Vor 25 Jahren erteilt Mercedes-Benz der Welt des Motorsports eine ganz besondere Lektion in Evolutions-Lehre. Der auf der Kompaktklasse W 201 basierende Rennsport-Tourenwagen AMG-Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II dominiert überdeutlich die Saison 1992 der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM): An zwölf Renntagen mit insgesamt 24 Läufen erringen die Fahrer der Marke mit dem Stern 16 Siege, 17 zweite Plätze und 13 dritte Plätze. Klaus Ludwig wird Deutscher Tourenwagen-Meister, und AMG-Mercedes holt die Konstrukteursmeisterschaft 1992. Mercedes-Benz Rennfahrer Roland Asch erreicht die Vizemeisterschaft, sein Markenkollege Bernd Schneider kommt auf Platz 3. Ellen Lohr gewinnt am 24. Mai 1992 den ersten Lauf auf dem Hockenheimring. Es ist der erste und bis heute einzige DTM-Sieg einer Rennfahrerin.
Die DTM-Erfolge für den von den Fans kurz „EVO II“ genannten Rennsport-Tourenwagen wollen 1992 kaum abreißen: Bereits beim Auftaktrennen in Zolder am 5. April (Bergischer Löwe) gewinnt Mercedes-Benz Rennfahrer Kurt Thiim beide Läufe. Es folgen Siege von Roland Asch (19. April, Eifelrennen auf dem Nürburgring), Jörg van Ommen und Keke Rosberg (3. Mai, Flugplatzrennen Wunstorf), Bernd Schneider (10. Mai, AVUS-Rennen) sowie Ellen Lohr und Roland Asch (24. Mai, Rennsport-Festival auf dem Hockenheimring).
Beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring erzielt dann Klaus Ludwig am 18. Juni 1992 seine beiden ersten Siege der Saison. Im Flugplatzrennen Diepholz am 16. August wiederholt der von seinen Fans als „König Ludwig“ verehrte Rennfahrer den Doppelsieg. Mit zwei Siegen von Bernd Schneider im ADAC-Preis Singen am 6. September sowie je einem Sieg für Schneider und Ludwig im Großen Preis der Tourenwagen auf dem Nürburgring am 20. September geht die für Mercedes-Benz überragende Saison zu Ende.
Schon 1992 wird zum Höhepunkt
Das DTM-Jahr 1992 markiert auch einen ersten Höhepunkt in der Zusammenarbeit zwischen der Stuttgarter Marke und dem auf die sportliche Optimierung von Mercedes-Benz Automobilen spezialisierten Unternehmen AMG: Seit 1986 startet AMG mit Rennsport-Tourenwagen auf Basis des W 201 in der DTM. 1988 beginnt die direkte Kooperation zwischen dem Automobilhersteller und seinem 1967 als „Ingenieurbüro – Konstruktion und Versuch zur Entwicklung von Rennmotoren“ gegründeten Partner. In einem kontinuierlichen Evolutionsprozess entsteht so eine ganze Familie erfolgreicher Rennsport-Tourenwagen des W 201. Aus dem 1988 gegründeten DTM-Team geht das heutige Mercedes-AMG DTM Team hervor, das alle sechs Mercedes-AMG C 63 DTM Wettbewerbsfahrzeuge der aktuellen Deutschen Tourenwagen-Masters einsetzt. Seit dem Start des Engagements in der DTM hat Mercedes-AMG Motorsport mehr als 400 Rennen in DTM und ITC bestritten. Mercedes-AMG ist heute als Performance-Marke eine hundertprozentige Tochter der Daimler AG.
Dass Klaus Ludwig 1992 durch seinen Doppelsieg auf dem Nürburgring mit voller Geschwindigkeit in Richtung DTM-Meisterschaft durchstartet, passt zur Geschichte seines Rennsport-Tourenwagens. Denn die erste Hochleistungsversion des W 201 hat auf der legendären Rennstrecke in der Eifel schon 1984 einen glänzenden Auftritt: Für das offizielle Eröffnungsrennen des neuen Nürburgrings am 12. Mai 1984 stellt Mercedes-Benz 20 identische Fahrzeuge vom Typ 190 E 2.3-16 bereit. Das neue, betont sportliche Modell der Kompaktklasse hat wenige Tage zuvor auf dem neu gestalteten Kurs seine Presse-Fahrvorstellung absolviert. Am Start sind 20 ehemalige Nürburgring-Sieger, die entweder beim Großen Preis von Deutschland oder beim 1.000-Kilometer-Rennen Erfolge für sich erzielt haben. Die Liste ihrer Namen liest sich wie ein „Who’s Who des Motorsports“: Unter anderem nehmen Jack Brabham, Hans Herrmann, Phil Hill, Denis Hulme, James Hunt, Alan Jones, Niki Lauda, Klaus Ludwig, Stirling Moss, Alain Prost, Keke Rosberg, Jody Scheckter, Ayrton Senna und John Surtees teil. Eingesetzt werden in technischer und optischer Hinsicht weitgehend seriennahe 190 E 2.3-16. Das Eröffnungsrennen gewinnt der damals 24-jährige Ayrton Senna, der sich bereits als großes Nachwuchstalent der Formel 1 einen Namen gemacht hat.
1985 erhält der 190 E 2.3-16 die Homologation („ Übereinstimmung“: festgelegtes Reglement, wonach ein Fahrzeug für Rennwettbewerbe in Mindeststückzahl gebaut sein muss, um in eine bestimmte Wettbewerbskategorie eingestuft zu werden) für die Rennen der Gruppen A und N. Besonders wichtig für Mercedes-Benz wird dabei die internationale Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft. Mit dem bis zu 188 kW (255 PS) starken 190 E 2.3-16 nehmen zunächst 1986 einige Privatteams, darunter auch AMG, in der Gruppe-A-Meisterschaft teil. 1988 treten gleich fünf Mannschaften mit Werksunterstützung von Mercedes-Benz in der DTM an. Diese Saison, in der sich Mercedes-Benz auch als Werksteam in der Gruppe C engagiert, markiert endgültig den Wiedereinstieg der Stuttgarter Marke in den Rennsport.
Auf Basis des Mercedes-Benz 190 E 2.3-16 entsteht für die Saison 1989 der 190 E 2.5-16 Evolution als Hochleistungsvariante, die auf den Einsatz in der DTM ausgerichtet ist. Der 2,5-Liter-Sechzehnventilmotor leistet bis zu 243 kW (330 PS). Zur Gewichtsreduzierung werden unter anderem Karosserieteile wie Motorhaube, Kofferraumdeckel und Spoiler aus extrem reiß- und zugfestem Kunstfaserwerkstoff ausgeführt. 1990 folgt der AMG-Mercedes Rennsport-Tourenwagen 190 E 2.5-16 Evolution II, dessen Motor nun 274 kW (373 PS) leistet. Aus Gründen der Homologation werden – wie schon vom ersten Evolution-Typ — wieder 502 Exemplare des Fahrzeugs im Mercedes-Benz Werk Bremen in Kleinserie gebaut. Während AMG die Optimierung und Ausstattung der Rennsportwagen übernimmt, gehen die restlichen Fahrzeuge als sportliche Hochleistungslimousinen in den freien Verkauf. Sie zählen heute zu den besonders begehrten Youngtimern der Marke aus der Epoche der 1980er- und 1990er-Jahre.