Zustandsnoten in Verträgen sind auch für private Oldtimerverkäufer bindend

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VERTRAGSANWÄLTE Nr. 36/2025 25.07.2025 AD

BGH: Zustandsnoten eines Oldtimers als Beschaffenheitsvereinbarung bei Privatverkauf

Sehr geehrte Damen und Herren,

der u. a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat in seinem Urteil vom 23.07.2025 (Az.: VIII ZR 240/24) entschieden, dass auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer bei der Angabe einer Zustandsnote in dem Kaufvertrag in Verbindung mit der Beschreibung des Erhaltungszustands des Oldtimers regelmäßig von einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S 1 BGB aF (seit  01.01.2022: § 434 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1 BGB) auszugehen ist, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands als Beschaffenheit des Fahrzeugs sprechen. Der Verkäufer konnte sich aus diesem Grund nicht auf den im Kaufvertrag vereinbarten und zwischen Privatleuten üblichen Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen.

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1. Ausgangslage

Der Kläger erwarb im Jahr 2020 im Rahmen eines Privatkaufes einen MG Typ B Roadster des Baujahrs 1973, der über eine H-Zulassung verfügte. Der beklagte Verkäufer hatte für dieses Fahrzeug eine Verkaufsanzeige auf einer Onlineplattform geschaltet. Dort war als Zustandsnote „2-3“ angegeben. Zudem wurde auf die zwölfjährige Besitzzeit des Beklagten, den technisch einwandfreien Zustand des Fahrzeugs und die fortlaufend durchgeführten Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen hingewiesen. In dem nachfolgend abgeschlossenen Kaufvertrag, in dem die Sachmängelhaftung ausgeschlossen wurde, enthielt folgenden Hinweis des Verkäufers: „Der Verkäufer erklärt Folgendes verbindlich zum Zustand des Fahrzeugs: – siehe Gutachten – Note 2-3“.

Bei Vertragsschluss lagen dem Kläger bezüglich des Fahrzeugs ein Gutachten aus dem Jahr 2011 und eines aus dem Jahr 2017 vor. Das erste Gutachten wies für das Fahrzeug eine Zustandsnote von „2,0“ aus, das zweite eine solche von „3-„.

Anfang des Jahres 2022 stellte der Kläger das Fahrzeug beim TÜV zur Hauptuntersuchung vor. Dieser lehnte die Erteilung einer Prüfplakette wegen erheblicher Mängel ab, u. a. wegen einer an verschiedenen Stellen korrosionsgeschwächten Bodengruppe, mehrfach durchgerosteten Schwellern und einem durchgerosteten Radhaus hinten links und rechts.

Nach erfolgloser Aufforderung zur Mangelbeseitigung erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit seiner Klage fordert er vom Beklagten im Wesentlichen die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie den Ersatz von Aufwendungen.

2. Entscheidung des BGH

Die Klage war in den Vorinstanzen (LG und OLG Hamburg) ohne Erfolg geblieben. Nach Auffassung der Instanzgerichte konnte sich der Verkäufer auf den zwischen den Parteien vereinbarten Sachmängelhaftungsausschluss berufen, da keine Beschaffenheitsvereinbarung zum Erhaltungszustand des Oldtimers getroffen wurde. Das hat der BGH anders gesehen – die Revision des Klägers hatte Erfolg.

Der BGH hat entschieden, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB aF vorliegt, wonach der Oldtimer einen der Zustandsnote „2-3“ entsprechenden Zustand, also einen im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten „2“ und „3“ liegenden Erhaltungszustand nach den üblichen Bewertungskriterien aufweist.

2.1 Vertragsauslegung führt zum Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung

Ob im Einzelfall eine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben ist, ist eine Frage der – nach beiden Seiten
hin interessengerechten – Vertragsauslegung.

Im Bereich des Kaufs von Oldtimern ist bei dieser Auslegung die erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung von Zustandsnoten zu berücksichtigen. Die Verwendung von Zustandsnoten für die Einstufung des Erhaltungszustands von Oldtimern in einem mehrstufigen Bewertungsmodell ist allgemein gebräuchlich und branchenüblich. Diese allgemein bekannten und anerkannten Zustandsnoten geben konkret Auskunft über den Erhaltungszustand eines Oldtimers. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf den Wert und damit auch den  Kaufpreis des Fahrzeuges. Aus diesem Grund kommt der Angabe einer Zustandsnote durch den Verkäufer aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers grundsätzlich die Aussage zu, dass sich das Fahrzeug in einem dieser Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustand befindet.

Es ist deshalb regelmäßig auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer von einer Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen, wenn in den Vertragsunterlagen im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands des Oldtimers eine Zustandsnote angegeben ist, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die verbindliche Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands sprechen.

