Das Schicksal der anderen Mercedes GP de l’ACF Rennwagen

Ein Versuch einer akkuraten geschichtlichen Rekonstruktion

Wer zeitgenössische Bilder der „Grand-Prix de l’ACF“ Mercedes-Rennwagen von 1914 betrachtet, wird feststellen, dass alle fünf, beziehungsweise alle sechs, sich zwar wie Zwillinge sehr ähneln, doch in mancher Hinsicht nicht identisch sind, gemessen an der jeweiligen Anordnung und Anzahl der Lüftungsschlitze, entlang der jeweiligen Motorhauben-Seiten, oder an der Höhe der Lenkräder zum Beispiel, aber am deutlichsten sind die Unterschiede an den Hecks feststellbar, die deutlich voneinander abweichen.

Sieht man sich Werkszeichnungen an, fällt sofort auf, dass das Heck ursprünglich bei allen Wagen spitz zulaufen sollte.

Es gibt auch Aufnahmen von dem einen oder anderen der Renner, auf dem ein solches Heck zu sehen ist, aber in Lyon eingesetzt wurden sie mit „abgestumpften“ bzw. im Falle von Louis Wagners Wagen ganz ohne Heck. Es finden sich seitdem in den im Laufe des vergangenen Jahrhunderts erschienenen Artikeln hierzu durchwegs die eine oder die andere von zwei Erklärungen.

Die eine besagt, dass die Heck-Form der individuell von Hand gefertigten Rennwagen schwierig und zeitaufwendig herzustellen war, und dass die Wagen erst kurz vor der Abfahrt nach Lyon fertiggestellt werden konnten. Dies sei der Grund, warum das Heck der Rennwagen – also aus Zeitgründen – so kurz ausfiel, wie es auf der Rennstrecke zu sehen war.

Für das Zeitargument spricht, dass zumindest eine der Fahrgestellzeichnungen mit dem Datum des 24.02.1914, und eine der Wagenzeichnungen mit dem 3.03.14 signiert ist; also gerade mal 4 Monate vor dem Renneinsatz am 4.07.1914. Dies ist zwar ein Argument für die zeitlichen Zwänge, dennoch wäre ein solch knapper Zeitplan nicht unmöglich zu bewältigen gewesen.

Die zweite Erklärung besagt, es wäre nur zwecks Gewichtseinsparung so geschehen. Doch meines Erachtens trifft hier weder das eine noch das andere Argument hundertprozentig zu.

Schaut man sich die Konstruktionszeichnungen und die wenigen Aufnahmen der entsprechend hergestellten Wagen an, stellt man fest, dass in dieser „Spitzheck“-Ausführung die Ersatzräder im Notfall nur seitlich und vor allem über eine hohe Kante herausgezogen werden konnten. Dies bedeutet einerseits zusätzliche Kraftanstrengung, aber insbesondere einen größeren Zeitaufwand. Ein schneller Zugang von hinten, und ein niedrigerer Ausschnitt hingegen erlauben eine schnellere Entnahme, dito einen kleineren Zeitaufwand beim
Radwechsel. Zwar ging es damals nicht so wie heute um kostbare Sekunden beim Boxenstopp, ich kann mir aber gut vorstellen, dass Minuten ihre Bedeutung hatten, zumal das Reglement, das unter den wachsamen Augen der allgegenwärtigen Inspektoren strikt durchgesetzt wurde, vorsah, dass nur der Fahrer und sein Mechaniker Arbeiten am Auto (Reifen- bzw. Radwechsel, Einstellungen) vornehmen durften, ohne dem Beistand anderer Helfer.

Wie dem auch sei, das gestutzte Heck war ein klarer Vorteil gegenüber anderen Konkurrenten deren Autos mit ihrem stromlinienförmigen Heck auf die Seite gekippt werden mussten (jawohl!) wie z.B. beim Peugeot von Boillot, um die Ersatzreifen herauszuholen, wenn ein Wechsel nötig war.

Jedes einzelne Heck fiel im Endergebnis leicht unterschiedlich aus: das eine war an den Kanten abgerundet, das andere fiel eckiger aus, ein Wagenheck war etwas höher und hatte einen anderen Ausschnittwinkel als der andere, und als deutlicher Außenseiter hatte Louis Wagners Wagen gar kein Heck, lediglich ein Haltegestell und Riemen, um die Ersatzräder zu halten. Es ist durchaus auch anzunehmen, dass jeder Fahrer bei der Gestaltung und handwerklichen Umsetzung des Hecks seinen besonderen Wunsch einfließen ließ.

Leider hat damals anscheinend niemand so richtig auf diese Unterschiede geachtet, beziehungsweise „zu Papier gebracht“. Wäre das der Fall gewesen, wüsste man schon längst und auch genau, was mit den einzelnen Wagen nach dem ACF-Rennen geschah.

Heute allerdings muss jeder Analyst oder Historiker sich auf Umwegen an das „Schicksal“ der verschiedenen Wagen herantasten, so gut es geht…

Die Geschichte des Siegerwagen Nr. 28 von Christian Lautenschlager, und des in Paris beschlagnahmten Wagen Nr. 14 gefahren von Max Sailer ist zweifellos interessant, aber so ist ebenfalls die der anderen Teilnehmer am Grand Prix de France von 1914.


Was geschah zum Beispiel mit dem Louis Wagner Wagen Nr. 40, der als Zweiter in Lyon durchs Ziel kam?

Nach der Rückreise nach Stuttgart und den Feierlichkeiten rund um die siegreichen Rennwagen und ihren Fahrern wird der Wagen sofort an Ralph de Palma verkauft, der als ein in den USA bereits erfolgreicher Rennfahrer gefeiert wurde. Auch er war in Lyon und nahm als Fahrer für Vauxhall am GP de France teil. De Palma, beziehungsweise sein Geldgeber Cameron Peck, erstand den 115 HP GP-Mercedes, plus einige Ersatzteile, für 6000 USD, was in heutigem – 2023 – Geld in etwa 180.216,00 USD entspricht. Mein persönlicher Eindruck ist, dass der Wagen zwar teuer, aber nicht überteuert war.

