280 SE W 116, EZ 14.4.1975, Ex-Kennzeichen AC-EY-10 jetzt ZH 692094 – 2. Teil der Geschichte von A(achen) bis Z(ürich)

Zum ersten Mal bringen wir an dieser Stelle einen zweiten Teil einer Geschichte ohne den ersten Teil bei uns veröffentlicht zu haben… aber wie der Autor selbst schreibt:


von Dr. Udo Adrian Essers

Nachdem die Geschichte unseres astralsilbernen 280 SE mit olivgrünen Velourspolstern und grüngetöntem, wärmedämmendem Glas in den Artikeln:

  1. „Mein erster Mercedes“ im Küsnachter Jahrheft 2008 S. 39-41, „Besondere Fahrzeuge: Heute Udo Adrian Essers Mercedes-Benz Seit der Kindheit ein Freund“, im Tages-Anzeiger v. 18.3.09, S. 58
  2. „Mein erster Mercedes“ im PontonKurier 1|2009 S. 44 – 45, „Unser 280 SE – eine Geschichte von A wie Aachen bis Z wie Zürich“
  3. Auf der Homepage des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart unter http://www.mercedes-benz-clubs.com
  4. „Eine Geschichte von A wie Aachen bis Z wie Zürich“ Fortsetzung 1. Teil Ein wackrer Schwabe forcht sich nun mal nit“ im PontonKurier 2|2013 S. 91
  5. „Mein erster Mercedes“ in den Benzheimer Flosskeln Nr. 96, S. 64 – 67

veröffentlicht worden ist, erfährt die Geschichte unseres 280 SE eine wunderbare zweite Fortsetzung: Im Mai 2019 wurde unser wackrer Schwabe beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich als Veteran vorgeführt. Mit neuen Reifen, neuen Bremsbacken und Stossdämpfern absolvierte er vom Technischen her nach 44 Jahren die Prüfung problemlos.

Trotzdem unser 280 SE über Jahrzehnte immer wieder von Karosserie- und Lackspezialisten behandelt und gepflegt wurde, machte der Prüfer beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich für die Aufrechterhaltung des Veteranenstatus die Auflage des Rostentfernens bis zur nächsten Prüfung im Jahre 2025 (dann wird unser 280 SE 50 Jahre alt sein). Unser Garagist in der Nähe von Zürich, der nur Mercedes zwischen 1945 und 1990 bearbeitet und unsere S-Klasse seit Herbst 2016 betreut, empfahl einen Karosserie- und Lackierspezialisten aus Zürich. Seit Mitte Mai 2019 hat er unseren 280 SE entrostet, gepflegt und neulackiert. Heute nun wurde unsere S-Klasse zu uns zurückgebracht.

Ich erlaube mir, Ihnen im Anhang die Fortsetzung des Geschichte unseres wackeren Schwaben: Unser 280 SE – eine Geschichte von A wie Aachen bis Z wie Zürich Fortsetzung 2. Teil: „Udo, wir fahren zu Fuss“ mit einigen Photos zuzusendern und freuec mich, wenn Sie diese in Ihrem Magazin veröffentlichen.

Ich verbleibe mit besten Grüssen

Dr. Udo Adrian Essers


Unser 280 SE – eine Geschichte von A wie Aachen bis Z wie Zürich Fortsetzung 2. Teil: „Udo, wir fahren zu Fuss“

