von Thomas Paulsen Stellv. ADAC - Chefredakteur
Vor 45 Jahren prophezeiten Experten, der Erde würde noch vor der Jahrtausendwende das Öl ausgehen. Das Gegenteil ist passiert: Nie waren die weltweiten Erdöl-Reserven größer. Woran das liegt – und warum der Großteil nicht verbrannt werden sollte.
- Konventionelle Ölfelder sind noch lange nicht erschöpft
- Die Fracking-Technik hat die Ölreserven deutlich erhöht
- Die bekannten Ölreserven waren noch nie so groß wie heute
Bohren: Konventionelle Erdöl-Förderung
Bei konventionellen Ölfeldern befindet sich der Rohstoff in den Zwischenräumen einer porösen Gesteinsschicht. Wird sie angebohrt, strömt das Öl zunächst dank des natürlichen Lagerstättendrucks nach oben. Später wird Gas in das Lager gepresst, um noch mehr zu Tage zu fördern. Wirklich „geleert“ wird das jeweilige Vorkommen dadurch aber nicht: Mindestens 40 Prozent des Öls befinden sich noch unter der Erde, wenn das Feld als erschöpft gilt und die Fördertürme abgebaut werden. Das größte konventionelle Vorkommen befindet sich in Saudi-Arabien: Im Ghawar-Feld lagern gut 70 Milliarden Barrel – genug, um den weltweiten Bedarf für zwei Jahre zu decken.
Fracking: Die Schieferöl-Revolution
Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und Chemikalien mit hohem Druck in Tonschiefergestein gepresst. Es bricht den Ton auf. Anschließend können das in winzigen Hohlräumen gebundene Gas und Öl in eine Steigleitung strömen. Dank dieser Technik hat sich die Erdölproduktion in den USA seit 2007 fast verdoppelt. Auch die Gaserzeugung wuchs dramatisch. Weil das für günstige Preise sorgte, wurden viele Kohle- durch Gaskraftwerke ersetzt. Deshalb sinkt der CO2-Ausstoß der USA.
Aber es gibt Kritik am Fracking: Es kann Grundwasser und Boden mit Chemikalien verseuchen und Erdbeben auslösen. Außerdem entweicht an den Bohrlöchern unkontrolliert Methan. Dieses Gas ist laut Max-Planck-Gesellschaft 21-mal schädlicher für das Klima als CO2.
Teurer Treibstoff: So viel zahlt Deutschland fürs Öl
Jedes Jahr fließen viele Milliarden Euro aus Deutschland in die Ölförderländer. Wie hoch die Rechnung ausfällt, hängt vom Rohstoffmarkt ab. Dass die Preise dort extrem schwanken, zeigte sich auch in den vergangenen Jahren: Nie war die nationale Jahresrechnung fürs Öl so hoch wie 2012 – und schon lange nicht mehr so niedrig wie 2016. Prognosen zur Entwicklung des Ölpreises waren bisher regelmäßig falsch. So erwartete das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW 2008, das Barrel werde 2018 über 200 Dollar kosten – tatsächlich schwankt der Preis derzeit um die 70-Dollar-Marke. Deshalb ist wohl auch die Erwartung mancher Experten, die neue Fracking-Technik werde den Barrel-Preis dauerhaft stabilisieren, mit Vorsicht zu genießen.
Nachschub aus der Tiefe
Die nachgewiesenen Ölreserven haben sich seit 1960 fast verfünffacht. Möglich macht das der technische Fortschritt, etwa beim Fracking. Inzwischen können selbst extreme Tiefsee-Vorkommen wie das Libra-Feld vor der Küste Brasiliens erschlossen werden. Es liegt 7000 Meter tief unter Wasser und Gestein. Der „Peak Oil“, also der Höhepunkt der weltweiten Erdölförderung, nach dem es mit der Produktion nur noch bergab geht, verschiebt sich deshalb immer weiter in die Zukunft. Tatsächlich gibt es seit den 1970er-Jahren eine Art „Erdölkonstante“: Trotz ständig steigendem Verbrauch reichte das Öl stets für die nächsten 40 Jahre oder mehr.
Öl in Mengen und vergleichsweise stabile Rohstoffpreise sind für Wirtschaft und Konsumenten kurzfristig eine gute Nachricht. Aber nicht fürs Klima. Denn um die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bei 2 Grad Celsius zu stoppen, darf die Menschheit dem Weltklimarat IPCC zufolge bis 2100 noch höchstens 900 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre blasen.
Beim aktuellen Verbrauch ist dieses Budget in 22 Jahren erschöpft. Das 1,5-Grad-Celsius-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen ist nach Meinung vieler Experten deshalb nicht mehr zu erreichen.