein markenübergreifendes Trapezlinientreffen gestalten. Dies könnte ähnlich aussehen wie das erstmalig im vergangenen Jahr durchgeführte Treffen der Ponton-Coupés und -Cabrios an gleicher Stelle. Die teilnahmeberechtigten Fahrzeugtypen finden sich hier tabellarisch aufgeführt. Mal sehen, was am Wochenende in Schwetzingen anzufinden ist.
Teilnahmeberechtigt für das Trapezlinientreffen wären:
- Lancia Aurelia „Florida I und II“ Nur Prototypen 1955/56
- Lancia Flaminia Limousine 1957-70
- Lancia Flaminia Coupé 1957-70
- Fiat 1500 L-2300 Limousine 1959-68
- Peugeot 404 Limousine 1960-75 (Afrika bis 1989)
- Mercedes 190-300 SE 1959-68
- BMC ADO 9 bis 1961
- BMC ADO 38 bis 1971
- Morris Oxford
- Austin Cambridge
- MG Magnette
- Riley 4/68 und 4/72
- Wolseley 16/60
- BMC ADO 10 1959-61
- BMC ADO 53 bis 1968
- Austin A 99 Westminster
- Wolseley 15/60
- DKW