„Udo wir fahren zu Fuss“, diesen Satz sagte unser Vater immer wieder in den Jahren 1981 – 1984 zu mir, als ich ca. 13 bis 17 Jahre alt war. Unser Vater hatte einen Mandanten, die Tuchfabrik Gebrüder Fuss oHG in Aachen. Öfters fuhren wir sonntagmorgens „zu Fuss“. Zuerst durfte ich auf dem Firmengelände von Fuss, danach auf dem ca. 30’000 m2 grossen Privatgelände mit unserem 280 SE fahren: Der Firmenchef machte uns jeweils höchstpersönlich das Firmentor bzw. das Tor zu seinem Privatanwesen auf. Während unser Vater sich mit dem Firmenchef unterhielt, lernte ich unseren 280 SE bis auf 40 Km/h zu beschleunigen und auf den am Hang gelegenen Grundstücken den 280 SE fast auf der Stelle zu wenden. Nur eine einzige Bedingung stellte unser Vater mir: Ausser unserer Mutter und meiner Schwester durfte niemand wissen, dass ich auf den Grundstücken von Fuss Auto fahren lerne; die Tuchfabrik am Bach am Rande von Aachen produzierte auch des sonntags, und an dem Privatanwesen mit 30’000 m2 Parkgrundstück, Tennisplatz, Fischteich, einem Haus mit 800 m2 bebauter Grundfläche und 140 m2 Hallenschwimmbad war Königin Silvia von Schweden als Käuferin interessiert.

Seit Herbst 2016 wird unser 280 SE von einem Spezialisten in der Nähe von Zürich gepflegt, der sich nur mit Mercedes der Baujahre 1945 – 1990 beschäftigt.

Kurz vor Weihnachten 2018 erhielt ich vom Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich die Vorladung zur periodischen sechsjährigen Veteranen-Fahrzeugprüfung unseres 280 SE für Mai 2019. Mit neuen Bremsscheiben, Reifen und vorsichtshalber neuen Stossdämpfern (die alten 44 Jahre alten Stossdämpfer hätten die Veteranenprüfung beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich bestanden!) hat der 280 SE am Dienstag, 14. Mai 2019 bestanden. Trotzdem unser 280 SE über Jahrzehnte immer wieder von Karosserie- und Lackspezialisten behandelt und gepflegt wurde, verfügte der Prüfer beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich zur Aufrechterhaltung seines Veteranenstatus als Auflage für die nächste Veteranenprüfung im Jahre 2025 (dann wird unser 280 SE 50 Jahre alt) die Entfernung verschiedener Roststellen. Diese Auflage betraf diverse Lackschäden an Türen, Schiebedach und diverse angerostete Stellen am Unterboden.

Nun ist bereits im Mercedes-Benz Classic-Magazin 1|2004 auf S. 70 und 71 im Artikel „Erste Wahl“ vermerkt: „Ewig fährt am längsten: Sein Vater hat den 280 SE gekauft, Udo Adrian Essers will ihn für immer behalten – wie er es sich als siebenjähriger Mercedes-Enthusiast geschworen hat“, und: „’Mir ist, als wäre er ein alter Freund, von dem ich mich nie trennen möchte’, sagt Udo Adrian Essers über seinen 280 SE. Der perfekte Zustand der S-Klasse lässt die Idee vom Langzeit-Auto realistisch erscheinen“.

Als unser Garagist mir diese Auflage des Rostentfernens mitteilte, stand ich vor der Entscheidung, entweder noch sechs Jahre mit unserer S-Klasse zu fahren, und mich dann von ihr zu trennen, oder mein altes Versprechen unserem 280 SE gegenüber (das auch im Küsnachter Jahrheft 2008 S. 41, im PontonKurier 1|2009 auf S. 45, im Tages-Anzeiger aus Zürich vom 18. März 2009, S. 58, im Artikel „Besondere Fahrzeuge: Heute Udo Adrian Essers Mercedes-Benz Seit der Kindheit ein Freund“, und auch in den Benzheimer Flosskeln Nr. 96, S. 64 publiziert ist), einzuhalten und zu erfüllen.

Auf Empfehlung unsers Garagisten kam am nächsten Morgen ein Spengler-Spezialist aus Zürich zu ihm, mit dem er seit Jahrzehnten zusammenarbeitet und der sich auf das Entrosten von Oldtimern spezialisiert hat. Wir schauten uns unsere wackeren Schwaben an und vereinbarten die vom Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich beanstandeten Stellen instand zustellen. Als Zeitraum für die Fertigstellung wurde etwa August/September 2019 vereinbart.

