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Slot Cars sind fast so alt wie das Auto selbst. Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts boten einzelne Hersteller schlitzgeführte Pisten an auf denen Blechautos um die Wette fahren konnten.
Einer der bekanntesten Hersteller war die Firma Marx und Märklin folgte in den dreißiger Jahren. Den ungezügelten Siegeszug in Wohn- und Kinderzimmer erlebte die Autorennbahn aber erst in den 60er Jahren. Ein gewisser Fred Francis rüstete zwei Blech-Rennwagen mit einem kleinen Elektromotor aus und stellte sie auf eine fast gummiartige Rennpiste. Seine Idee erfreute sich eines gigantischen Erfolgs. Die Marke Scalextric war erfunden und sollte in punkto Autorennbahn bis heute auf dem Weltmarkt die Nummer 1 sein und bleiben.
Rennfahrerlegenden wie Sir Sterling Moss spielten öffentlichkeitswirksam im ebenfalls noch jungen TV mit der Scalextric Bahn und es sollte nicht lange dauern, da traten die ersten Nachahmer auf den Plan. Der bekannteste von Ihnen ist bis heute speziell auf dem deutschsprachigen Markt die Marke Carrera. Eigentlich produzierte die Firma Josef Neuhierl Modelautos, aber der Sohn des Firmengründers, Hermann Neuhierl, erkannte früh das Potenzial der Autorennbahn und machte sie zum Millionenseller. Kein geringerer als Porsche-Rennleiter Huschke von Hanstein versicherte großen und kleinen Rennbahn-Fans werbewirksam in Prospekten und Fernsehwerbung. „Experten fahren Carrera“ und sollte damit Recht behalten. Mitte der Sechzigerjahre war kein Weihnachten komplett ohne eine Grundpackung wie „Avus“ oder „Gran Turismo“ mit Rennautos im Maßstab 1:32.
Die Carrera Universal war der Chef im Ring. zumindest auf dem deutschsprachigen Markt. Scalextric, Anfang der Sechziger auch in deutschen Spielzeuggeschäften noch vertreten, zog sich offiziell vom deutschen Markt zurück, Hersteller wie Fleischmann Märklin, Faller, Revell, Stabo Car und Trix (u.a. mit einer Lizenzausführung der Scalextric-Bahn) wollten von dem großen Kuchen Autorennbahn auch ihren Teil abhaben, konnten sich aber gegen die omnipräsente Carrera Bahn nicht durchsetzen. Allein schon bei der Nomenklatura zogen die Wettbewerber den Kürzeren. Wer „Autorennbahn“ dachte, sagte „Carrera Bahn“. Ähnlich wie bei der berühmten Suppenwürze. Was auch immer in dem kleinen Fläschchen mit der schwarzen Brühe auf dem Tisch stand, es hieß „Maggi“ und nicht „Knorr“ oder was auch immer sonst auf dem Etikett stand. Die Carrera Bahn war bis Ende der Siebziger für die Firma Neuhierl und dem Spielzeughandel ein sicherer Umsatzbringer, Dann kam die Katastrophe.
Beim Bemühen, für alle Wohnverhältnisse den richtigen Größenmaßstab anbieten zu können, hatte sich Carrera zunehmend aufgebläht. Drei Maßstäbe belegten zu viel Lagerfläche im Spielzeughandel, der ja auch noch Modelleisenbahnen, Faller, Matchbox, Hot Wheels, Steiff und Lego vorhalten und lagern musste. Hinzu kam der kühne Versuch, die schlitzgeführte „Carrera Universal“, die alles andere als universell war, weil sie als 3-Leiter-Bahn nicht kompatibel zu dem sonst üblichen 2-Leiter-System war, in eine schlitzfreie Zukunft zu führen. Abgesehen davon, dass dieses Prinzip anfänglich dazu führte, dass die Carrera-Fans in zwei Lager geteilt wurden, stellte sich aber beim Carrera Servo -Kunden bald Enttäuschung ein. Der Überholvorgang kostete nicht nur Tempo, nein die Fahrzeuge verhakten sich auch oft ineinander, nicht selten brachen die in der Fahrzeugfront befindlichen Führungsstifte einfach auch ab und machten das Auto einsatzunfähig.
Die Carrera Servo, anfänglich als logischer Fortschritt hin zu mehr Rennrealismus überschwänglich gefeiert, machte die „Universal“ und die größere „124“ über Nacht zum Auslauf-Artikel, geriet aber ihrerseits selbst zum eigenen Sargnagel, weil die Rennbahn-Fans von ihrer Performance enttäuscht waren.
Interessanterweise geriet im gleichen Zeitraum der 80er und 90er Jahre die Autorennbahn zunehmend unter Druck durch die digitale Welt. Der Computer hielt Einzug in die Spielewelt und machte analoge Spielzeugautos völlig uninteressant. Autobegeisterte Männer entdeckten stattdessen das Modellauto im Maßstab 1:43 für sich und sorgten für den nächsten weltweiten Boom an hochwertigen Zinkdruckguss-Modellen. Carrera und die Slotcars waren in eine Sackgasse abgebogen. Auch Erfinder Neuhierl sollte ein tragisches Ende nehmen, er vergiftete sich 1985 mit Autoabgasen in der heimischen Garage.
Erstaunlicherweise erlebte die Autorennbahn in den Zweitausender Jahren ein überraschendes Comeback. Die britische Marke Scalextric, jetzt unter neuer Führung, investierte in Qualität, der langjährige spanische Ableger Scalextric Exin (später SCX) und auch die Marke Carrera ebenfalls geführt durch einen neuen Eigentümer, besannen sich auf alte Stärken und hatten mit (anfangs noch) analogen, schlichten schlitzgeführten Pisten und hübsch gestalteten und qualitativ hochwertigen Fahrzeugen zunehmend mehr Erfolg. An der Wiederauferstehung der Autorennbahn hatte die internationale Sammlerszene in Verbindung mit der weltweiten Handelsplattform eBay durchaus ihren Anteil.
