von Helmut Baaden / MBIG / MVC
Die Geschichte des 220er Motors ( M180 )und dessen Ableger
Der M 180 war für damalige Verhältnisse ein ausgesprochener Hochleistungsmotor. Die »hochgezüchtete« Maschine gab bei 4.600 Umdrehungen pro Minute 80 PS ab. Kurzfristig durfte sie sogar bis 5.500 U/min. gedreht werden, obwohl sich das leistungsmäßig absolut nicht lohnte. Der vergleichbare 51er Opel Kapitän-Motor holte aus zweieinhalb Liter Hubraum nur 58 PS bei 3.700 U/min. Trotz des hochtourigen Charakters bot der 220 im unteren Drehzahlbereich ein gutes Drehmoment (wenn er auch nicht so extrem elastisch war wie der Kapitän) und auch Zuverlässigkeit und Lebensdauer boten typische Mercedes-Qualität. Der 220 lief in der Höchstgeschwindigkeit sagenhafte 140 km/h. Lediglich sein größerer Bruder 300 und der 1,3-Liter-Porsche waren 1951 schnellere deutsche Fahrzeuge.
1954 wurde der 220er durch den Ponton 220a ersetzt, der eine selbsttragende Karosserie besaß. Durch verschiedene Maßnahmen – wie höhere Verdichtung (jetzt 7,6:1), Nockenwelle mit größerem Öffnungshub, von 30 auf 32 mm vergrößerter Vergaserdurchsatz und angepasster Zündverteiler – leistete der Motor 85 PS bei 4.800 Touren. Der Graugusszylinderkopf wurde durch ein Exemplar aus Leichtmetall ersetzt. Die beiden weitergebauten 220 Cabriolet A und Coupé erhielten ebenfalls ab 1954 den 85 PS-Motor mit Alu-Zylinderkopf. Offiziell wurde von Daimler-Benz eine Höchstdrehzahl von 6.000 U/min angegeben. Neu waren Kolben mit längerem Schaft zur Vermeidung von Kolbenkippern. Sie konnten nachträglich auch im 80-PS-Motor verwendet werden. Der im Hauptstrom liegende Ölfilter erhielt neben dem bisherigen Metallfiltereinsatz zusätzlich eine Patrone aus Papier. Papierfilter halten erheblich mehr Schmutzteilchen zurück und daher konnten die Ölwechselintervalle von 1.500 auf 4.000 km ausgedehnt werden.
1956 gab es den 220 S. Zwei Zweistufenvergaser erhöhten die Motorleistung von 85 auf 100 PS. Diese aufwendige Vergaseranlage brachte in die zweite Stufe erheblich mehr zündfähiges Gemisch in die Zylinder: Trotzdem lief der Motor wegen des kleineren Lufttrichters der ersten Stufe auch im unteren und mittleren Drehzahlbereich erheblich ruhiger und gleichmäßiger und war im Kraftstoffverbrauch obendrein noch sparsamer. Heute lässt sich sagen, dass ein Einvergaser bei einem Sechszylinder technisch keine gute Lösung darstellt. Bis die vom Vergaser weit entfernt liegenden Zylinder eins und sechs genügend Kraftstoff erhalten haben, sind die mittleren bereits überfettet. Dies lässt sich sehr deutlich am Zündkerzenbild sehen.
Durch klopffestere Kraftstoffe konnte 1957 die Verdichtung auf 8,7:1 angehoben werden. Die Motorleistung stieg dadurch beim Einvergaser im 219 auf 90 PS und beim Zweivergaser im 220 S auf 106 PS. Um den Motor thermisch gesund zu halten, wurden ab diesem Zeitpunkt natriumgefüllte Auslassventile eingebaut. Ein Jahr später ging der 220 SE in Serie, ein 220 S mit einem Einspritzmotor. Hierbei handelte es sich um den ersten Einspritzer, der in einer Art Großserie produziert wurde. Der Motor erhielt sein Kraftstoff-Luft-Gemisch von einer Einspritzpumpe mit einem aufwendigen mechanischen Regelsystem. Durch ein zusätzliches Umlenkrad im Motorblock trieb die Duplex-Rollenkette die Zweistempeleinspritzpumpe des M 127 an.
