■Eine Sportversion gibt es auf Wunsch ab Werk
■Zeichen setzt der 190 SL mit Dieselantrieb und Rekorden
Der 190 SL (W 121) ist von Anfang an vom Werk als Touren-Sportwagen konzipiert. Dem Drängen des amerikanischen Importeurs Maximilian Hoffman nachgebend, sieht man für Clubsport-Veranstaltungen die Möglichkeiten vor, durch leichtere Türen ohne Scheiben sowie kleine Scheiben anstelle der großen Windschutzscheibe wie auch das Entfernen von Stoßstangen und Verdeck das Fahrzeug für sportliche Veranstaltungen leichter und damit attraktiv zu machen.
Schwierigkeiten ergeben sich von Beginn an wegen der Homologation nach den Sportgesetzen dieser Fahrzeuge, da laut den Vorschriften der Féderation Internationale de l’Automobile (FIA) als Grand-Tourisme-Fahrzeuge nur solche anerkannt werden, die vollständig geschlossen werden können. Da das bei zwei kleinen Sportscheiben und den erleichterten Türen ohne Scheiben nicht der Fall ist, wird der 190 SL in dieser Version als Seriensportwagen eingestuft. Gegen Fahrzeuge wie einen Porsche Spyder oder Maserati 200 S hat er natürlich nie den Anschein einer Chance. Dasselbe gilt für ihn in der Normalausführung, die von der FIA als Grand-Tourisme-Fahrzeug eingestuft wird. Hier attestiert Rennleiter Alfred Neubauer 1956 in einer Übersicht dem 190 SL bei internationaler Beteiligung keinerlei Chance. Einer achtbaren Rundenzeit von 11 Minuten und 58 Sekunden auf der Nordschleife des Nürburgrings, gefahren von Arthur Mischke auf dem 190 SL, steht beispielsweise eine Zeit von 11 Minuten und 1,8 Sekunden auf dem Porsche Carrera gegenüber, gefahren von Schulze.
Trotzdem gelingt 1956 auf dem 190 SL ein Rennsieg gegen so illustre Gegner wie Ferrari Mondial, Bristol Warrior, Jaguar XK 140 mit Aluminium-Karosserie sowie zwei Austin Healey in Le-Mans-Ausführung. Anlass ist der Große Preis von Macao, an dem auch 1956 wieder die rührige Mercedes-Benz Vertretung Zung Fu Company Ltd. aus Hongkong mit einem 190 SL gemeldet hat. Treibende Kraft ist der rennsportbegeisterte Geschäftsführer W. M. Sulke. Sulke hatte sich von der Untertürkheimer Versuchsabteilung zwei Motoren präparieren lassen und sich entsprechende Fahrwerkteile wie Federn, Stabilisatoren sowie Stoßdämpfer besorgt und einen 190 SL in seinen Werkstätten entsprechend auf das Rennen vorbereiten lassen. Sulke bestätigt 1979 Winfried Seidel, Betreiber des Automuseums Dr. Carl Benz in Ladenburg, der sich so einen 190 SL nachbaut: „Bezüglich der 190-SL-Geschichte hatten wir damals in der Tat zwei Fahrzeuge im Renneinsatz. Beide wurden von uns umfassend modifziert, die Motoren erhielten im Werk einige Aufmerksamkeit.“ („Regarding to the history of the 190 SL, we in fact had two 190 SL’s racing at the time. Both were largely modified here although the engines received some attention at the factory.“) Die Mühe lohnt: Doug Steane beendet als Sieger das Regenrennen mit zweieinhalb Runden Vorsprung vor dem Ferrari Mondial.
Im gleichen Jahr gewinnt beim Großen Preis von Casablanca der Mercedes-Benz Generalvertreter Joseph F. Weckerlé die Grand-Tourisme-Klasse bis 2000 Kubikzentimeter.
Der Mercedes-Benz 190 SL und Dieselrekorde
Eine besondere und wenig bekannte Tatsache sind die mit dem 190 SL in den Jahren 1959 und 1961 gefahrenen Diesel-Weltrekorde. 1959 unternehmen die zwei aus dem Rallyesport bekannten Teams Nathan/von Zedlitz sowie Kögel/Gastell Versuche, Diesel-Langstreckenrekorde zu brechen. Große Chancen sehen sie darin, den 24-Stunden-Weltrekord in der Klasse bis 3 Liter Hubraum zu unterbieten. Als günstige Karosserie haben sie sich für dieses Vorhaben den 190 SL auserkoren. Zum einen, weil sich hier ohne große Umbaumaßnahmen der Ottomotor durch einen in den Abmessungen und den Aufnahmen identischen Dieselmotor austauschen lässt. Zum anderen, weil der 190 SL von seinem cW-Wert her günstige Voraussetzungen bietet. Um Gewicht zu sparen, wird nicht mit dem Hardtop, sondern mit dem Stoffdach gefahren. Als Rekordstrecke wird der Hockenheimring ausgewählt. Dies ist damals noch die alte Strecke mit der relativ langsamen Stadtkurve am Hockenheimer Friedhof. Vor diesem Hintergrund ist der erreichte Durchschnitt von 124,1 km/h besonders beachtenswert. Als Motor wird ein 2 Liter großer OM 621 verwendet, der, um in der Hubraum-Klasse bis 3 Liter gewertet zu werden, auf 2032 Kubikzentimeter aufgebohrt wird und eine Leistung von 60 PS (44 kW) erreicht.
1961 unternimmt im Herbst der Heilbronner Mercedes-Benz Vertreter Walter Assenheimer mit dem damals bekannten Rallyefahrer Hans Hölder Rekordversuche in der Dieselklasse bis 2 Liter und bis 3 Liter Hubraum. Für die Klasse bis 2 Liter Hubraum ist der Dieselmotor OM 621 auf 65 PS (48 kW) bei 4700/min gebracht. Das Fahrzeug wird radikal erleichtert. Entfernt werden Dach, Windschutzscheibe, Stoßstangen, Radkappen und der Mercedes-Stern im Kühlergrill. Die kleine Windschutzscheibe vor dem Fahrer ist halbrund gebogen und weit herumgezogen. Der Beifahrersitz wird mit einem Blech abgedeckt. Acht Rekorde werden gebrochen, wobei die höchste Geschwindigkeit von 150,6 km/h über die Meile mit fliegendem Start erreicht wird. Die übrigen Rekorde sehen wie folgt aus:
1 Kilometer mit stehendem Start: 98,6 km/h 1 Meile (= 1.609,30 m) mit stehendem Start: 111,7 km/h
1 Kilometer mit fliegendem Start: 150,0 km/h 1 Meile mit fliegendem Start: 150,6 km/h
5 Kilometer mit fliegendem Start: 142,3 km/h 5 Meilen (= 8.046,50 m) mit fliegendem Start: 136,2 km/h
10 Kilometer mit fliegendem Start: 137,5 km/h 10 Meilen (= 16.093,00 m) mit fliegendem Start: 134,9 km/h
Für die Rekorde der Klasse bis 3 Liter Hubraum bauen die Rekordbrecher einen Motor mit einem Hubraum von 2035 Kubikzentimetern ein. Damit sind sie zwar langsamer als mit dem kleineren 2-Liter-Motor, aber immer noch schneller als das zwei Jahre zuvor gefahrene Rekordteam, das ebenfalls den 190 SL als Basis benutzt hatte. Somit gelingt es, auch diese Rekorde zu brechen.