Aus der Clubzeitung DEPESCHE 02/2003 des Mercedes-Benz Veteranen Club von Deutschland e.V.
Wenn wir uns heute diesen 170 V angucken, ist für die meisten klar, dass es sich hierbei um einen Kombi handelt. Zu der Zeit 1942, als er damals das erste Mal eine Straße berollte, war dies noch ganz und gar nicht so. Mercedes baute zwar seinen ersten Kombiwagen im eigenen Werk im Jahre 1936, allerdings war dies eine Kombination aus Roadster und Coupé mit aufsetzbarem Hardtop auf Basis eines Typ 380. Die Wagen mit Kastenaufbau wurden im Werk fast ausschließlich als Kastenlieferwagen fabriziert.
Meist hatten diese Wagen, die es schon in den Zwanziger Jahren gab, eine durchgehende vordere Sitzbank und eine Trennwand zum Laderaum. Sitzplätze hinten und mehr Verglasung als eine Heckscheibe sucht man bei diesen Autos vergebens. Dies waren zwar Pkw, aber aufgrund ihrer Nutzung gebaut wie Nutzfahrzeuge, und den Begriff „Kombi“ gab es noch nicht einheitlich. Doch in Deutschland muss alles seine Ordnung haben, und dazu trägt das Deutsche Institut für Normung bei, das im Dezember 1917 gegründet wurde. Im Mai 1950, als die DIN auch die Anerkennung durch die ISO anstrebte, kam es dann zur Festschreibung des Begriffs „Kombinationskraftwagen“ unter der DIN 73002.
Aber selbst danach wurden 170 V, S bis zum Ponton immer nur in sehr geringen Stückzahlen von verschiedenen Karossiers hergestellt. Diese hatten allerdings meist andere Aufträge als einen Firmen-Familien-Lastesel mit gehobenem Niveau und gewisser Repräsentanz zu bauen, sondern üblich waren Sonderaufbauten für öffentliche Dienste. Erst mit dem Erscheinen der „Heckflosse“ wagte man in Untertürkheim einen zögerlichen Schritt in Richtung der nützlichen Familienkutschen. Zwar war der Mut noch nicht so groß, daß man selber Kombis produziert hätte, aber man erteilte eine Lizenz an die eigene Tochterfirma IMA in Belgien, die auf der Basis der Heckflosse den sogenannten IMA-Universal baute und über die Organisation der Daimler-Benz AG vertrieb.
Als dann die Stuttgarter das Borgward-Werk in Bremen übernahmen, kam die Zeit der ersten Werkskombis. Dabei muß man wissen, dass jedes T-Modell (so heißen seitdem die Kombis von Mercedes-Benz) der 123-Baureihe zunächst als Limousine das Licht der Welt erblickte. Auf Züge verladen, ging es dann in den Norden, wo ihnen der alte Skalp geraubt und ein neuer, längerer gegeben wurde. Und das Konzept setzte sich durch: Rund 17% der Mercedes-Fahrzeuge, die so geliefert werden können, werden heute als T-Modell bestellt.
Miesen Historie
Im Jahre 1870 gründete der Wagenschmied Christian Miesen in Bonn eine Werkstatt, in der Kutschen und Pritschen hergestellt wurden. Dem erfolgreichen Weg eines traditionellen Erzeugers von Wagen, Karosserien und Fuhrwerken folgte bald der Bau der ersten Sanitätswagen für Pferdegespanne, und später, im Zuge der Motorisierung, begann man mit dem Umbau der ersten Sanitätsautos. Auch spezielle, zum Teil luxuriöse Karosserien, zum Beispiel für Roadster und Pullman-Limousinen, wurden angefertigt und auf Fahrgestelle damaliger Hersteller montiert.
Aber besonders hervorgetan hatte man sich in den frühen Dreißiger Jahren durch Bestattungsfahrzeuge – für den, wo der Sanitätswagen eben nicht mehr angebracht war. Die Angebotspalette von Lieferwagen und Buskarosserien wurde nach dem ersten Weltkrieg um unterschiedliche Sanitätswagen-Typen erweitert, wobei Fahrgestelle von Opel, Adler, Phänomen und Mercedes-Benz verwendet wurden.
Nicht zu vergessen ist auch die weltweit erste mobile Zahnklinik, die 1926 von Miesen entwickelt und gebaut wurde. Eine Reihe von Patentlösungen, die beim Sanitätswagenbau angewandt wurden, bedeuteten einen markanten Vorsprung vor der Konkurrenz. Das war auch der Grund, dass Miesen an der Entwicklung eines einheitlichen Sanitätsautos für das Rote Kreuz in den dreißiger Jahren maßgeblichen Anteil und Einfluss hatte. Verschiedene Varianten dieser Autos sind auf Fahrgestellen von DKW F 8, Mercedes-Benz 170 V, Opel Admiral oder Opel Blitz entstanden und waren in ihrer technischen Ausführung richtungsweisend.