Seit Herbst 1984 wurde unsere S-Klasse sowohl in Aachen als auch in der Schweiz immer wieder von Karosserie- und Lackspezialisten gepflegt und bearbeitet. Über diverse Roststellen wurde – nach der damaligen Philosophie und Arbeitsweise – einfach sieben Bleche geschweisst und dann lackiert. Sämtliche Rechnungen über die aus unserer Sicht sehr gut durchgeführten Arbeiten habe ich noch in meiner Sammlung.

Bei den Arbeiten an unserem 280 SE stellte der Zürcher Spengler-Spezialist immer mehr Stellen fest, die einer sorgfältigen und liebevollen Behandlung bedurften, so unter anderem das Schiebedach, der linke vordere Kotflügel und die Motorhaube. Im Juni 2019 gab es eine Besichtigung des 280 SE in Zürich, bei der mir unser Autospengler die zu behebenden Stellen zeigten und erklärten. Zu guter Letzt wurde unserem 280 SE auch eine neue Ganzlackierung in der Mercedes-Benz Originalfarbe astralsilbern 735 spendiert. Nach geduldigem Warten und zugegebenermassen auch manchem Zittern um unseren wackeren Schwaben erhielt ich am Dienstag, 10.3.20 von unserem Garagisten den Anruf, unser 280 SE stünde fertig wieder bei ihm. Am nächsten Morgen gegen 6.00 Uhr war ich bei ihm, und zusammen mit dem Autospengler schauten wir uns die silberne S-Klasse an. Unser Garagist sagte: „Schauen Sie, wie er lächelt“ und meinte, dass es wohl kaum ein Exemplar der Baureihe W 116 in diesem ausgezeichneten Zustand gebe.

Es wären noch so viele Geschichten über unseren 280 SE und andere Exemplare der Baureihe W 116 zu erzählen:

Über das Wochenende des 1./2. Februar 1975 fuhr unser Vater den Vorführwagen der Baureihe W 116 280 SE mit dem Kennzeichen AC-C 778 in astralsilbermetallic mit olivgrünen Velourspolstern. Unsere Eltern führten uns beide Kinder zum Zeugnisessen auf Schloss Friesenrath in der Nähe von Aachen aus. Auf der Rückfahrt nach Hause fuhr unser Vater auf der Autobahn A 4 Richtung Holland den Wagen mit Höchstgeschwindigkeit. Am Dienstag, 4. Februar 1975 war Herr Meuthen von Daimler-Benz in unserem Wohnzimmer Am Weyenberg in Laurensberg und wir besprachen die Ausstattungsdetails. Der Fahrzeug-Benutzungsvertrag, die handschriftliche Aufstellung von Herrn Meuthen ist, wie die maschinenschriftliche Bestellung, die Bereitstellungsanzeige, die Empfangsbestätigung meines Vaters, die Rechnung sowie die Quittung und viele andere Dokumente mehr in unserer Familiensammlung erhalten.

Der damalige Sozius unseres Vaters fuhr 1975 einen 280 SE 3,5 in ikonengold. Am Samstag, 12.4.1975, einen Tag nach der Abholung in Stuttgart, fuhr unser Vater noch mit dem roten Überführungskennzeichen BB 04203 in sein Büro. Da sein Sozius auch in Aachen-Laurensberg wohnte, begegneten sich unser 280 SE „frisch ab Werk“ und der 280 SE 3,5 des Sozius im Süsterfeld in Aachen-Laurensberg. Am Montag, 14.4.75 bat der Sozius unseren Vater zum Gespräch und bat, die Sozietät aufzulösen. Welch’ ein riesengrosses Glück: Der Sozius verstarb 1981 an einem Herzinfarkt. Hätte die Sozietät zu diesem Zeitpunkt noch bestanden, hätte unser Vater der Witwe des Sozius eine sehr hohe lebenslängliche Rente zahlen müssen.

