…Fettpresse geht klar – aber warum Frack?
von Konrad Graf
Weil das die zwei Antipoden meines Lebens und meine Leidenschaften sind: Einerseits der Hauptberuf als Schlagzeuger in einem klassischen Sinfonieorchester, andererseits die handwerkliche Arbeit, vor allem mit Oldtimern. Hat mir schon oft Kopfschütteln und Unverständnis eingetragen, aber was soll’s? Schon in der Musikhochschule wurde ich oft VOR dem Haus schraubenderweise angetroffen, und Schrottplätze machten mich seliger als die Harmonielehre. Ich glaube, die beiden so gegensätzlichen Lebensbereiche haben sich wechselweise befruchtet. Vor allem aber habe ich in meiner so untypischen Karriere gelernt, dass man sich nie ins Bockshorn jagen lassen sollte….
Mein Name ist Konrad, ich bin 60 Jahre alt, und in der Rückschau wird mir klar, dass nicht vor allem mein Talent, sondern Unerschrockenheit, Disziplin und Durchhaltevermögen mich beruflich haben erfolgreich werden lassen. Der Job als Orchestermusiker bedeutet, jede Woche ein neues Konzertprogramm zu lernen und dann jedes Konzert absolut perfekt zu spielen – also gehört das lebenslange Lernen einfach dazu. Es ist bei uns ähnlich wie bei Sportlern, man muss sich einfach selbst disziplinieren. Und man sucht die Herausforderungen…
…womit wir beim Thema wären. Mein Vater war selbständiger Augenoptiker, und sein vielleicht einziger Luxus war alle sechs Jahre ein neuer Mittelklasse-Mercedes. Natürlich mit Minimalausstattung, aber Schiebedach und Lenkradschaltung waren Pflicht. Warum Lenkradschaltung? Wir waren sechs Kinder, und Kind Nummer 5 (ich!) reiste immer auf einem Sitzkissen auf der Mittelkonsole. Das Fieberthermometer-Kontrollinstrument, der nagelnde Diesel, der Geruch von Rosshaar und Kunstleder waren die prägenden Sinneseindrücke meiner Jugend. Und da Reisen von Süddeutschland über die Alpen mit 54 PS und 8 Insassen immer lange dauerten, hatte ich auch genug Zeit, um gründlich mercedes-verrückt zu werden. Bis ich den ersten günstigen W116 kaufen konnte, war ich dann aber auch schon 43. Ein paar Jahre später gesellte sich dann ein sehr günstig ersteigerter 560 SL dazu, dann kam ein 170 S-D, etc etc etc.
Auf einer langen Tournee Ende 2023 kam mir dann die verrückte Idee, das Unerreichbare zu wagen und etwas wirklich Exklusives anzupacken: Einen W100. Total riskant und total bekloppt, ich weiß! Und da ich immer recht kurzentschlossen bin, hatte ich schon 10 Tage später eine Besichtigung und weitere zwei Tage später den Kaufvertrag unterschrieben.
Was bei mir immer völlig klar ist: Ich hab natürlich alles falsch gemacht! Probefahrt war nicht möglich, da sofort unterm Auto Benzin spritzte, Fahrwerk war am Boden, Hydraulik konnte ich nicht testen (aber der Kofferraum ging nach 6 Monaten Standzeit noch auf und zu), Probefahrt nicht möglich.
Andererseits: Der Wagen stammte von einem Autosammler mit noch weiteren Schätzen. Er hätte sich sicher keinen Schrott hingestellt – war aber bedauerlicherweise inzwischen verstorben. Seit zwei Jahren hatte sich niemand um das Auto gekümmert, und der 600 war von der Familie freigegeben worden. Ein sachverständiger Freund hatte eine sehr ehrliche Annonce geschaltet, die mein Vertrauen erweckte. Der Lack sah toll aus, der Innenraum war schön patiniert, aber wunderbar erhalten. Und es gab Belege einer kompletten Motorrevision vor 1600km! Ein Video vom Motor gab es auch.
Um es kurz zu machen: Meine Naivität war nicht ganz so naiv, und mein Vertrauen hat sich rundum bestätigt! Die Verhandlungen waren fair, und ich habe weiter Kontakt zu den Verkäufern, die sich freuen, dass das Auto nun bei mir wohnt.
Nun ging es darum, den Transport klarzumachen. Ich bin mit einem Freund und vieil Werkzeug erneut 500km gefahren, um den Wagen transportfertig zu machen. So ohne Luftdruck kommt er ja auf keinen Trailer. Mein Freund Ben ersetzte das fragliche Stück Benzinleitung, nun konnte der M100 problemlos angelassen werden und baute nach geraumer Zeit auch Luftdruck auf. Ich war einfach nur begeistert. Die Form, die majestätische Anmutung, der Geruch, einfach alles!
Weihnachten 2023 war dann schwer abzuwarten, die ersten Januartage nutzte ich, um meine Garage komplett freizuräumen. Und dann waren wir erneut auf der Autobahn, um das Verladen zu beaufsichtigen. Was aber bei mir auch klar ist: Wenn ein Tag so gut anfängt, ist die nächste Katastrophe nicht weit…
Der Spediteur war sogar etwas zu früh und sehr nett, wir hatten den Papierkram schon hinter uns, haben beim Aufladen auf den Trailer geholfen, alles gut. Die Sonne schien, der Fahrer war schon gestartet, wir nahmen noch stilvoll eine Tasse Kaffee im wunderbaren stilvollen Wintergarten. HERRLICH!
Irgendwann auf dem Heimweg haben wir ihn überholt, immer noch alles gut. Dann der Anruf, 75 km vor dem Ziel: “ Mir ist ein Reifen am Trailer geplatzt, stehe in der Baustelle da und da, der ADAC kommt, habe aber kein Ersatzrad….“ Ich war schon weiter, er wollte mich aber nur informieren, er käme klar. 3 Kilometer vor zu Hause, nächster Anruf: Kannst du doch kommen, ich muss das Auto umladen, du hast den Schlüssel mitgenommen.
Klar hab ich den einzigen Schlüssel mitgenommen.