Ende der Vierziger und Anfang der Fünfziger Jahre verließen die ersten verfügbaren Autos der Nachkriegszeit
das Fahrzeug- und Karosseriewerk in Bonn, Dottendorferstraße, wo die Firma seit dem Jahre 1901 ihren Sitz hat.
Aufbauten auf Basis von Mercedes-Benz 170 V und D, Opel Olympia, Ford Taunus und sogar Volkswagen mussten ihre Tauglichkeit als Sanitätsfahrzeuge beweisen. Mitte der sechziger Jahre kam es zu einer grundlegenden Änderung in der Konzeption des Sanitätswagenbaues. Zum Tragen kam der neue Grundgedanke von Miesen: „Je höher der Krankenwagen, um so besser das Wohlbefinden des Patienten.“
Der Bau von Krankenwagen mit erhöhtem Dach, bei Mercedes-Benz zusätzlich mit verlängertem Radstand, und erstmalig einem Betreuersitz vor Kopf der Trage, bedeutete optimale Behandlungsmöglichkeiten während des Transportes. Die Konstrukteure von Miesen hatten schon entsprechend frühzeitig und positiv auf Ärztehinweise reagiert, bevor 1967 eine DIN in Deutschland für den Bau von Sanitätsfahrzeugen herausgegeben wurde und erstmalig zwischen Kranken- und Rettungswagen unterschied (KTW und RTW).
So wurde bereits in Zusammenarbeit mit der Universität Köln im Jahre 1957 ein Notarztwagen auf dem Fahrgestell FORD KF 2500 gebaut, der es dem Arzt ermöglichte, alle lebensrettenden Sofortmaßnahmen direkt im Wagen durchzuführen. Die Erfahrungen mit dieser Entwicklung haben sich in der Produktion des MEDIMOBILs widergespiegelt.
Diese Fahrzeugreihe wurde 1967 mit einem speziell entwickelten Tragentisch ausgestattet, der mit vertikaler und horizontaler Federung versehen, den Patienten stets in einer gleichbleibenden Transportposition hielt. Durch den „Miesen-Schwebetisch“ wurden Straßenunebenheiten weitestgehend ausgeglichen. Die Bezeichnungen BONNA, MEDIMOBIL und ECOLINE sind heute zu feststehenden Begriffen geworden, und die technische Entwicklung von einzelnen Komponenten, als auch ganzer Fahrzeuge, wird von Miesen mit großem Engagement vorangetrieben.
Jahrzehntelange Erfahrungen, enge Verknüpfung mit der Praxis, ein eigenes Konstruktionsbüro mit den Möglichkeiten der modernen Computertechnologie, sind Grundsteine für eine hohe Stellung von Miesen unter den Herstellern von Sanitäts- und medizinischen Spezialfahrzeugen. Alles andere ist seither aus dem Programm gefallen.
Geschichte einer Entscheidung
„Warum auch nicht?!“ hatte sich der Kaufmann aus Münster gedacht. Eigentlich betrieb er sein Geschäft mit Inneneinrichtung und Hauswäsche recht erfolgreich und aus der Liebelei mit alten und antiken Möbeln konnte irgendwann ein zusätzlicher Geschäftszweig entstehen. Keinen Hehl daraus macht er heute, dass er auch viele dieser Möbel aus dem ehemaligen Ostblock bezog. Als dann 1989 die Mauer fiel, wurden ihm von einem seiner Geschäftspartner aus Berlin ein paar alte Autos angeboten. DKW/IFA F8 sowie Gutbrot und Barkas lehnte er dankend ab. Als Manfred Krukenkamp jedoch das Photo des 170 Kombis aus einem Umschlag in die Hände kam, zuckte er doch, obwohl er bis dato noch nicht „oldtimer-infiziert“ war. Sein Vater hatte nach dem Krieg 170 V gefahren und das alte Hochzeitsphoto belegt dies noch heute. Er selbst hatte früh nach dem Krieg auf einem solchen Firmenwagen das Fahren gelernt – freilich nur auf einer normalen Limousine und dies hier war nun ein Kombi . . .
Die Gedanken waren also durchwoben mit nostalgischen Erinnerungen, und so eine schlechte Figur machte der Wagen auf dem Lichtbild nicht – jedenfalls, wenn man sich damit noch nicht auskennt. Der Preis mit rund 7.000 Mark schien nicht zu überhöht zu sein, wenngleich er als Neuwagen 1942 „nur“ 3.800 Mark gekostet hatte. Aber erstens waren das noch Reichsmark und zweitens war er damals viel zu jung, um so einen Wagen zu kaufen, nicht einmal als Spielzeug. Es wurde noch ein wenig hin und her überlegt, das Bild bei einer befreundeten Werkstatt herumgereicht und beschlossen: Mit ein bisschen Schleifen und neuer Farbe sieht der doch aus wie neu.