Im Artikel „Deutschland von oben“ in der ZEIT vom 13.10.2005, S. 17 – 20 steht über die S-Klasse W 116 der 70-er Jahre von Mercedes-Benz: „… wie die Söhne und Töchter des Baulöwen [Herbert Hillebrand] morgens vom Chauffeur – natürlich im schweren Benz – zur Schule gebracht wurden. …“. Dieses Bild zeigte sich ca. 1978 – 1981 am Einhard-Gymnasium in Aachen/Deutschland: Tatsächlich wurden die Kinder Scarlett, Svenja, Kathrin und Serge im milanbraunen 280 SE mit beigen Velourspolstern, Leichtmetallfelgen und belgischem Kennzeichen vom Chauffeur von Château Jean-Mesnil in Lambermont bei Verviers in Belgien zum Einhard-Gymnasium in Aachen gebracht. Auf dem unteren Parkplatz unserer Schule an der Malmedyerstr. In Aachen standen desöfteren der milanbraune 280 SE mit beigen Velourspolstern und belgischem Kennzeichen und dahinter unser 280 SE in silbermetallic, grünen Velourspolstern, wärmedämmendem Glas und dem Kennzeichen AC – EY 10, den unsere Mutter fuhr.

In den Herbstferien 1981 fuhren wir mit dem 280 SE über Luxemburg in die Provence. Kurz zuvor (am 31. Juli 1981 um 13.15 Uhr) wurde der 300 Meter hohe RTL-Sendeturm Düdelingen (nach dem offiziellen Namen der Stadt auch als Sender Dudelange bezeichnet) von einem belgischen Militärflugzeug getroffen. Obwohl dieser Sendeturm nicht mehr funktionierte, bekam ich auf unserem Radio Becker Europa auf der Durchreise durch das Grossherzogtum Luxemburg über Kurzwelle und das kleine „L“ auf der Radioskala den Radiosender Radio Tele Luxemburg RTL. Da in unserem Elternhaus vor allem klassische Musik gehört wurde, lernte ich auf dieser Reise durch das Grossherzogtum Luxemburg im Herbst 1981 das Lied „I have a dream“ von Abba kennen, das über die vier Lautsprecher unseres Becker Europa erlang. Seitdem gehört „I have a dream“ zu unserem 280 SE.

Unseren 280 SE durfte ich immer wieder fahren: Sei es 1978 in den England-Ferien auf einem Feldweg auf dem Schoss unseres  Vaters, in unserer privaten, abschüssigen Garageneinfahrt in die Garage oder aus ihr heraus (aber nur bis zur Grenze unseres Kopfsteinpflasters und damit der Grenze unseres Privateigentums, auf keinen Fall aber auf unserer öffentlichen Privatsrasse Am Weyenberg) oder, nachdem ich den Führerschein hatte, zum Reiten, zum Tennisspielen, immer wieder Samstags zur Schule, und sogar für Ferien in Österreich.

Die wohl netteste Geschichte um die S-Klasse W 116 trug sich vermutlich ca. 1978 an einer Autobahnraststätte in Norditalien zu: Mercedes-Benz Vorstandsausflug mit sechs silbernen S-Klassen W 116 (den Silberpfeilen). Die S-Klasse-Chauffeure warteten mit ihren Kostbarkeiten. Neben ihnen jammerte eine Frau: „Wie kommen wir jetzt bloss nach Frankfurt, wie kommen wir jetzt bloss nach Frankfurt? – Das schaffen wir doch nie?“ Der Fahrer des Vorstandsvorsitzenden ging zu der Dame und bot an, sie im 450 SEL 6,9, dem „Heiligtum“ seines Chefs, nach Frankfurt zu chauffieren. Seine Fahrerkollegen meinen: „Du spinnst, das erlaubt der Chef nie!“ Seine Antwort: Doch!“ Und so konnten Vico Torriani und seine Frau in der Klasse im Eiltempo nach Frankfurt „schweben“!

Küsnacht ZH, 17.3.20, Dr. Udo Adrian Essers