Vorkriegsraritäten mit durchdrehenden Rädern im Sand

Mit freundlicher Genehmigung von www.zwischengas.com

Die unbekannte Insel

Römö – was ist das? Wo liegt das? Solche oder ähnliche Fragen kommen auf, wenn vom Römö Motor Festival die Rede ist. Erzählt man hingegen von seinem Urlaub auf Sylt, dann weiß sofort jeder Bescheid, auch dank der vielen Sylt-Aufkleber am Heck von Audis, BMWs und Porsches.

Nun, Römö ist die Insel drei Kilometer nördlich von Sylt, durch eine Fähre verbunden,  129 km² groß, 591 Einwohner und ein Vielfaches an Touristen, zu Dänemark gehörig und vom Festland über einen Damm erreichbar.

Impressionen des Römö Motorfestival 2016 – Blick von oben
© Copyright / Fotograf: Fabian Braunwarth

Es ist die Insel der Kiter und bunten Drachen, vor allem aber die Insel, auf der der Strand öffentliche Straße ist und als solche von Touristen mit Wohnwagen genutzt wird. Also ein Motor Festival auf öffentlichen Straßen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir unser Augenmerk auf eine Insel weiter nördlich richten, nämlich auf die Insel Fanö vor Esbjerk, die zwar noch kleiner als Römö ist, aber über einen ebenfalls sehr breiten und langen Strand verfügt, noch dazu aus festem und glattem Sand.

Autorennen im Sand

Ford Roadster (1931)
© Copyright / Fotograf: Fabian Braunwarth

Auf Fanö fanden in der Zeit von 1919 bis 1924 tatsächlich Autorennen in Form von Sprints über einen Kilometer und eine Meile statt. Mercedes, Sunbeam, Fiat und Opel hießen die Marken, die Wagen nach Fanö schickten. Die Sieger hießen Minoia, Ottosen, Duff, Joerns 1922 und 1924 und schließlich der unvergessene Campbell, der 1923 einen Geschwindigkeitsweltrekord mit 16,41 Sekunden (219,38 km/h) über den fliegenden Kilometer und 26,14 Sekunden (220,35 km/h) über die fliegende Meile aufstellte. Gleichzeitig war es ein sich lösendes Rad von Campbells Wagen, das 1924 einen jungen Zuschauer tödlich traf und damit die Rennen auf Fanö beendete.  1999 und 2004 gab es dann noch einmal den Versuch, die Tradition der Strandrennen auf Fanö wiederzubeleben, dann war es allerdings endgültig Schluss damit.

Der Neustart in Römö

Es war also ruhig, bis sich vor einem Jahr eine Gruppe von Enthusiasten um Thomas Bredahl aus Süddänemark zusammenfand, um die Tradition der Strandrennen auf Römö neu zu begründen. Ihre Vision für 2016 war die Wiederbelebung der Strandrennen in Dänemark und der Begeisterung der zwanziger Jahre wie bei den Rennen auf Fanö.

Impressionen des Römö Motorfestival 2016 – Die Starterin
© Copyright / Fotograf: Fabian Braunwarth

Sie wollten ein jährliches Rennen für Vorkriegs Hot Rots, Specials, Rennwagen und Motorräder auf die Beine stellen. Daraus sollte ein ganzes Motor Festival werden, das einem in die 20er und 30er Jahre zurückversetzen sollte.

Römö sollte zum Treffpunkt für Leute mit Benzin im Blut werden, frei nach dem Spruch von Froilan Gonzales „In my day, the driver’s were fat and the tires were skinny“

Ford Coupé (1930)
© Copyright / Fotograf: Fabian Braunwarth

Also aktivierten Sie ihr Netzwerk, um Teilnehmer aus Schweden, Deutschland und natürlich aus Dänemark zu akquirieren. Schnell stellte sich heraus, dass dies die leichteste Aufgabe war. Viel aufwändiger und zeitintensiver waren die Verhandlungen mit den Behörden, allen voran mit der Umweltbehörde. Aber natürlich auch mit der Verkehrsbehörde, denn für die Veranstaltung musste schließlich ein Stück öffentlicher Straße freigegeben werden.

Nachdem diese Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen waren, hat sich das Team um Bredahl zum Ziel gesetzt, mit der Veranstaltung 2016 den Grundstein für zukünftige Strandrennen in Dänemark zu legen, ein vertrauensvolles Verhältnis zu lokalen und nationalen Behörden aufzubauen und schließlich einen Lernprozess für die weitere Entwicklung der Veranstaltung in Gang zu setzen.

Römö Strandrennen 2016

Die Veranstaltung wurde auf den 10. September 2016 festgesetzt, mit Vorbereitung und Fahrerbriefing ab 9.00 h und den Rennen von 11.00 bis 
16.00 h. Folgende Rennklassen wurden definiert:

  • Four Bangers – Vier-Zylinder Motoren
  • V8 Flat Head engines – Ford V8 dreißiger Jahre
  • Heritage engines – Specials mit großvolumigen Motoren, auch Flugmotoren

Die Teilnehmerzahl war auf Grund der freigegebenen Fläche auf 40 begrenzt (30 Automobile und 10 Motorräder).