Vintage Slotracing etablierte sich in der Sammlerszene und Fahrzeuge aus den 60er und 70er Jahren (manchmal sogar noch älter) faszinierten den meist männlichen Automobilsammler. Die Begeisterung für historischen Motorsport sprang der Sammelleidenschaft hilfreich zur Seite. Ja, natürlich waren die Formel- Sport- und Rennwagen nicht nur interessante Zeitzeugen, es machte auch ein Höllenspaß mit dem historischen Spielzeug um die Wette zu rasen.
Natürlich spielt auch hier unsere Lieblingsmarke eine gewisse Rolle, Silberpfeile und Gullwings brausten in verschiedenen Modellausführungen über die heimische Piste, aber ein Mercedes-Modell beschäftigte fast jeden Hersteller, obwohl das Auto selbst Im wahren Motorsport-Leben nicht besonders erfolgreich war. Die Rede ist von der Mercedes Pagode. Markenliebhaber erinnern sich vielleicht noch an ein rotes Modell mit Hardtop, das bei der Wettfahrt Spa-Sofia-Lüttich gestartet ist. Aber im Gegensatz zum Porsche 911, der ausgerechnet auch noch im benachbarten Stadtteil „erfunden“ und obendrein mit luftgekühltem Heckmotor In das Rennen um die Gunst des Kunden geschickt wurde, sollte sich die Pagode im Motorsport nicht durchsetzen. Das hielt aber weder Carrera noch Scalextric oder Stabo Car davon ab, dieses schöne Modell in mehreren Varianten zu produzieren und auch Grundpackungen damit zu bestücken.
Carrera beispielsweise schickte die Pagode in der Packung Gran Turismo gegen einen Porsche 911 ins Rennen. Im Maßstab 1:32 durchaus nicht chancenlos. Auch Scalextric und Fleischmann bestücken Grund- bzw. Startpackungen mit der Pagode. Fleischmann produzierte das Modell übrigens nur als Roadster. Interessanterweise konnte Fleischmann auf dem holländischen Markt größere Marktanteile erringen als in Deutschland und war der ärgste Konkurrent der britischen Marke Scalextric, die in Holland und in Frankreich auch sehr erfolgreich war. Auch in Spanien gab es eine Coupe und eine Roadster Version. Scalextric Exin produzierte beide Modelle in zahllosen Farbvarianten und das nicht nur für den spanischen Heimatmarkt, sondern auch in Mexiko für Südamerika. Mit dem Comeback der Autorennbahn schickten die Spanier erst eine Roadster-Version dann auch das Hardtop als formschöne Repliken zurück ins Rennen um die Gunst der Kunden.
Wer die Slotcar Pagoden der frühen Jahre einmal vergleicht, könnte auf die Idee kommen, dass sich hier drei oder vier Hersteller eine Form geteilt haben. Weit gefehlt. Die Modelle sind sich zwar verblüffend ähnlich, unterscheiden sich dann aber doch im Detail. Das gilt insbesondere für die Technik. Während Carrera seine Fahrlicht ausgestattete Pagode mit unterschiedlichen Plastik-Chassis bestückte, setzte Stabo Car auf ein massives Fahrgestell aus Metall. Das Auto war deutlich schwerer, was sich beim Beschleunigen spürbar bemerkbar machte.
Interessanterweise werden sowohl Carrera als auch Stabo Car Modelle vom gleichen Bühler Motor befeuert, der im sogenannten Inlineprinzip im Chassis verankert war. Hier drehte sich der Anker des Elektromotors parallel zur Fahrtrichtung und 90° zur Hinterachse. Die Antriebskraft musste also einmal über ein Zahnradpaar umgelenkt werden. Nicht so bei Fleischmann. Hier war der Motor quer zur Fahrtrichtung angeordnet und das Motorenritzel trieb ohne Umlenkung die Hinterachse an. Abgesehen von Vorteilen in der Balance hatte dieses AntriebsprInzip – der Fachleute sprechen vom Sidelwinder- eine bessere Beschleunigung und höhere Enddrehzahl, weil geringere Reibungsverluste.
Im Übrigen hatte der Fleischmann Roadster im Chassis einen Schiebeschalter, mit dem sich das Licht an und ausstellen ließ. Stabo Car schickte seine Pagode anfangs sogar mit lenkbarer Vorderachse ins Rennen. Das sah in engen Kurven zwar toll aus, brachte aber keinerlei Vorteile. Scalextric blieb beim ursprünglichen Inliner-Setup, wechselte in den Produktionsjahren nur auf leistungsstärkere Motoren. Was die Rundenzeiten nicht immer verbesserte, denn der alte RX Motor erreichte zwar nicht die Höchstdrehzahl seiner Nachfolger, verfügte aber über erheblich mehr Drehmoment und eine sanftere Kraftentwicklung, was in harmonischeren Fahreigenschaften resultierte.
Schade, nur dass es etwas Tüftelei bedarf, um die Pagoden der unterschiedlichen Hersteller gegeneinander antreten zu lassen. Am besten, man entscheidet sich für eine klassische 2-Leiterbahn und rüstet die Carrera Modelle mit einem 2-Leiter-Leitkiel um, den es von Carrera auch als Original-Ersatzteil zu kaufen gab. Diese Maßnahme hätte auch noch andere Vorteile, denn die Liste an Mercedes Slotcars für die 2- Leiterbahnen ist lang. Sie reicht vom W154 Silberpfeil von Airfix/MRRC über den 300 SL Gullwing von Revell bis zur roten Sau von Carrera.