111. Geburtstag Manfred von Brauchitsch
„Vier Runden vor Schluss sehe ich – wie man das immer macht als routinierter Fahrer – mal nach rechts, mal nach links auf die Hinterräder“, erinnert sich Manfred von Brauchitsch an den Großen Preis 1935 auf dem Nürburgring. „Ich seh da lauter weiße Punkte!“ Das bedeutet: Der Gummibelag ist abgefahren, die Leinwand schimmert durch. Doch von Brauchitsch fährt weiter, er führt vor Tazio Nuvolari. „Plötzlich haut’s mir doch mit einem Riesenknall den linken Hinterreifen um die Ohren“, erzählt von Brauchitsch. Dennoch gibt er das Rennen nicht auf. Auch als der zweite Hinterreifen platzt, hält er seinen Mercedes W 25 auf blanken Felgen auf der Piste. „Ich kam dann doch immerhin noch als Fünfter ins Ziel.“
Manfred von Brauchitsch, der als Draufgänger gilt, wird am 15. August 1905 in Hamburg geboren. Die Familie hat für ihn eine Militär-Laufbahn vorgesehen: Sein Vater ist Oberst, ein Groß- und ein Urgroßvater waren Generäle der kaiserlichen Armee. Nach dem Abitur tritt Manfred in die Reichswehr ein. Doch nach einem schweren Motorrad-Unfall muss er 1928 den Dienst quittieren. Ein Jahr später macht er den Auto-Führerschein, startet beim Gaisberg-Rennen in Salzburg – und gewinnt. 1932 schafft von Brauchitsch auf der Avus in Berlin den Durchbruch: Er gewinnt in einem Mercedes „SSKL“ vor dem Alfa-Romeo-Fahrer Rudolf Caracciola, dem Michael Schumacher von damals. Der Sieg öffnet Türen: Von 1933 bis 1939 ist von Brauchitsch Mercedes-Werksfahrer. Beim Eifelrennen 1934 holt er den ersten Sieg mit einem „Silberpfeil“ – zur Freude von Adolf Hitler, der den Rennsport mit Staatsgeldern unterstützt. Von Brauchitsch ist dankbar: „Mein Führer“, ruft er bei der Eröffnung der Automobil-Ausstellung 1936 in Berlin, „wir geloben Ihnen, alles daranzusetzen, um wieder die stolzen Fahnen des Dritten Reiches auf den Rennbahnen Europas als Siegeszeichen sehen zu lassen.“ Von Brauchitsch wird Sturmführer im NS-Kraftfahrer-Korps, später Panzerbeauftragter im Rüstungsministerium Albert Speers.
Nach dem Zweiten Weltkrieg vollzieht von Brauchitsch eine politische Kehrtwende: Er unterzeichnet einen SED-Aufruf „gegen eine Remilitarisierung Deutschlands“ und wird 1951 Mitorganisator der kommunistischen Weltjugendspiele. Sein Buch „Kampf um Meter und Sekunden“ erscheint in einem Ost-Berliner Verlag. Das Honorar dafür lässt DDR-Staatschef Walter Ulbricht in Westwährung auszahlen. Von Brauchitsch, der in Starnberg lebt, gerät unter Druck der westlichen Justiz: Zweimal wird er wegen des Verdachts auf Hochverrat festgenommen. 1955 setzt er sich in die DDR ab: „Ich wollte mich nicht ein drittes Mal einsperren lassen, weil ich für die Einheit meines Vaterlands war“, sagt er später. Er sei immer Patriot gewesen, auch in den 30 Jahren als hoher DDR-Sportfunktionär. Manfred von Brauchitsch stirbt am 5. Februar 2003 im thüringischen Gräfenwarth.