Hätten Sie es gewusst? Warum gibt es den 560SL überhaupt?

von WOLFgang Kalbhenn / damals in der Entwicklung tätig!

Im Rahmen der letzten MOPF (MOdelPFlege) sollte die Baureihe R 107 noch mal den, für dieses alte „Fahrwerk“ machbar, stärksten Motor bekommen; in seinem 15. Baujahr wurde der 500 SL neu aufgelegt und in die Serie gebracht! Das war Der mit der Gummi-Lippe auf dem Kofferdeckel.

Zeitgleich erging aber auch der Vorstandsbeschluß: es werden KEINE größeren Motore als der M 117 „5,0“ mehr für diesen Typ freigegeben!

Eindeutig: KEIN M 117 „5,6“ oder größer im R 107 !

Der 500 SL hat 1980 im Rahmen einer großen Modellpflege Premiere.

Nun folgen mit gewissem Zeitverzug immer dann die Länder-Varianten eines neuen Typs. Also hieß es, den 500 SL für die Bedingungen der jeweiligen Länder-Gesetze weiter zu entwickeln / anzupassen; motorseitig, also Anpassung an Abgasgesetze länder-spezifisch!

Gerne möchte ich hier im Zusammenhang mit dieser Motorenentwicklung einmal berichten, welche wunderbaren „Freiheiten“ in den 80-ger Jahren beim „Daimler“ in der Entwicklung herrschten, oder zumindest manchmal auch erst im Nachhinein abgesegnet wurden; ja belobigt wurden, wenn sie gut waren!

Heute würde man sagen: Commiment wurde belohnt! ICH sage, wir hatten das große Glück, noch im „Uhlenhaut-Geist“ leben und arbeiten zu dürfen: „Mach!! Wenn es gut ist, bringen wir’s! Wenn nicht, müssen wir’s anders probieren! (unausgesprochen: ICH stehe in JEDEM Fall dahinter)

Der Mercedes SL der Baureihe „107“ sollte nun nach über 15 Jahren Bauzeit zu seinem Karrieren-Ende noch mal eine „Auffrischung“ erfahren: es wurde 1981 der 500 SL (5.0 L) mit dem M 117 mit 240 PS geboren.

Nun folgten natürlich zwingend die Typ-Varianten in die Export Länder (wichtigster Markt, die USA). Der dort zu dieser Zeit stärkste ausgelieferte Typ war der 380 SL mit seinen Leistungsdaten von 155 (SAE) PS und einem max. Drehmoment von 267 Nm nun wahrlich keine Rakete!

Natürlich wussten wir, dass die Anpassung an die US-Abgasgesetzgebung doch deutliche Leistungsreduzierung nach sich ziehen würde; das war auch bisher schon so: durch späteren Zündzeitpunkt, niedere Verdichtung wegen schlechterer Kraftstoff-Qualität, mehr Katalysator-Volumen, etc.

Dem vorliegenden 500 SL würde also ein Großteil seines schönen Leistungspotentials wieder genommen !?

Gedanken-Funke: „Hey, hoppla, muss DAS denn sein, wir haben doch da noch den fast baugleichen 5,6 Litter M 117 im W 126-Programm!“ Wenn wir Den als Grundmotor nehmen, kommen wir zumindest beim Drehmoment auf nur  vergleichbar gute Werte, wie im 500 SL -Europa-Version (ECE)!“

Oh, Mist, der 5,6 -Liter ist per Vorstandsbeschluß für den SL „out“, verboten!?

Mutige Idee: „Das ignorieren wir mal ganz einfach und „machen“!“

Katatysator-Anlage 560 SL komplett. (vor.-Kat / Haupt.-Kat-)

Habe zusammen mit meinem damaligen Vorgesetzten, Dipl.-Ing. Jürgen Frey – völlig inoffiziell und ohne jeden Projekt-Auftrag – einen „ausrangierten“ älteren R 107 mit eben einem niederverdichteten und weiter nachbehandelten 5,6 M 117 aufbauen lassen! Um Alles im kleinen Rahmen – „under cover“ – laufen zu lassen, haben wir dabei sogar noch selber „hand-angelegt“ bei der Unterbringung einer erweiterten Katalysator-Anlage im alten Unterboden des R 107. Für die neuen – nun noch schärferen Abgas-Grenzwerte USA – brauchte dieses „Abgaspaket“ unbedingt noch zusätzlich einen ganz motornahen Start-Katalysator zum weiter hinten liegenden Haupt-Kat. Wir haben dann einfach „Dellen“ in den Unterboden gedrückt, um einigermaßen Bodenfreiheit zu bekommen; verwendet haben zunächst im Programm vorhandene Katalysatoren und die noch eigenhändig „drunter-gezaubert“! Die nächste Runde war „Bestehen“ der Abgastests! Nach einem gewissen Feinschliff haben wir auch Das geschaftt, und wir konnten – wieder nur über (gute) Beziehungen –  das Auto zur „Dauerlauf“-Erprobung auf die Freiluft-Test-Rolle bringen! Die Abgas-Tests nach den ersten 20.ooo Miles konnten wir bravurös bestanden nachweisen und stolz (geheim) präsentieren! >Langsam war die „Sache“ auch nicht mehr so ganz GEHEIM!

Foto-Modell (Beitzer Renè Hepp) in der MB-Niederlassung „Wackenhut“, Nagold

Tatsache ist, dass Das damals NIEMAND für machbar gehalten hätte und auch nicht gewagt hätte!