 

Bereits am 27. Juli 1914 wird der Wagen im New-Yorker Hafen gelöscht, abgeliefert, und für sein erstes Rennen, dem Elgin Trophy Rennen in Chicago vorbereitet, das der Grand-Prix Mercedes mit De Palma am Steuer am 21. August 1914 auch prompt gewinnt. Im Laufe des Sommers 1914 gewinnt der Wagen noch weitere 5 Rennen, u.a. das bekannte Brighton Beach Rennen am 7. September.

Irgendwann wird bei Packard Motors – Firma bei der Ralph De Palma als Ingenieur angestellt war – der Wagen, mit besonderem Augenmerk auf den Motor, untersucht, und die dabei gewonnenen Erkenntnisse bilden die Basis für den ersten Packard „Liberty-Aero“-Flugmotor (man könnte also ohne weiteres sagen, dass der Motor des Mercedes-Grand-Prix-Wagens von 1914 auf die eine oder andere Weise der Vorfahre des Rolls-Royce-Flugzeugmotors, des Bentley-Automotors und des Packard-Flugzeugmotors war. Was für eine Abstammung!)

Wahrscheinlich nach der Saison 1914, auf jeden Fall aber vor dem Indy-500-Rennen 1915, ließ De Palma das Heck seines Mercedes bei Packard überarbeiten und mit einem spitzen Heck versehen. Am 31. Mai 1915 fand das berühmte Indianapolis-Rennen statt, für das der Wagen mit seinem neuen spitzen Heck rechtzeitig ausgestattet worden war. De Palma überquerte mit dem GP-Mercedes von 1914 erneut die Ziellinie als Erster und sicherte sich damit ein Preisgeld von damals 22.600 Dollar (heute etwa 679.000 Dollar). Damit war das Auto wahrscheinlich komplett bezahlt….

Das Indy 500-Rennen von 1915 muss es wohl in sich gehabt haben. Trotz mehrfacher Versuche war De Palma zuvor in Indianapolis nie erfolgreich gewesen. In diesem Jahr jedoch, in dem es zu einem scharfen Duell  zwischen einem Peugeot EX3, von einem Erfolg gewohnten Dario Resta gefahren, und De Palma’s Mercedes 1914 GP-Wagen kam, schrieb die Presse über De Palma: „Er führte in einem der großartigsten Rennen, das man jemals auf diesem Speedway gesehen hat“.

Ich kann es mir nicht verkneifen, hier zu schmunzeln: auf der einen Seite haben wir den Italienisch-Britischen Rennfahrer Dario Resta, und auf der anderen den Italienisch-Amerikaner Raffaele (Ralph) De Palma. Ihr italienisches Blut beiderseits muss wohl „Hochoktaniges“ gewesen sein! Übrigens holte Resta nach: er gewann das Indy-500 Rennen in 1916.

Weitere Siege reihen sich 1916 aneinander für Ralph De Palma mit seinem Mercedes. Nachdem er am 11. Juni 1916 im „Maywood Speedway“-Rennen in Chicago den zweiten Platz belegt, ebenso den zweiten Platz beim „Fort Sebring Speedway“-Rennen am 4. Juli 1916, beendet er 1916 als Erster folgende Rennen: am 24. Juni, das „Des Moines Speedway“-Rennen; am 5. Juli, das „Kansas City Dirt Track“-Rennen; am 15. Juli, das „Omaha Speedway“-Rennen.

In der 1918-Saison erleidet der Wagen Motorschaden, die Kurbelwelle bricht während des „Sheepshead Bay“-Rennens auf dem Ascot Speedway bei Pasadena in Kalifornien. Nachfolgendes ist das Ergebnis von David Scott-Moncrieff‘s Recherchen, dem verstorbenen Mitarbeiter von „Motor Sport Magazine“, und Autor des 1955 herausgekommenen, 1966 erweiterten Buches „The three-pointed star“: Angesichts des Schadens verkauft De Palma seinen Mercedes Ende 1920 an Frank P. Book aus Detroit, einem Hotel- und Immobilienmogul, der den Motor reparieren lässt, und in der Lobby eines seiner Hotels in Los Angeles ausstellt. Letztendlich verkauft Frank Book den zwischenzeitlich reparierten Wagen über die Mercedes Garage eines gewissen Sylvan Woods. Dieser verkauft 1921 den Mercedes an Charles Z. Klauder, einen bekannten Deutsch-Amerikanischen Architekten aus Philadelphia, (der u.a. 1926 die 42 Stock hohe „Kathedrale des Lernens“, das Hauptgebäude der Universität Pittsburgh, entwarf).

Dieser fuhr den von Woods reparierten Wagen mehrere hundert Meilen, bis dass die Kurbelwelle wieder brach, genau an der von Woods bei der Reparatur geschweißten Bruchstelle. Der Wagen wurde gründlich überholt, eine von einem Ford „Model A“ stammende elektrische Starteranlage und ein neuer Generator eingebaut. Das Ganze kostete Mr. Klauder Ende der zwanziger Jahre ca. 13.500,00 USD. Zwar erwog er noch den Kauf aus Stuttgart eines neuen Motors für den GP-Mercedes, aber das erschien ihm wohl doch zu teuer.

Am Ende tauschte er den Mercedes gegen einen brandneuen 1930 Lincoln ein. Es folgten noch ein paar mehr – allerdings unbekannte gebliebene – Eigentümer, bis die Spur der Wagens 1945 verschwand. Er soll entweder verschrottet oder aber nach Kuba ausgeführt worden sein. Wenn letzteres der Fall gewesen sein sollte, besteht vielleicht noch die Hoffnung, dass er in Kuba herumfährt, oder dass zumindest der 1914er Rennwagen-Motor irgendeines antiken kubanischen Nachkriegs-US-Straßenkreuzers Touristen über Havannas Malecón Esplanade promeniert.


Otto Salzer’s Wagen Nr. 39, dritt-platzierter Mercedes ACF-GP Rennwagen soll laut ein paar Berichten nach der Rückkehr aus Lyon nach Stuttgart auf Ausstellungsreise geschickt worden sein, zuerst nach Straßburg.

