Der Weg ist das Ziel 3 – Mit dem W123 zum Nordkap

von Stefan Röhrig aus dem W123 Magazin Ausgabe 3/2017

Den ersten Teil dieses Reiseberichtes finden Sie unter dem 22.11.2017 oder einfach HIER klicken, der zweite Teil ist am 29.11.2017 erschienen und hier DIREKT-KLICKEN.

8. Tag

Beim Frühstück treffen wir einen Deutschen, der uns erzählt, dass er bereits seit mehreren Monaten in Narvik lebt. Er arbeitet als Servicemechaniker für Maschinen zur Eisenerzverladung. Allerdings hatte er die letzten drei Wochen nichts zu tun, da kein Schiff den Hafen angelaufen ist. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich die Gegend anzuschauen. Er hat auch Skilaufen gelernt; die komplett ausgeleuchtete Skipiste des ca. 800 Meter hohen Hausbergs hatten wir bereits Gestern Abend bei unserem Rundgang gesehen. Der Skilift startet direkt hinter dem Hotel. Von dem jungen Mann erfahren wir, dass die Norweger den Winter als viel zu warm und schneearm empfinden.

Wir fahren über tiefverschneite Straßen entlang des Ofodfjord. Dann geht es über eine Höhe zum Tysfjord, den wir mit einer Fähre überqueren müssen. Das kleine Schiff legt in Skarberget ab und bringt uns in 30 Minuten nach Bognes. Außer uns sind nur noch ein PKW und ein Sattelschlepper an Bord. 

Mit der Fähre geht es von Skarberget nach Bognes

Das Ticket für PKW und zwei Personen beträgt 136 NOK (ca. 15 EUR). Übrigens hatten wir im Vorfeld keinerlei Fähren gebucht. Diese verkehren meistens in kurzen Intervallen, und im Winter ist die Gefahr der Überbuchung nicht vorhanden. Die kleine Seereise ist wunderschön und könnte eigentlich viel länger dauern. Schroffe, eisbedeckte Berge umschließen den Fjord; die Sonne scheint und das Wasser ist ruhig. In Bognes sind wir ruckzuck von der Fähre und ziehen weiter Richtung Süden. Wie in den Tagen zuvor wechselt die Strecke zwischen Passagen entlang des Meers und gebirgigen Abschnitten. Der Baumbestand wird dichter, und heute ist es deutlich wärmer. Teilweise liegen die Temperaturen auf den Küstenabschnitten bis 5 Grad über Null, sodass die Straßen dort schneefrei sind. Wir durchfahren viele Tunnel. (Bild 2384: Die E6 führt immer wieder durch Tunnel) Vor denen habe ich großen Respekt, da man durch den abrupten Wechsel zwischen dem gleißenden Licht außerhalb und der tiefen Schwärze innerhalb der Röhren einen Moment blind ist. Dazu kommt, dass viele dieser Röhren eine maximale Höhe von 4,20 Metern haben (in Deutschland sind 4,40 Meter Standard), sodass die LKW bei maximaler Höhe von 4,00 Metern in der Mitte dieser Tunnel fahren müssen, um nicht anzustoßen. Wir erleben auch einige der für Norwegen so typischen Hochebenen, der Fjells. Hier unterscheidet sich das Wetter extrem von der teilweise nur wenige Kilometer entfernten Küstenregion. Die Temperaturen sind eisig, und oft weht ein starker Wind, der für heftige Schneeverwehungen sorgt. Wir sind froh über die orangenen Begrenzungsstangen links und rechts der Straße, die uns immer wieder Orientierung geben.

Am Nachmittag führt die Straße für eine lange Zeit durch den wilden Canyon des Fluss Lonselva. Die Felsen links der Straße sind mit riesigen Eiszapfen bedeckt, die aussehen, wie ein zugefrorener Wasserfall. Die vielen Stromschnellen des Flusses sind teilweise zugefroren, sodass sich das Wasser bizarre Wege durch Eis und Felsen bahnt. Die Straße windet sich bis auf knapp 700 Metern Höhe hoch und mündet auf dem Saltfjell. Der Fjell bis hin zur nahen schwedischen Grenze ist ein Nationalpark. Mitten durch diese Hochebene verläuft der Polarkreis. Wir machen am Hinweisschild halt, um einer alten Sitte entsprechend einen Stein auf eine der vielen Steinpyramiden zu legen. Damit soll bekundet werden, dass man an diesen Ort wiederkehren wird. Allerdings wird das Rudy und mir nicht vergönnt sein, denn der Schnee ist so hoch, dass wir das etwas abseits der Straße liegende, vollkommen eingeschneite „Arctic Circle Center“ und die in der Nähe befindlichen Steinhaufen nicht erreichen können. 

Das Arctic Circle Center ist bis ans Dach eingeschneit

Weiter geht es von der kargen, eisigen Hochebene runter ans Meer, zum Ziel des heutigen Tages: Mo i Rana am Ranfjord. Wir kommen in einem modernen, großzügigem Hotel unter, welches sogar nicht zu dieser Stadt passt. In dem riesigen Haus sind wir die einzigen Gäste!