Als Beides – Abgas-Test und fahrfähiges Auto – vorlagen, haben wir das Auto für eine Vorstands-Testfahrt vorbereitet und einfach dazu gemeldet: Die „ach-so-schlauen“ Planer waren nicht wenig überrascht über dieses Auto! Schon am 2. Tag dieser Vorstands-„Ausfahrt“ kam das Signal: „Das könnten wir doch so für USA und Japen bringen!! (Eigentlich nicht schwierig zu entscheiden, wenn’s schon da ist, sollte man meinen!)

So wird überliefert, dass Werner Breitschwert – ja immer technik-offen – schier begeistert war von der „Sache“, denn der derzeit in USA angebotene 380 SL war ja nun wirklich kein Ausbund an Power. So hat er diese „Sonder-Aktion des Versuches“ im Nachhinein begrüßt, ja immer mal wieder lobend erwähnt!

Anmerkung im Presse-Text anlässlich 50-Jahre R/C 107, hier 560 SL

>Versuchsingenieure haben zu einer Entscheidungsfahrt unter Anderem neben den 380 SL für den US-Markt auch die Version eines R 107 mit 5,6-Liter-Motor zugestellt – worauf der Vorstand sich klar für diese Version für USA, Japan und Australien entschieden hat!

Wenn DAS – siehe grüner Text oben – so in einer recht öffentlichen Presse- Verlautbarung auftaucht, ist das eine wohltuende Ehre für unsere „Arbeit“ von damals im Nachhinein!?

WOLFgang Kalbhenn – Breuberg /Stuttgart, März 2023


Gegenüberstellung:

  • 500 SL (ECE)   = 241 PS und Nm max. = 392  (Serie in Europa)
  • 560 SL (USA) = 231 PS und Nm max. = 373  (nach-genehmigt für USA)

abgelöstes Modell (Stand Modell-Jahr: 1980):

  • 380 SL (USA)   = 155 PS und Nm max. = 267 (abgelöster SL-Typ))
Technische Erläuterung und Hintergründe zum Einbau des M 117, 5.6 in den R 107

Zur Erfüllung der Abgas-Grenzwerte für USA -Modelljahr 1981, fff. war für den hubraum-großen und leistungsstarken 5,6 L M 117 ein möglichst motornaher, erster Katalysator notwendig! Also ein kleiner, aber sich schnell erwärmender Vor-Katalysator, der nach Start schnell seine Reaktion-Temperatur von ca. 800 C° erreichen wird. Für Abdeckung und Sicherung aller Fahr- und Betriebs-Zustände brauchte man aber noch mehr Kat.-Volumen; es wurde eine Aufteilung notwendig! So musste ein zweiter größerer Katalysator  nachgeschaltet werden, für den aber vorhandene Schalldämpfer-Mulden genutzt werden konnten!

R 107 „five-point-six“ mit stolzem Besitzer Renè Hepp, 72218 Wildberg / Sulz am Eck

DAS PROBLEM war hier – im R 107 – eben die Unterbringung dieses Vor-Katalysators! Wir brauchten im Fußraum vorne eine „Aussparung“, in die dieser Kat eingepasst würde. (WIR hatten mit Schweißgerät und Hammer provisorisch eine Delle im Unterboden ausgebildet, um einigermaßen Boden-Freiheit zu bekommen!)

Bei den endgültigen Vorbereitungen für die „Serien“ stellte sich dann heraus, dass sogar ein Rahmenlängsträger „verlegt“ werden musste! >Aufschrei im Karosserie-Werk Sindelfingen!

WIR hatten ein funktionierendes Konzept vorgestellt und vorgelegt, welches genehmigt wurde; Die Serien-Vorbereitungen war dann eine andere Baustelle!

Sekundär-Luftpumpe für schnelle Kat.-Aufheizung

Das Ergebnis jedenfalls – DER 560 SL – konnte sich sehen – und fahren – lassen und wurde ein Verkaufs-Erfolg weltweit; er wurde dann ja – fast baugleicht – auch nach Japan und Australien so übernommen.

Hier dann noch etwas etwas „Technik im Detail“ warum die „Geburt“ des R 107 „five-point-six neben der Notwendigkeit den Vorstand von der Machbarkeit zu überzeugen auch einbau-technisch eine Herausforderung war.

> DAS PROBLEM < motornaher Vor-Katalysator (Anordnung nach „Querohr“ und neben dem Getriebe)

Anordnung Vor-Katalysator (Längsträger abgeknickt)

Um Platz zu schaffen, musste sogar der Längsträger rechts neben dem Getriebe-Tunnel verlegt UND eine „Beule nach oben“ vorgesehen werden.

Die notwendige „Beule“ im Fußraum Beifahrerseite (für Anordnung / Unterbringung des Vor-Katalysator)

  • In unserer (ersten) Versuchsanordnung hatten wir wegen zu geringer Bodenfreiheit zunächst sogar zwei kleinere Einzel-Katalysatoren vorgesehen, um einigermaßen „Bodenfreiheit“ zu bekommen.

 

 

  • Später (für die Serie) wurde dann dieser flache Vor-Katalysator entwickelt und übernommen (Bild rechts).

 

 

  • Der Einsatz / die Verwendung einer Sekundärluft-Pumpe war dito notwendig, um den motornahen Vor-Katalysator schnell auf-zu-heizen! Das waren aber vergleichsweise einfache Anpassungsarbeiten. Sekundärluft-Pumpe (unterhalb der Lima) (sichtbar: Riemenscheibe mit der Magnet-Kupplung)

 

 

 

 

 

  • Ansaugleitung Sekundär-Luft aus dem Luftfilter „Rohluftseite“ (Bild links)