Wir befinden uns noch Anfang Juli 1914, der erste Weltkrieg hat noch nicht begonnen, und das Elsaß mit seiner Regionalhauptstadt Straßburg ist faktisch noch Teil des Deutschen Kaiserreichs, und so ergibt sich eine Ausstellung des Rennwagens in Straßburg auf dem  Rückweg von Lyon nach  Untertürkheim eigentlich von selbst. Nachweislich findet sie auch statt, aber leider gibt es auch von dieser Ausstellung keine auffindbaren Aufnahmen.  Jedenfalls war der Wagen am 16.07.1914 auf dem Weg nach Straßburg zwecks Ausstellung.

Von Straßburg aus soll der Wagen anschließend in Zürich und danach in Hamburg ausgestellt worden sein. Dies kann jedoch leider nicht mit 100%-iger Sicherheit bestätigt werden. Wie auch immer, der Wagen ist 1916 zurück in Stuttgart, und nach einer gründlichen Überholung wird er im gleichen Jahr an den Dresdener Hersteller von Laternen, Lötlampen und Gaskochern Gustav Barthel verkauft (der seit 1908 auch eine Filiale in Boston betreibt). Dieser beauftragt allerdings Mercedes den Rennsportwagen zu einem viersitzigen Tourer umzubauen. Die Arbeit daran muss, vielleicht kriegsbedingt, ziemlich schleppend vorangegangen sein, denn 1919 ist der Wagen noch immer nicht fertig. Wohl aufgrund verständlicher Unzufriedenheit des Dresdener Kunden storniert die DMG den Verkauf des Wagens. Angesichts seiner Geschichte behält das Werk den Wagen, er soll auf dem Werksgelände in einem  „Ausstellungsraum”, dem Vorläufer des heutigen Mercedes-Museums, ausgestellt worden sein.

Herr Barthel in Dresden hingegen bekommt einen nagelneuen Grand-Prix-Rennwagen, den ich hier mal als „Typ 1914“ bezeichnen möchte, und der aus vorhandenen Ersatzteilen hergestellt wurde. Nennen Sie es eine Kopie des Originals, oder „Der siebte GP 1914“, wenn Sie wollen, ich werde etwas später in diesem Text noch darauf zurückkommen.

Conte Giulio Masetti, ein wohlhabender italienischer Adliger, war ein Automobil-Enthusiast, der 1920 mit seiner Karriere als Rennfahrer anfing, und 1921 seinen ersten Targa-Florio Sieg errang, in einem wie es hieß „alten, aber
noch leistungsfähigen“ Fiat. Dies war umso bemerkenswerter, als er mit seinem weitaus weniger leistungsstarken Fahrzeug es schaffte, die Alfa Romeo- und Mercedes-Teams zu besiegen, deren Absicht es gewesen war, das Rennen um jeden Preis zu gewinnen…

Nach seinem Sieg, sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass sein Fiat alt und schwach war, kontaktierte er Mercedes, um sich für eine Anstellung in deren Rennfahrer-Team zu bewerben. Bei Mercedes aber tat man seinen Sieg als einen puren Glücksfall ab, und sein Angebot wurde nicht weiter in Betracht gezogen.

Die Weigerung von Mercedes löste bei Masetti Verärgerung und Frustration aus, und um zu beweisen, dass er keine „Eintagsfliege“ sei, kaufte er noch 1921 privat von der DMG einen Mercedes 4,5 Liter, 115 PS ACF-GP Rennwagen, und nachdem er den Wagen aus Trotz 1922 in „Rosso Italia“ umlackiert hatte, ging er bei der Targa
Florio als Privatfahrer an den Start. Giulio Masetti siegte wieder, vor zwei Ballot-Rennwagen und einem Alfa-Romeo. Der erste Mercedes musste sich mit Platz sechs begnügen…

Der Mercedes, den Masetti privat gekauft hatte und 1922 einsetzte, war kein anderer als Otto Salzer’s Wagen Nr. 39, mit dem dieser 1914 in Lyon beim „GP de l’ACF“ den dritten Platz belegte. Mercedes hatte 7 Werkswagen bei der Targa Florio 1922 am 2. April 1922 eingesetzt. Christian Lautenschlager (Startnummer 42) und Otto Salzer (Nr.43), beide auf 4,5 L GP-ACF 1914 Rennwagen landeten jeweils auf Platz 10 und 13. Max Sailer (Nr.38) und Christian Werner (Nr. 39) in ihren 28/95 PS Wagen beendeten das Rennen auf Platz 6 und 8, und ein neuer 1,5 Liter 6/40/65 PS, gefahren von Paul Scheef (Nr.12) kam als 20. durch‘s Ziel. Hinzu gesellte sich der italienische Rennfahrer Ferdinando Minoia (Nr.9) am Lenkrad eines 1,5L Mercedes, der allerdings wegen Magnetzündung-Schaden in der zweiten Runde ausfiel.

Angemeldet war bei dem Mercedes-Team auch noch der belgische Fahrer Raymond de Tornaco mit der Start-Nr.11, der allerdings nicht am Star war, und so offiziell das Rennen als 44. von insgesamt 46 Teilnehmern beendete. Zwar stellte Mercedes keinen Sieger, das Team durfte sich Dank Max Sailer in seinem 7,3 Liter 28/95 PS dennoch freuen, als Klassen-Sieger in der Kategorie „Turismo Sport über 4,5 Liter“ das Rennen beendet zu haben.