1959 wurden die Ponton-Sechszylinder von den Heckflossen abgelöst. Die Motorleistungen wurden etwas angehoben. Der 220b als Nachfolger des 219 leistete mit zwei Einfachvergasern (endlich) 95 PS. Der 220 Sb erreichte mit der im Durchmesser etwas vergrößerten Zweivergaseranlage 110 PS, der 220 SEb 120 PS. Zur Verringerung von Dampfblasenbildung im Kraftstoffsystem erhielten die Vergasermotoren eine Rücklaufleitung, die die Einspritzer sowieso besaßen. Änderungen gab es am Zylinderkopf. Der Ventilmechanismus wurde vereinfacht und verbessert. Jetzt konnte es nicht mehr passieren, dass sich eine ungenügend angezogene Ventilstellschraube löste, was vorher durchaus öfter vorkam. Alle Motoren erhielten das größere Schwungrad mit der größeren Kupplung. Der 220 SE hatte bereits von Anfang an die größere Kupplung, wohl aber mit dem kleinen Schwungrad. Um ein Durchbrennen der Zylinderkopfdichtung zu vermeiden, wurde sie von 1,5 auf 2 mm verstärkt. Das Kurbelgehäuse wurde um diese 0,5 mm flacher.
Der 230 SL kam 1963. Er hatte einen vom 220 SEb abgeleiteten, stärkeren Motor. Die Leistungserhöhung auf 150 PS bei 5.500 U/min. wurde durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen erreicht. Erstmals seit 1951 wurde der Hubraum vergrößert. Durch Aufbohren von 80 auf 82 mm erreichte man 2.306 ccm, also 2,3 Liter. Der Zylinderkopf wurde »luftiger« gemacht, das heißt, die Kanäle wurden vergrößert. Interessanterweise aber waren die Ein- und Auslassventile nicht größer wie später bei den Typen 230, 230 S und 230/8. Die Erhöhung der Verdichtung auf 9,3:1 wurde nicht nur – wie sonst üblich – durch eine kleinere Brennraumaussparung in der Zylinderkopfdichtung, sondern auch durch 0,4 mm höhere Kolben erzielt. Somit war die Gefahr bei diesem Motor größer, dass ein Einlassventil den Kolbenboden berühren konnte. Bei ungünstigem Zusammentreffen von stark geplantem Zylinderkopf, wenig nachgearbeiteten Ventilsitzen, Stärke der Zylinderkopfdichtung an der unteren Grenze, gelängter Steuerkette und geringem Ventilspiel war ein Motorschaden durchaus kein Einzelfall. Der 230 SL bekam auch eine Sechsstempel-Einspritzpumpe, die im Gegensatz zur Zweistempelpumpe des 220 SEb den Kraftstoff nicht ins Saugrohr, sondern direkt in den Ansaugkanal im Zylinderkopf spritzte. Als erster Mercedes-Motor besaß der 230 SL auch die Ventildrehvorrichtung Rotocap und einen separaten Kühler für das Motorenöl. Spätestens bei einem solch leistungsfähigen Motor, der obendrein hoch drehen musste, um Leistung abzugeben, zeigte es sich, dass ein Sechszylinder mit nur vier Hauptlagern und drei Gegengewichten sehr rau läuft.