Bisher zurückgelegte Strecke: 4.940  km

9. Tag

Auch heute legen wir unsere Abfahrt wieder auf 9:00 Uhr. Es geht landeinwärts bis Steinkjer. Die Straße ist äußerst kurvenreich und wellig. Kein Problem für uns, da der Mercedes mit längeren und stärkeren Federn ausgerüstet ist und somit eine höhere Bodenfreiheit hat. Die Strecke ist teilweise monoton, die sicherlich interessantere Route als Alternative zur E6 ist die RV17. Diese zieht sich noch enger an der Küste entlang und passiert viele Sehenswürdigkeiten. Allerdings muss man mehrfach die Fähre benutzen, was mit unserem Terminplan nicht in Einklang zu bringen ist. Vor Steinkjer geht die Strecke dann an dem großen Snasavatnet See entlang. Jetzt haben wir zur Abwechslung mal 40 Kilometer lang das Wasser auf der linken Seite des Fahrzeugs. Nach Steinkjer fahren wir entlang des Trondheim-Fjord bis zur gleichnamigen Stadt. Trondheim ist die drittgrößte Stadt des Landes. Wir haben ein kleines Stadthotel gebucht, welches sehr zentral gelegen ist. So können wir in aller Ruhe den malerischen Stadtkern erkunden. Vor allem der Nidaros-Dom mit seiner interessanten gotischen Fassade ist absolut sehenswert. 

Die Fassade des Doms von Trondheim

Bisher zurückgelegte Strecke: 5.430  km

10. Tag

Da wir heute einen längeren Abschnitt vor uns haben, starten wir bereits um 7:00 Uhr. Es geht von nun an weg von der Küste landeinwärts Richtung Oslo. Die Sonne scheint und es wird schnell relativ warm, so um die 5 Grad. Die Straßen bleiben den ganzen Tag schneefrei. Der Verkehr ist nach wie vor spärlich, sodass wir gut vorankommen. Die Anzahl der Radarfallen wird häufiger. Es gibt mehrere Varianten: Die normale Geschwindigkeitskontrolle, oder zwei Blitzer hintereinander, dann Durchschnittsgeschwindigkeits-überprüfung über eine längere Strecke und natürlich die gefährlichsten, die mobilen Kontrollen. Wir haben einen Heidenrespekt davor, erwischt zu werden, denn die Strafen sind im Verhältnis zu Deutschland drakonisch. 

Eine der vielen Radarfallen in Norwegen

Kurz vor Lillehammer ist die Straße dann zur Autobahn ausgebaut. Teilweise sind die Straßen, aber auch Brücken mautpflichtig. Ich hatte vor Reisebeginn einen AutoPASS-Chip bestellt (gebührenfrei). Dieser wird an der Windschutzscheibe befestigt und an den Maut-Stationen automatisch erfasst. Ein kurzer Signalton aus dem Chip bestätigt die Erkennung der jeweiligen Maut-Station. Das System ist in allen skandinavischen Ländern gültig. Eine praktische Angelegenheit; man merkt während des Fahrens so gut wie nichts und wird nirgendwo aufgehalten. Ein weiterer Vorteil: Man ärgert sich nur einmal, nämlich beim Rechnungserhalt ein paar Tage nach Reiseende. Wir haben insgesamt für Norwegen ca. 53 EUR, für Schweden ca. 95 EUR bezahlt.

Die Olympiastadt Lillehammer präsentiert sich wenig spektakulär. Die Landschaft ist relativ eintönig, es liegt kaum Schnee. Im Vorbeifahren wirkt der Ort auf keinen Fall so, als böte er sich für Wintersport an. Bei dem nächsten Tankstopp gönnen wir dem 280 E eine ordentliche Wäsche. Er hat es dringend nötig. Der dick verklebte Schmutz lässt sich nur mit längerem Einsatz eines Dampfstrahlers richtig lösen. Aber danach sieht der Benz wieder schick aus. 

Nach der Wäsche sieht er wieder gut aus

Vor Oslo nimmt der Straßenverkehr zu. Die E6 ist Teil des Autobahnrings rund um die Hauptstadt, und prompt stehen wir das erste Mal seit Stockholm im Stau. Vielleicht liegt es auch am Berufsverkehr, der nun um ca. 16:30 einsetzt. Um 18:00 Uhr überqueren wir die Grenze nach Schweden. Wir müssen nun noch über 1 Stunde fahren, bis wir unser Nachtquartier erreichen. Es ist ein sehr hübsches Bed & Breakfast in dem kleinen Fischerort Grebbestad, ca. auf halbem Weg zwischen Oslo und Göteborg. Wir sind ziemlich müde und suchen ein Restaurant, um in Ruhe etwas zu essen. Alle drei vorhandenen Lokale haben geschlossen, außerhalb der Sommersaison ist hier nichts los. So enden wir in einer Dönerstube, in der wir auch noch prompt die einzigen Gäste sind. Leider ist auch die Qualität des Döners (zubereitet von einem Serben) nicht besonders. Als Trost wollen wir eine gute Flasche Rotwein im nahegelegenen Supermarkt kaufen, koste es was es wolle. Aber auch das bleibt uns verwehrt, da wir lernen, dass Alkoholisches nur in speziellen Läden mit begrenzter Öffnungszeit gehandelt werden darf. Ein wenig frustriert machen wir uns auf den Weg in die Unterkunft.