Für Masetti auf seinem Vorkriegs-Mercedes 4,5 L 115HP verlief die XIII. Targa Florio folgendermaßen: „Giulio Masetti gegen Max Sailer. Masetti holte sehr schnell den drei Minuten vor ihm gestarteten Christian Werner ein und lag nach der ersten Runde mit seinem Mercedes nur mehr hinter dem Wagen von Sailer. Zur Verblüffung der Daimler-Boxenmannschaft hatte er damit bereits einen Vorsprung von sechs Minuten auf Sailer. Da in den regionalen Medien das Rennen im Vorfeld zur nationalen Angelegenheit erklärt worden war, standen Hunderttausende Menschen am Streckenrand und feuerten die roten italienischen Rennwagen enthusiastisch an… Masetti musste lange hinter Sailer herfahren, der ihm bei seinen Überholversuchen keinen Platz ließ. Als er an einer engen Streckenstelle endlich vorbeifahren konnte, sprang die Motorhaube auf, die bis zum Boxenstopp in der zweiten Runde im Wind flatterte. Beim obligatorischen Tankstopp nach der zweiten Runde, fixierten die Mechaniker die Haube mit einem Seil. Masetti verlor fünf Minuten, weil er neben dem Tankvorgang alle vier Reifen wechseln ließ. Das Wechseln der Reifen erwies sich als rennentscheidend… der mit neuer Rekordzeit und dem Vorsprung von einer Minute und 47 Sekunden auf Goux als Sieger ins Ziel kam. Der für einen erhofften Mercedes-Sieg eingekühlte Champagner wurde von der Daimler-Mannschaft an die im Zielraum Anwesenden verteilt, ebenfalls an Masetti, obwohl er kein Werksfahrer war. Masetti wurde nach diesem, seinem zweiten Targa-Erfolg von der italienischen Presse als „Löwe der Madonie“ gefeiert.“

Nebenbei fuhr Masetti mit seinem 1914 GP-Wagen (ex-Otto Salzer’s Nr. 39) mit 66,373 km/h auch die schnellste Rennrunde der Targa Florio 1922 ein. Soweit die „Eintagsfliege“….

Mit seinem roten Mercedes siegte Masetti 1922 dann noch in zwei weiteren Rennen.

Im folgenden Jahr 1923 verkaufte Conte Giulio Masetti seinen Mercedes an einen Bekannten, Conte Domenico Antonelli, wie er ein Rennenthusiast. Hiernach verschwindet – zumindest bis heute – die Spur des Wagens.


Die Leben und Zeiten von Nr.41 und Nr. 41BIS

Was geschah mit dem Mercedes 1914 GP von Theodore Pilette (Nr. 41) und dem von Alfred Vischer gefahrenen Ersatzwagen (Nr. 41BIS)?

Die Informationen, die man über diese beiden Wagen für die Zeit nach dem GP-Rennen von 1914 findet, sind oft so widersprüchlich, so verworren, dass eine Geschichte dieser beiden GP-Wagen kaum mit zufriedenstellender Genauigkeit oder erschöpfend zusammengestellt werden kann.

Erinnerungen an Orte und Ereignisse werden von so manchen Zeitgenossen auch oft falsch wiedergegeben, weil eben das Gedächtnis mit den Jahren – um es höflich auszudrücken – beim besten Willen ein wenig nachgibt.

Das Problem für die „Nachwelt“ entsteht jedoch durch die Autoren und bei anderen oft hoch angesehenen Schreibern, die leider ohne die geringste Überprüfung oder Faktenkontrolle dessen, was sie bei Interviews mit
Zeitgenossen aufgezeichnet oder niedergeschrieben haben, weitergeben!

Der Mercedes Nr.41 nach 1914

Es gibt zwei, drei Varianten über das Ausscheiden des von Von Théodore Pilette gefahrenen Mercedes-Wagens Nr. 41 aus dem ACF-Rennen vom 4. Juli: die erste besagt, dass das Getriebe den Geist aufgegeben hatte, die zweite spricht von einem Bruch der Antriebswelle, und die dritte von einer Landung im Graben, deren Ursache aber durchaus der Bruch der Antriebswelle gewesen sein kann. Diese Angaben sind zwar nicht präzise, beziehen sich aber auf denselben allgemeinen mechanischen Bereich.

Verärgert waren schon am Unfalltag die Journalisten, die von der Rennleitung nichts über die Ursache des Missgeschicks erfahren konnten. Die Ursachen eines  Ausscheidens oder Unfalls wurden damals im offiziellen Rennbericht einfach nicht vermerkt, höchstens wenn es Tote gab. Vielleicht gab es auch eine stille Vereinbarung zwischen der Rennleitung und den Herstellern der Wagen, der Konkurrenz nicht die Schwachstellen der eigenen Fahrzeuge bekanntzugeben…

Was aber auf alle Fälle zählte, damals wohl wie heute auch, das waren die Siegerwagen. Seien wir mal ehrlich, uns ginge es heute nicht anders: was Bedeutung hat, das sind die siegreichen Wagen und deren Fahrer. Das weitere Schicksal am Ende des Rennens der anderen Autos war nicht, und ist nicht von besonderem Belang. Das kommt frühestens 10 Jahre später auf, und das macht dann die Nachforschung so schwierig, aber auch so interessant…

Es gibt Quellen, die besagen, dass der Wagen Nr. 41 nach Brüssel ging und in der Mercedes-Niederlassung von Monsieur Pilette ausgestellt wurde. Laut Mercedes-Benz Archiv gibt es jedoch keinerlei Beweise dafür, dass dies jemals geschehen ist, noch war der Wagen jemals für eine Ausstellung in Brüssel vorgesehen.

Hingegen gibt es Belege dafür, dass der Wagen direkt von Lyon nach Untertürkheim ging, und dass er im Juli 1914 wieder im Werk in Untertürkheim stand.

Frisch mit den von Mercedes lange Zeit als unnötig verachteten Vorderradbremsen ausgerüstet, nahm er dann 1922 als einer der Werkswagen an der „Targa Florio“ in Sizilien teil.

Nach Angaben des Mercedes-Archivs erhielt der von Théodore Pilette in Lyon gefahrene Wagen Nr. 41 nach seiner Rückkehr nach Stuttgart ebenfalls einen nagelneuen Motor, der ursprünglich in den für Herrn Barthel in Dresden bestimmten Neubau eingebaut werden sollte. Dafür erhielt Herr Barthel den reparierten Motor des Wagens Nr. 41.