Im Sommer 1965 änderte Daimler-Benz das Produktionsprogramm. Aus den 220ern wurden durch größere Bohrung (wie beim 230 SL) die Typen 230 und 230 S. Größere Ventile und eine Verdichtungserhöhung auf 9,0:1 brachten 105 bzw.120 PS. Die Motoren durften jetzt bis auf 6.300 Touren gedreht werden, was durch härtere Ventilfedern erreicht wurde. Der Motor selbst wurde kaum verändert und wurde auch im 230/8 von 1968 bis 1976 lediglich durch Detailänderungen wie eingefräste Schlitze zwischen den Zylindern aktualisiert. Spätestens seit 1965 waren die Mercedes-Motoren keine sogenannten »Bauernmotoren« mehr, die schaltfaul gefahren werden konnten. Durch ständige Leistungserhöhungen über die Drehzahl waren sie unelastisch geworden. Wer Leistung haben wollte, musste die Motoren hoch drehen. Neben 230 und 230 S kamen im Sommer 1965 250 S und 250 SE in einer neuen Karosserie (W 108). Um auf zweieinhalb Liter Hubraum zu kommen, musste eine Kurbelwelle mit längerem Hub her. Mehr als 78,8 mm Hub waren aber nicht drin. Das Ergebnis waren 2.496 ccm. Um einen weicheren Motorlauf zu erreichen, musste die Kurbelwelle siebenfach gelagert und mit acht Gegengewichten versehen werden.
1968 wurden die Zylinder zusammengegossen, und daher war Platz für eine größere Bohrung von 86,5 mm. Das ergab 2.778 ccm, also 2,8 Liter Hubvolumen. Die Vergaserversion M 130 V leistete 140 PS bei 5.200 U/min. Der Einspritzmotor kam auf 160 PS bei 5500 U/min. Zusätzlich gab es noch eine »heißere« Version mit 170 PS bei 5750 U/min. für den 300 SEL und 280 SL, die durch eine schärfere Nockenwelle erreicht wurde. Die Höchstdrehzahl betrug jetzt 6.500 U/min., die Einspritzer waren 9,5 : 1 verdichtet. Die gleichmäßigen, aber sehr engen Zylinderabstände machten durch eingefräste Verbindungsschlitze keinerlei Probleme. Aber der Motor war am Ende seiner Entwicklungsmöglichkeiten angelangt. Der seitlich versetzte Brennraum mag 1951 der neueste Schrei gewesen sein, 1970 sicher nicht mehr. Mehr Leistung, Bleientzug des Kraftstoffs und niedrigere Abgaswerte ließen sich damit nicht mehr verwirklichen. So entwickelte man einen völlig neuen Zylinderkopf mit zwei obenliegenden Nockenwellen. V-förmig hängende Ventile ergaben den gewünschten halbkugelförmigen Brennraum. Der alte Motorblock des M 130 musste dem neuen Zylinderkopf angepasst werden. Sicherheitshalber wurde die Bohrung von 86,5 auf 86 mm zurückgenommen, die siebenfach gelagerte Kurbelwelle wurde mit zwölf Gegengewichten versehen. Der Motor kam Anfang 1971 im 280/280E (W 114) und später im 280 S/SE (W 116). Endlich war es ein Motor, wie man ihn sich in einem Mercedes wünschte. Er lief leise und sehr schwingungsarm. Bei einer Verdichtung von nur 9,0 leistete er in der Vergaserversion 160 PS und als Einspritzer 185 PS bei 5.500 U/min. Die Drehfähigkeit des Motors war selbstzerstörerisch, ein Drehzahlbegrenzer setzte bei 6.800 U/min. die Zündung außer Gefecht. Der M 110 wurde bis Ende 1985 in mehreren 280er-Modellen verwendet, zuletzt im W 107, 123 und 126 sowie im G-Modell. Seit 1984 gab es einen neuen Sechszylinder-Motor, den M 103, der in verschiedenen 260- und 300-Modellen eingebaut wurde. Er hatte mit dem M 110 oder gar M 180 nichts mehr gemeinsam und übertrifft ihn in allen Disziplinen deutlich. Mittlerweile sind Reihensechszylindermotoren in den Mercedes-Benz-PKW gänzlich Vergangenheit.