Bisher zurückgelegte Strecke: 6.147  km

11. Tag

Da wir am Vorabend nur ein karges Essen bekommen haben, hauen wir beim Frühstück ordentlich rein. Wir sitzen in einem gemütlichen Salon mit alten Möbeln und einer Menge Angler-Trophäen. In ganz Skandinavien scheint Angeln beliebt zu sein, sehr wahrscheinlich da es praktisch überall Gelegenheiten dazu gibt. Auch in diesem Haus waren wir fast die einzigen Gäste; nur eine ältere Dame hat hier auf einer Geschäftsreise einen Zwischenstopp eingelegt. 

Rosenhill Bed & Breakfast in Grebbestad

Generell kommen Rudy und ich überein, dass wir mit unseren Unterkünften Glück gehabt haben. Wir haben zwischen 80 und 100 EUR pro Nacht bezahlt, fast immer inklusive Frühstück. Dabei ist zu bedenken, dass in Skandinavien alle Preise deutlich über denen in Deutschland liegen und dass das Angebot an Unterkünften im Winter begrenzt ist.

Wir wollen jetzt möglichst zügig Richtung Heimat. Es geht weiterhin über die E6 entlang der Ostsee. Schon bald ist Göteborg erreicht. Von hier gäbe es eine Fährverbindung nach Fredrikshavn (DK), aber aus zeitlichen Gründen entscheiden wir uns, wie auf der Hinfahrt die Strecke über Malmö und den Öresund nach Kopenhagen zu nehmen. Wir haben durchweg schönes Wetter mit blauem Himmel und angenehmen Temperaturen, der Benz schnurrt ohne jegliches Problem mit den vorgeschriebenen 110 – 120 km/h über die Autobahn. Bald haben wir den Öresund über die Brücke und durch den Tunnel über- bzw. unterquert und sehen die Skyline von Kopenhagen. Nach weiteren 2 Stunden stehen wir im Hafen von Rodby, wo wir zügig auf die Fähre eingewiesen werden. Die Überfahrt gibt uns gute Gelegenheit, etwas auszuruhen. Dann geht es noch weitere knapp 300 Kilometer bis Bremen, wo wir in einem Hotel in der Nähe der Autobahn übernachten.

Bisher zurückgelegte Strecke: 7.051  km

12. Tag

Der letzte Tag bricht an. Wir befinden uns in Deutschland ja auf bekanntem Terrain, über das es nicht viel zu berichten gibt. Wir fahren immer so um die 140 km/h (sofern es erlaubt ist), was für den 280 E eine sehr angenehme Geschwindigkeit ist, bei der sich auch der Verbrauch in vernünftigen Grenzen hält. Rudy und ich haben Zeit, über unsere Reise zu resümieren. Wir kommen überein, dass man die Fahrt auch in 8 Tagen hätte durchführen können. Dann müsste man natürlich auf jeden unnötigen Zwischenstopp verzichten und die tägliche Fahrzeiten auf 10 bis 12 Stunden verlängern. Die Route zurück über Norwegen ist, wenn auch etwas länger als über Schweden, auf jeden Fall lohnenswert gewesen. Mit unserem Reisetermin Anfang bis Mitte März lagen wir, was die Lichtverhältnisse betraf, durchaus richtig. Allerdings hätten wir uns vielleicht etwas mehr Winter gewünscht. Teilweise lagen die Temperaturen doch unerwartet hoch, sodass sich nur selten ein „Explorer-Feeling“ einstellte. Die Reise hat mit allem Drum und Dran – Übernachtung, Essen, Tanken, Maut, Fähren – fast genau 3.000 EUR gekostet. Einziges Einsparpotential wären die Übernachtungen, was aber im Winter kaum möglich sein dürfte, es sein denn, man möchte im Fahrzeug schlafen.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Wesseling. Hier setze ich Rudy bei Verwandten ab, und damit geht unsere gemeinsame Reise zu Ende. Wir trinken im Garten bei frühlingshaften Temperaturen gemeinsam einen letzten Kaffee – einen von so vielen auf der Tour. Dann geht es ans Abschiednehmen, aber „Männer weinen nicht“. Wir versichern uns gegenseitig, dass wir gute Partner waren, und dass wir uns Gedanken machen werden, wohin die nächste Reise gehen soll. 

Hier trennen sich die Wege von Rudy und mir

Dann mache ich  mich auf die letzte Etappe in Richtung Heimat. Diese letzten 370 Kilometer sitze ich locker ab, und um 17:30 Uhr erreiche ich Weinstadt.

Gesamt zurückgelegte Strecke:  7.752 km


Wir danken Herrn Stefan Röhrig und dem MB W123 Club Deutschland e.V. für die Zurverfügungstellung dieses tollen Artikels und der sagenhaften Bilder.

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