Nachdem der Wagen in mehreren Niederlassungen ausgestellt worden war, und mehrere Verkaufsversuche erfolglos verliefen, wurde er im Werk mit einem größeren Kühler und Vorderradbremsen ausgestattet und nahm mit der Startnummer 43 und Otto Salzer am Steuer an der Targa Florio 1922 teil.

Später wurden die Motoren wieder getauscht, der „Pilette-Motor“ wurde mit einem Kompressor ausgestattet, und 1924 in ein derzeitiges Targa-Florio-Chassis eingebaut. Der Wagen, jetzt liebevoll „Oma“ genannt, hatte mit Otto Salzer und Rudolf Caracciola am Steuer weitere diverse Erfolge. Auch der heute wenig bekannte Mercedes-Werksfahrer Adolf Rosenberger war mit diesem Wagen erfolgreich, bevor der Wagen einer Privatperson verkauft wurde. Dieser unbenannte Käufer benutzte den Wagen, bis er ihn 1937 verschrotten ließ.

Soweit die endgültige Dokumentation, enthalten im Archiv des Konzerns

Wie bereits beschrieben, hatte seinerzeit Philip Mann nachweisen können, dass sein restaurierter Mercedes GP-Wagen der tatsächliche Wagen Nr. 28, also der Siegerwagen von Christian Lautenschlager war, und nicht der noch heute im Mercedes-Museum ausgestellte Wagen (siehe hierzu der Artikel im Mercedes-Benz OldtimerTicker). Daraufhin hatte Daimler-Benz nach der Authentifizierung des Wagens Herrn Mann schriftlich bekundet, dass der im Stuttgarter Museum ausgestellte und als Siegerwagen des Grand Prix ACF ausgewiesene 4,5L 115 PS GP-Wagen im Museum in der Tat ein Hybrid sei, der aus zwei der 4,5L GP-Wagen besteht.

Heute wird ebenfalls davon ausgegangen, dass große Teile von Pilette’s Wagen plus Teile eines anderen nicht identifizierten, 1914 GP-Wagen zu diesem Hybrid zusammengebaut wurde.

Nun stellt sich allerdings heraus, dass diese Behauptung letztlich irreführend ist: Der im Mercedes-Museum ausgestellte 4,5-Liter-GP-Wagen mit 115 PS ist – nachweislich anhand der ID-Nummern – der „Siebte Wagen“, der 1919 für Herrn Barthel in Dresden gebaut wurde, ausgestattet mit dem brandneuen Motor, der ebenfalls 1919 für den Wagen hergestellt wurde. Es handelt sich also nicht um einen Hybrid, sondern um einen 1919 aus Original-Ersatzteilen neu gebauten Wagen.

Gegenstand dieses Berichtes ist es, möglichst nur belegbare und so akkurate Informationen wie möglich mitzuteilen, auch wenn das bedeutet, dass „Schwarze Löcher“, soll heißen, unbeantwortete Zeiträume, zurückbleiben, und leider einige Ungereimtheiten weiterhin bestehen bleiben werden und leider einige Ungereimtheiten weiterhin bestehen bleiben werden.

Und dies betrifft ebenfalls die Geschichte des Reserve- bzw. Mercedes-Ersatzwagen Nr. 41BIS, gefahren von Alfred Vischer.

Der Mercedes Nr. 41BIS nach 1914

Alfred Vischer, Sohn des ehemaligen DMG-Vorstandsmitglieds Gustav Vischer, war bei der DMG nicht als Rennfahrer, sondern als Ingenieur angestellt, weshalb man seinen Namen mit Rennen im Allgemeinen nicht in Verbindung bringt. Er war jedoch „hinter den Kulissen“ beschäftigt. Zum Beispiel mit der Vorbereitung des Grand-Prix de l’ACF 1914, d.h. mit der genauesten Vermessung der Rennstrecke, (und dafür mag er wohl u.a. den Reservewagen benutzt haben).

In einem Artikel über die 15 Regalkilometer des Unternehmensarchivs schrieb der Journalist B. Bessinger in der „Zeit Online“ vom 14.April 2017: „Für den Großen Preis von Frankreich 1914 in Lyon zum Beispiel schickte Daimler den Ingenieur Alfred Vischer Monate vor dem Rennen zur Begutachtung des Straßenkurses ins Nachbarland. Vischer machte seine Arbeit sehr gründlich, vermaß mit dem Winkelmesser jede Steigung und jede Kurve und kam mit einem mehrseitigen Protokoll samt Dutzender Skizzen mit Schaltpunkten und Tempoberechnungen zurück.“ Diese Dokumente, mit Millionen anderer, befinden sich im Mercedes-Archiv, ebenso der Winkelmesser, bzw. Theodolit, der von A. Vischer benutzt wurde, und anlässlich des 50. Jubiläums des Rennens 1964, von der Vischer Familie dem Archiv vermacht wurde.

So viel zu einem kleinen Teil der Tätigkeit von A. Vischer bei Daimler.

In einem von ihm geschriebenen Buch über das Rennen beschreibt der jetzige Eigentümer des erstangekommenen „GP de l’ACF“ Mercedes Nr. 28, George Wingard aus Oregon, die akribischen Vorbereitungen vor dem Rennen, und zeigt – minus das aufliegende Messgerät – das Foto der Skizze eines Abschnitts der Strecke in Lyon. Nur: ein Bild soll die Skizze von Alfred Vischer, das andere die deckungsgleiche Skizze, diesmal aber von Max Sailer gezeichnet, zeigen. Nun kann ich mir wirklich nicht vorstellen, dass die Herren Bessinger von der seriösen „Zeit Online“, noch der als äußerst präzise geltende George Wingard aus Oregon, um über die Urheberschaft des Dokuments zu entscheiden, die Namen einfach so aus einem Hut gezogen hätten.

Folglich muss beiden der Autor der Skizze vom Mercedes-Archiv mitgeteilt worden sein… So unzuverlässig können selbst offizielle Quellen manchmal sein!

Unter den oben erwähnten Dokumenten im Archiv befindet sich noch ein Bericht von Alfred Vischer datiert vom 26. Januar 1914 über seine vor Ort gemachten Feststellungen der Eigenschaften der Rennstrecke von Lyon und ihre Auswirkungen auf die Mercedes GP-Fahrzeuge. (Seite 1 dieses Berichts ist in diesem Bericht in verkleinerter Form abgebildet).