Gesagt, getan und wenige Zeit später kam der Wagen aus Berlin auf dem Anhänger in die bekannte Studenten- und Fahrradstadt Münster. Für die Geschichte und den Lebensweg des Wagens interessierte sich damals noch keiner. Erstmal wurde eine Bestandsaufnahme gemacht und die fiel sogar bei den ehemaligen Laien schon recht umfangreich aus. Seit 1961 die Mauer in Berlin errichtet wurde, konnte man nicht mehr auf Ersatzteile aus dem Westen zurückgreifen. Also was sollte man tun, wenn der Wagen auch weiterhin laufen sollte? Man musste auf adäquate Ostprodukte ausweichen. Nicht dass Ostprodukte schlecht wären, aber original sind sie eben nicht. So befanden sich seltsame Blinker, Rückleuchten, Türgriffe und ein buntes Sortiment aus Schaltern und Instrumenten in dem Fahrzeug. Dass der Motor überhaupt nicht dazu zu überreden war, auch nur einen Muckser zu machen, fällt dabei fast gar nicht mehr ins Gewicht.
Also war der ursprüngliche Plan mit Schleifen und Lackieren hinfällig. Aber eine Liebe war entbrannt und daher
kam ein Verkauf auf gar keinen Fall in Frage. Ein guter alter Schulfreund von Manfred Krukenkamp, seines Zeichens Automechaniker, überholte Motor, Getriebe und, weil man gerade so schön dabei war, Hinterachse so, bis alles mehr als einwandfrei lief. Ein paar Jahre gingen dabei ins Land. Damit war das Hauptproblem aber noch nicht gelöst: Die Karosse! Die Karosseriebauer, die anschließend das Blech wieder aufbauten, machten dann beim Zusammenbau die folgenschwere Entdeckung: Der Wagen hatte vorne links einen kleinen Unfall gehabt, so daß ein Höhenunterschied von rund 3 cm zur anderen Seite entstanden war. Jetzt war die Frage, schief lassen (das hatte ja schließlich gepasst) oder alles so ändern, dass die Symmetrie wieder hergestellt würde? Man entschied sich für das Zweitere.
Besonders deren Holzaufbau warf anfangs arge Probleme auf. Doch ein Möbelrestaurator, mit dem Krukenkamp auch die antiken Möbel überholen ließ, machte sich in Ermangelung eines Stellmachers an das Werk des umfangreichen Holzgerippes. Da aber auch hier das Tagesgeschäft vorging, dauerte auch hier alles seine Zeit. Mittlerweile war man über die Grundsätzlichkeiten im Klaren und machte sich an die Details. Das Faltschiebedach, welches ihn jetzt ziert, war sicherlich nicht original aber erstens verschönert es die Fahrten sehr und zweitens hätte es so etwas durchaus geben können. Vom restlichen Originalzustand weiß man leider nichts. Trotz intensiver Bemühungen war nur wenig dem Kommissionsbuchauszug zu entnehmen. Der Ablieferungsschein besagte also die Lieferung eines Fahrgestells an die Firma Miesen in Bonn – mehr nicht. Wer hier der Auftraggeber war, oder wie der Auftrag gelautet hatte, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen, zumal die noch existente Firma Miesen nicht an Hilfestellungen bei alten Autos interessiert war (und es heute noch ist, wie wir bei der Recherche zu diesem Artikel leidlich gemerkt haben! Anm. der Redaktion). Zwar ist nicht gänzlich ausgeschlossen, dass es einen privaten Besteller gab, angesichts des Baujahres 1942 ist jedoch eine staatliche Instanz wesentlich wahrscheinlicher als Abnehmer. Ob als Transportkombi, Sanitätswagen, Polizeifahrzeug oder was auch immer konnte bislang keiner berichten. Selbst wer was mit dem Wagen nach dem Krieg angestellt hatte ist bis heute ungeklärt.
Somit blieb die gesamte Vergangenheit dieses Autos im Verborgenen und Manfred Krukenkamp wünscht sich noch heute, mehr über die Geschichte seines Wagens zu erfahren.
Aufgrund verschiedenster Kontakte und dem Beitritt zum MVC kam das Auto zur Vollendung zu einem Clubfreund nach Velbert. Hier halfen Typreferenten, verschiedene Lieferanten und einige Photos von anderen Fahrzeugen einen Zustand zu rekonstruieren, der dem der Auslieferung ziemlich nahe kommen dürfte. Beraten vom clubeigenen „Geschmackspapst“ kam ein Kombi dabei heraus, der seinesgleichen suchen kann. Sechs Jahre hat die Herstellung gedauert und einen deutlich sechsstelligen D-Mark Betrag verschlungen. Zwar könnte man mit viel Eigenleistung auch einiges an Geld sparen, damit würde aber auch die Dauer des Projektes deutlich ausgeweitet werden.