➢ Verweis auf Gutachten stellt kein „fremdes Wissen“ dar – verbindliche Angaben des Verkäufers

Derartige besondere Umstände liegen nach den Feststellungen des BGH nicht vor. Im Gegenteil: Der weitere Inhalt des Kaufvertrages und die sonstigen Umstände seines Abschlusses bestätigen das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung. Hiernach sollte die Angabe der Zustandsnote „2-3“ verbindlich sein. Die Bezugnahme auf die Gutachten im Zusammenhang mit der Angabe der Zustandsnote „2-3“ in dem Kaufvertrag war nicht dahingehend auszulegen, dass der Verkäufer hiermit lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass es sich bei den angegebenen Zustandsnoten um „fremdes Wissen“ handeln würde, für das er nicht einstehen wollte. Die im Kaufvertrag angegebene Zustandsnote von „2-3“ entsprach zum einen weder der Zustandsnote aus einem der Gutachten noch ergab sie sich etwa aus der Bildung eines Mittelwerts der Bewertungen dieser Gutachten. Nach dem objektiven Empfängerhorizont konnte dies nur so verstanden werden, dass der Beklagte einen gegenüber dem letzten Gutachten verbesserten Zustand zusagen wollte.

Des Weiteren enthielt die Erklärung des Beklagten in dem Kaufvertrag nach objektivem Empfängerhorizont eine Angabe zum aktuellen Fahrzeugzustand, der für die Kaufentscheidung grundsätzlich ausschlaggebend ist. Die Gutachten bezogen sich jedoch auf weit zurückliegende Zeitpunkte. Die Erklärung des Beklagten zum Fahrzeugzustand ging demnach über den Inhalt der Gutachten hinaus und stellt damit keine reine Mitteilung fremden Wissens dar.

➢ Verkaufsanzeige stützt Auslegungsergebnis als Beschaffenheitsvereinbarung

Die für die Auslegung des Kaufvertrages ebenfalls zu berücksichtigende Verkaufsanzeige stützt dieses Auslegungsergebnis. In dieser hatte der Verkäufer angegeben, den Zustand des Oldtimers seit zwölf Jahren aus eigener Anschauung zu kennen und das Fahrzeug fortlaufend durch Restaurierungs- und Erhaltungsmaßnahmen in dem von ihm behaupteten guten Zustand erhalten zu haben. Insofern konnte die Aussage im Kaufvertrag, wonach das Fahrzeug einen Zustand von „2-3“ aufweist, nur so verstanden werden, dass der Verkäufer damit den Ist-Zustand im Zeitpunkt des Verkaufs beschreiben und hierfür auch die Gewähr übernehmen wollte.

2.2 Sachmängelhaftungsausschluss greift nicht bei Beschaffenheitsvereinbarung

Da aufgrund der Feststellungen des VIII. Zivilsenats eine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich eines Fahrzeugzustands von „2-3“ bei dem streitgegenständlicher Oldtimer getroffen wurde, konnte sich der Verkäufer nicht auf den vereinbarten Sachmängelhaftungsausschluss berufen.

2.3 Berufungsgericht muss Erhaltungszustand des Oldtimers prüfen

Da es für die Entscheidung maßgeblich darauf ankommt, ob sich der Oldtimer gemäß der Beschaffenheitsvereinbarung in einem im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten „2“ und „3“ entsprechenden Erhaltungszustand befunden hat, hat der BGH das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

3. Rechtliche Einordnung – Rechtsprechungshinweise

Dass bei C2C-Kaufverträgen über Oldtimer Beschaffenheitsvereinbarungen eine entscheidungserhebliche Rolle spielen, hat der BGH in seinem Urteil vom 10.04.2024 (Az.: VIII ZR 161/23; DAR 2024, 390) aufgezeigt. In dem entschiedenen Fall hat der BGH bei einem 40 Jahre alten Oldtimer, bei dem der Privatverkäufer auf eine einwandfrei funktionierende Klimaanlage hingewiesen hatte, diese Angabe als Beschaffenheitsvereinbarung ausgelegt und dem Verkäufer eine Berufung auf den gleichfalls vereinbarten Sachmängelhaftungsausschluss versagt. Die Vorinstanzen waren zwar ebenfalls von einer Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen, hatten aber aufgrund des Alters, und weil es sich bei einer Klimaanlage um ein Verschleißteil handeln würde, (rechtlich unzutreffend) dem Sachmängelhaftungsausschluss den Vorzug gegeben.

Es entspricht ständiger BGH-Rechtsprechung, dass ein wirksamer Ausschluss der Sachmängelhaftung die Haftung für eine Beschaffenheitsvereinbarung unberührt lässt (grundlegend BGH, Urteil vom 29.11.2006, VIII ZR 92/06, DAR 2007, 265). Wenn in einem Kaufvertrag (hier: zwischen Privaten) zugleich eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache und ein pauschaler Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart sind, ist dies regelmäßig dahin auszulegen, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten soll.

Seit der Schuldrechtsmodernisierung zum 01.01.2002 ist zudem bei der Prüfung des Vorliegens einer Beschaffenheitsvereinbarung (für Verbraucher wie für Unternehmer) zu beachten, dass die Annahme der Vereinbarung einer Beschaffenheit, für deren Fehlen der Verkäufer nach Maßgabe des § 437 BGB haftet, nicht mehr „im Zweifel“ (so die alte BGH-Rechtsprechung), sondern nur noch in einem eindeutigen Fall in Betracht kommt (grundlegend, BGH, Urteil vom 12.03.2008, Az.: VIII ZR 253/05; DAR 2008, 338).

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Schäpe
Leiter Juristische Zentral


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