In einem Artikel in der „Motor Revue“ aus dem Jahr 1964, verfasst vom Chefredakteur Heinz-Ulrich Wieselmann, gibt der Autor, der zu der Zeit auch Chefredakteur der Zeitschrift „auto, motor und sport“ war, an, dass die vorhandenen Skizzen von Max Sailer angefertigt wurden.

Was ist richtig? Was ist falsch? Die richtige Antwort ist überraschend einfach: es stellt sich heraus, dass Herr Vischer Anfang Januar 1914 zur Rennstrecke von Lyon fuhr und begann, die Strecke und ihre Eigenschaften zu vermessen, und seinen Bericht darüber am 26. Januar 1914 mit der ermutigenden Bemerkung abschloss: „…Wenn dies erreicht wird, sollte bei geschickter Führung des Wagens Aussicht auf Sieg vorhanden sein.“

Was die Zeichnungen der Strecken und die Anmerkungen auf den Skizzen betrifft, so wurden sie in der Tat höchstwahrscheinlich von Max Sailer angefertigt, als er zu Ostern zu den Testfahrten nach Lyon fuhr.

All dies macht das Rätsel um die Geschichte eines Fahrzeugs nicht einfacher, so dass wir oft entweder mit falschen Angaben, Verwirrung oder Informationslücken konfrontiert werden.

Für den Werdegang von Wagen Nr. 41Bis [„Bis“ steht für „ein zweites Mal“, „wiederholt“] habe ich mich für die verbleibenden Informationslücken entscheiden müssen.

Lückenlos die absolut genaue Geschichte dieses GP-Mercedes darzustellen, ist m.E. also beim jetzigen Stand der Erkenntnis nicht möglich.  Jemand hat sogar in der Vergangenheit die Theorie aufgestellt, dass es sich bei den beiden Wagen Nr. 41 und 41Bis um das gleiche Fahrzeug handelt. Das „BIS“ sei vor dem Rennen weggewischt worden, und aus dem 41BIS wurde 41.

Wegwischen? In der Praxis quasi unmöglich, denn bei der Nummer 41 steht die ‚4‘ auf der einen, die ‚1‘ auf der anderen Seite des Kühlers. Beim Wagen 41Bis, ist die „4“ auf der einen Seite, die ‚1‘ genau in der Mitte des Kühlers, und das „Bis“ ganz auf der anderen Seite angestrichen. Also, ein Wegwischen wäre weder einfach, noch sauber gewesen…aber auffällig auf alle Fälle…


Major Veal, Peter Clark, Philip Mann und die anderen…

Nach dem Rennen 1914 führte der Wagen Nr. 41BIS, also der „Ersatzwagen“, ein bewegtes und teilweise undurchsichtiges Dasein. Angeblich wollte ein Major Veal den Wagen kaufen, als er im Juli 1914 im Mercedes-Ausstellungsraum in Long Acre ausgestellt war. Wir wissen jedoch, dass es sich nicht um den „Ersatzwagen“ handelte, sondern um den Siegerwagen Nr. 28, der da im Londoner Ausstellungsraum stand. Es heißt, er habe eine Anzahlung geleistet, um den Kauf zu sichern… Dann erfahren wir, dass er seine Anzahlung verfallen ließ. Die mögliche Erklärung dafür ist, dass er einberufen wurde, und den Kauf nicht mehr rechtzeitig abschließen konnte, bevor er an die Front musste…

Nach Angaben des Mercedes-Archivs ist die Geschichte etwas anders: Der Wagen wurde im Juli 1914 an einen Mr. Harrison, ein Angestellter der Botschaft der Vereinigten Staaten in Rom, verkauft und hatte danach eine Reihe von Besitzern in den USA.

Die Geschichte geht weiter mit einem Amerikaner namens Harrison, der seinen neu erworbenen Mercedes-Rennwagen, ex-41BIS, 1919 in die USA schickt, wo er umgerüstet wird. 1922 kehrt der Wagen jedoch nach Großbritannien zurück, um den Motor zu reparieren und einige nicht näher spezifizierte Änderungen
vorzunehmen. Dies ist etwas überraschend, wenn man bedenkt, dass die gleichen Arbeiten auch in den Vereinigten Staaten hätten durchgeführt werden können. Interessanterweise wird die Geschichte, dass der Wagen angeblich von diesem Herrn Harrison in die USA gebracht wurde, nur um innerhalb von drei Jahren nach England zurückzukehren und dort zu bleiben, von den meisten Forschern ernsthaft bezweifelt.

Auf jeden Fall kehrt der Rennwagen – falls er denn England überhaupt jemals verlassen haben sollte – aus  welchen Gründen auch immer nicht in die USA zurück, und soll bis 1925 versteckt oder unter einer Plane gelagert geblieben sein, als Major Veal, offensichtlich wieder in London, ihn wiederentdeckt haben soll. Dies ist jedenfalls die eine Geschichte.

Aber: es gibt noch eine andere…

Edward Mayer, der berühmte britische Sammler und „Kunde des Jahrhunderts“, erinnert sich an die folgende, etwas anders klingende Geschichte. Ihm zufolge befanden sich zwei ACF-GP-Mercedes 115 PS-Rennwagen in
London: der Siegerwagen Nr. 28 im Ausstellungsraum von Long Acre; der andere war der Ersatzwagen Nr. 41BIS, der einem Mr. Harrington, einem New Yorker, gehörte. Laut Edward Mayer wurde dieser Wagen 41BIS Harrington „nach dem Krieg“ verkauft.

Harrington, Harrison, hat sich Mr. Mayer nur falsch an den Namen erinnert?