Impressionen des Römö Motorfestival 2016 – Startsituation
© Copyright / Fotograf: Fabian Braunwarth

Die „Rennstrecke“ führte über 201 m mit stehendem Start für jeweils zwei Fahrzeuge, also ein klassisches Beschleunigungsrennen, bei dem es darauf ankam, die Kraft möglichst effektiv auf den Sand zu übertragen Die Zuschauer standen seitlich hinter zeitgemäßen Strohballen.

Ursprünglich war wohl eine Zeitnahme mit k.o.-System vorgesehen, um den jeweiligen Klassensieger zu ermitteln. Darauf mussten die Veranstalter allerdings auf Anweisung der Polizei dieses Jahr verzichten.

Ford Roadster (1932)
© Copyright / Fotograf: Fabian Braunwarth

Neben der Startlinie saß der Rennleiter auf einem Hochsitz, gestartet wurde ebenfalls zeitgemäß von einer jungen Dame mit Fahne. Die Fahrer gaben kräftig Gas um es dem jeweiligen „Gegner“ zu zeigen. Doch diese Duelle waren nicht die einzigen Highlights.

Tiefergelegter VW Käfer (1950) am Römö Motorfestival 2016
© Copyright / Fotograf: Martin Schröder

Weiterhin für die Veranstaltung, nicht das Rennen, eingeladen waren Vorkriegs- und Fünfzigerjahre Fahrzeuge jeglicher Couleur, woraus sich ein vielfältiges, buntes und und in jeder Hinsicht sympathisches Teilnehmerfeld ergab. Teilnehmer und Zuschauer wurden um zeitgemäßes Outfit gebeten – Goodwood lässt grüßen.

Impressionen des Römö Motorfestival 2016 – Erster Start
© Copyright / Fotograf: Fabian Braunwarth

Was bei Oldtimerveranstaltungen regelmäßig zu Diskussionen, wenn nicht gar zu Unstimmigkeiten führt, ist die Frage Original ja oder nein? Die allerdings musste beim Römö Motor Festival schlichtweg nicht gestellt werden. Denn sämtliche Fahrzeuge sind Specials und damit Originale im Sinne von „das Werk des Erbauers“. Startnummern wurden wie anno dazumals auf das Auto gemalt oder behelfsmässig geklebt.

Ford Roadster (1932)
© Copyright / Fotograf: Fabian Braunwarth

Neben den Autos warteten auch interessante und seltene Motorräder auf ihren Einsatz. Das Teilnehmerfeld bestand aus vier Harleys und zwei Indians, einer Ariel, einer Rudge Ulster und zwei Nimbus. Und diese Nimbus mit 4-Zylinder Reihenmotoren aus den Jahren 1938 und 1939 wollen wir uns etwas näher ansehen, da man sie außerhalb Dänemarks nur selten zu Gesicht bekommt.

Nimbus Sport Scout von 1938 am Römö Motorfestival 2016
© Copyright / Fotograf: Martin Schröder

Die beiden Konstruktionsmerkmale sind der Rahmen aus Bandstahl und der 4-Zylinder Reihenmotor mit außen liegenden Ventilstößeln. Um der Torsionsanfälligkeit des Rahmens entgegenzuwirken, ist der Motor als tragendes Element ausgebildet.

Das Motorrad Nimbus wird stilgerecht auf dem alten Truck vorgefaren am Römö Motorfestival 2016
© Copyright / Fotograf: Martin Schröder

Auf den Rennplatz gelangte die Nimbus stilsicher auf dem Ladeboden eines amerikanischen Pickups.

Neben den Vorkriegs-Rennwagen und Motorrädern gab es auch Autos der Graffiti-Szene, tiefergelegte Käfer und allerlei „customized“ Autos zu sehen, langweilig wurde es sicher keinem Besucher.

Stilsicheres Zuggespann mit Auburn vorne und Hot Rod auf dem Anhänger am Römö Motorfestival 2016
© Copyright / Fotograf: Fabian Braunwarth

Dass das Wetter optimal war, alle Autos heil geblieben sind, Teilnehmer und Besucher begeistert waren und voll auf ihre Kosten gekommen sind, dass das Römö Motor Festival eine rundherum gelungenen Veranstaltung war und dem Team um Thomas Bredahl ein uneingeschränktes Lob auszusprechen ist, braucht eigentlich gar nicht gesagt zu werden. Dennoch tuen wir es, weil diese Veranstaltung die Tradition der Strandrennen in Dänemark auf wunderbare Weise wiederbelebt hat. Und wir freuen uns auf eine nächste, vielleicht noch grössere und sportlichere Veranstaltung.

Impressionen des Römö Motorfestival 2016
© Copyright / Fotograf: Martin Schröder