In seinen Memoiren berichtet Edward Mayer, den Wagen gefahren zu haben: „Ich hatte diesen Wagen eine Zeitlang, und fand, dass er in vielerlei Hinsicht ein wirklich bemerkenswertes Auto war“, eine Aussage, die bedeuten kann, dass er das Auto möglicherweise gefahren haben mag, aber entgegen seiner üblichen Gewohnheit, bleibt seine Erklärung recht vage, und es wird an keiner Stelle ausdrücklich gesagt, dass Edward Mayer, wie einige Quellen spekulierten, das Auto jemals gekauft oder besessen hätte.

Ich hatte 1986 in Nizza für einige Tage einen Mercedes 190E. Hatte ich ihn gekauft? Nein. Hatte ich ihn besessen? Nein. Aber auch ich hatte diesen Wagen eine Zeitlang, und fand, dass er ihn in vielerlei Hinsicht ein wirklich bemerkenswertes Auto war. (Und das stimmt übrigens auch – ich hätte den 190E am liebsten behalten!)

Es gibt viele Bilder, auf denen Edward Mayer stolz am Steuer der Mercedes-Fahrzeuge sitzt, die er besaß. Seltsamerweise habe ich nirgends eins gesehen, auf dem er am Steuer des 4,5-Liter-ACF-GP mit 115 PS sitzt, ein Auto, von dem er offensichtlich beeindruckt war. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich mich natürlich auch in diesem Auto fotografieren lassen!

Zurück ins Jahr 1925: Major R.M.S. Veal ist zurück in London, entdeckt den Wagen „41Bis“ wieder und kauft ihn auf der Stelle. Der Wagen sieht nicht mehr genauso aus wie anno 1914, denn der Besitzer bis 1925 – also wohl Mr. Harrison – hat den GP-Wagen in einen zweisitzigen Tourer mit Licht, Bremsen usw. umbauen lassen. Major Veal behält den Mercedes 41BIS bis irgendwann im Jahr 1927, als er beschließt, dass er zu alt für ein so starkes Auto sei, und den 41BIS einzulagern. Einige Zeit später soll der Wagen an einen Bekannten von Major Veal, einem Captain G. Fane, verkauft worden sein, der den Wagen bis 1932 benutzt, und dann den Mercedes in einem Schuppen abstellt. Dort muss der Wagen bis 1939 geblieben sein, als er in den Besitz eines Peter Clark überging, der anscheinend davon überzeugt war, dass dieses Auto tatsächlich der siegreiche Mercedes Nr. 28 war! [Er konnte auch aus gutem Grund annehmen, er hätte den Siegerwagen von 1914, denn niemand konnte wissen, dass der echte Nr. 28 nicht verschollen, sondern im Schuppen von Kapitän G. Fane in Kelvedon untergebracht war, und zwar bis Philip Mann ihn dort 1961 fand (siehe diesbezüglich Teil 2 der „Grand Prix de l’A.C.F. 1914“- Artikels)]. Peter Clark machte sich daran, den Wagen zu restaurieren und brachte ihn mit Hilfe einer Replika-Karosserie wieder in den Zustand des Grand-Prix 1914, eine Aufgabe, die er offenbar einige Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs abschloss. Nach einigen Auftritten mit dem Wagen bei VSCC-Treffen und Rallyes verkaufte er den Wagen 1950 – oder 1952, wie andere Quellen berichten – an Briggs S. Cunningham.

Der Verkauf des damals als einzig überlebend geltenden Mercedes 1914 GP-Wagens in die USA sorgte für Aufruhr unter britischen Oldtimersammlern.

Briggs S. Cunningham II, ein bekannter Unternehmer, Meistersegler (er gewann 1958 mit der Yacht „Columbia“ den prestigeträchtigen „America Cup“), Sportwagenbauer und auf beiden Seiten des Atlantiks angesehener Rennfahrer aus Florida, nimmt den Wagen in seine Privatsammlung auf. Er beschließt Anfang der Sechziger Jahren für seine Automobilsammlung ein Museum zu bauen.

Anfang Februar 1966 wird das „Briggs Cunningham Automotive Museum“ fertig. Es wurde am 5. Februar 1966 mit einer Gala für 650 geladene Gäste eingeweiht. Die Gala-Gäste dinierten bei:
Salade d’endive – Sebring,
Chateaubriand – Le Mans,
Tamale-Pastete – Spa,
Zucchini à la rembourrage – Monza,
Petit pain – Montlhéry,
Cerises jubilé – Watkins Glen,
und: Café – Mille Miglia,
Anschließend tanzten die Gäste zur Musik von Stan Kenton’s Jazz Band. Das Museum wurde am 8. Februar 1966 für das Publikum eröffnet und zwanzig Jahre später, am 31. Dezember 1986, bereits wieder geschlossen. Die Einnahmen des Museums entsprachen aber nie den Ausgaben, und schließlich beschlossen Briggs und Laura, einen seiner wertvollsten Besitztümer, den Bugatti Royale mit Kellner-Karosserie (der 1983 bereits auf 8.000.000,00 USD geschätzt wurde), zu verkaufen, weil sie hofften, dass der Verkauf das Museum zumindest für den Rest von Briggs‘ Lebenszeit am Laufen halten würde.

Zufälligerweise war der einzige Interessent, der zunächst nur den Bugatti Royale und die von Cunningham hergestellten Autos kaufen wollte, Miles C. Collier, der Sohn von C. Miles Collier und der Neffe von Barron Jr. und Sam Collier, die seit der College-Zeit eng mit Briggs Cunningham befreundet waren und ihn vor Jahren in den Sportwagenrennsport eingeführt hatten. Schließlich kaufte Miles Collier die gesamte Autosammlung und fügte sie 1987 seiner Miles C. Collier-Sammlung hinzu.

Heute, 2023, sind sowohl die Miles C. Collier-Sammlung als auch die Briggs S. Cunningham-Sammlung – einschließlich des Mercedes-Rennwagens des „Grand Prix de l’ACF 1914“, Nr.41 BIS – im „Revs Institute“ in Naples, Florida, untergebracht.

Nebenbei bemerkt ist das „Revs Institute“ eine Non-Profit-Organisation, die nicht nur ein Automuseum ist, sondern, wie es in ihrem Geschäftsauftrag heißt: „Ein führender Aufbewahrungsort für historische Automobilarchive, Fotos und Artefakte“.Der „Siebte GP-Wagen“

Bei der Schilderung, über dem was mit Salzers Wagen (Nr.39) nach dem Grand Prix de Lyon 1914 geschah, hatte ich bereits erwähnt, dass Herr Barthel aus Sachsen 1919 einen fabrikneuen GP-Rennwagen 1914 aus vorhandenen Ersatzteilen erhielt.

Dieser Wagen wurde für ihn gebaut, da der ursprüngliche Wagen Nr.39, der von Otto Salzer gefahren wurde, und den Herr Barthel gekauft hatte, von der DMG aus dem Verkauf genommen bzw. der Verkauf von der Firma storniert wurde. Trotzdem kaufte die DMG diesen speziell angefertigten „siebten GP-Wagen von 1914“ im Jahre 1921 zurück. Dann wurde er, ähnlich wie der Pilette-Wagen, mit einem größeren Kühler und Vorderradbremsen ausgestattet und von C. Lautenschlager am Steuer bei der Mille Miglia 1922 gefahren.

1924 nahm der Wagen als Begleitfahrzeug an der Targa-Florio „Expedition“ teil, womit wohl die Fahrt von Stuttgart nach Sizilien gemeint war, und wurde – mit Alfred Neubauer am Steuer – in die Nähe von Rom überführt. Dort gewann er, mit Conte Giovanni Bonmartini am Steuer, das „Criterium di Roma“-Bergrennen, das 1926 in „Corsa della Merluzza“ umbenannt wurde , und am 14. Juli, wieder am Steuer des GP-Mercedes, wurde der Conte Zweiter bei der „Coppa Tito Acerbo“, auch als „Coppa Acerbo“ bekannt (später in „Pescara Grand Prix“ umbenannt)…

Danach kehrte der Wagen zur DMG nach Stuttgart-Untertürkheim zurück, und seitdem ist der „siebte 1914 Grand Prix-Wagen“ Teil der Fahrzeugsammlung von Mercedes-Benz Classic.

Aus unbekannten Gründen erhielt er schließlich 1924 wieder den umgebauten Motor, der zwischenzeitlich in den Pilette-Wagen eingebaut worden war. Dies ist die Geschichte des Grand-Prix de l’ACF 1914, die bis zum letzten Satz teils rätselhaft und faszinierend blieb.

Es war ein ziemliches Unterfangen, aber ein lohnendes.

Ich würde etwas versäumen, wenn ich nicht all jenen danken würde, die ihr Wissen zu diesem Bericht beigesteuert haben. Ich möchte insbesondere Herrn Gerhard Heidbrink, Herrn George Wingard und Herrn Martin Schröder danken, nicht zu vergessen die anderen, die zu bescheiden sind, um namentlich erwähnt zu werden… 


Der Mercedes 4,5 Liter 115 PS Grand Prix de l’ACF 1914 (Circuit de Lyon) in Maßstab 1:43

So denkwürdig dieses letzte Rennen vor dem Ersten Weltkrieg in Lyon für Mercedes auch war, mit seinem dreifachen Sieg, so hat es doch nicht die Aufmerksamkeit der Modellbauer auf sich gezogen, im Gegensatz zu den Mercedes-Wagen des berühmten Grand Prix von Frankreich 1908 in Dieppe, die ebenfalls 1-2-3 ins Ziel kamen.

Folglich sind Modelle des Rennens von 1914 recht selten, viel seltener als Modelle des GP-Rennens von 1908. Im Wesentlichen wurden die Modelle, die im Allgemeinen von Kleinstherstellern produziert wurden, vor etwa fünfzig Jahren in Handarbeit und in recht geringen Stückzahlen hergestellt, und meist als Bausätze verkauft.

Diese Modelle hatten weder den „Vorteil“ einer genauen Dokumentation noch den von Vermessungen, oder gar CAD, so dass es sich nach heutigen Maßstäben um recht einfache Bausätze handelte, die viel Reinigung, Spachtelung, Feilen, kurzum: Nacharbeit benötigten. Manchmal sind sie noch bei den Herstellern erhältlich. In einigen Fällen waren die Modelle montiert und fertiggestellt erhältlich, leider waren die Ergebnisse nur unwesentlich besser als die der Bausätze.

Tatsächlich gab es meines Wissens in den letzten 40 Jahren kein einziges Mercedes 4,5-Liter-Rennwagenmodell von 1914 in anständiger Qualität, weder in Massenproduktion noch in irgendeiner Kleinserie von irgendeinem Hersteller.

Hier nun die Modelle, die hergestellt wurden, zumindest die, von denen ich weiß.

Dies sind zwei 1:43 Bausätze von John Day aus Groß-Britannien, die von zwei verschiedenen Sammlern zusammengebaut wurden.

 

1:43 Modell von MCM-Queens (Frankreich)

 

Alle Modelle auf dieser Seite von M.A. Scale Models aus Costa Mesa Kalifornien (USA). Zurüstteile (z.B. Leitungen usw) bestehen bei MA-Bausätzen alle aus Decal.


Quellennachweis: Gallica.bnf.fr/Bibliothèque Nationale de France ; Gallica.bnf.fr/Musée Air France ; The
Automobile, Chicago (June 3, 1915) ; L’Auto-vélo (April 1914, July 1914, May 1918) ; The Autocar (May 1913, Jun 1928) ; Motor Sport (Oct 1940, Oct 1941, June 1970, Dec 1970, June 1972, May 1982) ; Antique Automobile (June 1952) ; “The Gazette” , the British Mercedes-Benz Club (June/July 1962) ; “Kompressor Heft”, Mercedes Kompressor Club (Nr. 23/2013) ; “L’Arte della guida”-Fundatione Negri ; “Mercedes – Lautenschlager & De Palma” by George F. Wingard; Die Zeit/Zeit Online (Apr.14 2017). Ministère des Armées (République Française) – Centre Historique des Archives ; Targapedia; Mercedes-Benz; Wikipedia. Photos : Bibliothèque Nationale de France ; Agence Rol ; Agence Meurisse ; Alamy ; Revs Institute ; public domain.).