Der Oldtimer-Markt der Zukunft?

von Linus Mast Artikel aus der MVC-Depesche 3/2019

Der Oldtimer-Markt in Deutschland ist von bedeutender ökonomischer Relevanz

Pflegen, Schrauben, Restaurieren – das Hobby des Oldtimer-Sammlers ist eines zum Anpacken und keines zum Entspannen. Doch der Markt für klassische Automobile hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt und ökonomische Verschiebungen haben weitreichende Folgen für den milliardenschweren Wirtschaftszweig.

Immerhin interessieren sich über sechs Millionen Menschen in Deutschland für historische Fahrzeuge. Sie sorgen damit für eine Wertschöpfung von 5,7 Milliarden Euro und rund 114.000 abhängige Arbeitsplätze. Akteure, welche diese Veränderung besonders treffen dürfte, sind die Oldtimer-Clubs. Rund 80% der Oldtimer-Besitzer in Deutschland sind Mitglied in mindestens einem entsprechenden Club. Damit repräsentieren sie einen Großteil der Szene, welche sich nicht nur reaktiv zeigen, sondern proaktiv mit gestalten muss.

Konfrontation mit der Zukunft

Das Sammeln von Oldtimern hat sich vom spleenigen Hobby einiger Enthusiasten zu einem Volkshobby entwickelt. Die steigenden Zulassungszahlen von zuletzt 10,9% im Jahr 2017 belegen dies deutlich. Doch der Oldtimer steckt in einer Krise. In Zeiten von Umweltdebatten und Fahrverboten erleidet er einen Imageschaden. Vor allem die stark gestiegenen Preise deklarieren ihn zu einem Luxusgut, das sich nicht jeder leisten kann. Hinzu kommt eine Veränderung der Motive für dieses Sammeln. Leidenschaft und emotionale Bindung für das Hobby sind für die junge Generation weniger bedeutend. Zudem wird die Gruppe der Enthusiasten klassischer Prägung
zusehends kleiner. Der Oldtimer verursacht – mit Blick auf den Trend, das eigene Automobil nur noch als Fortbewegungsmittel zu nutzen – bei der Generation Y nicht gerade Herzklopfen. Während sich das Interesse der breiten Masse zunehmend auf Youngtimer und große Baureihen verschiebt, entwickelt sich der klassische Oldtimer zum marktwirtschaftlichen Investmentobjekt. Er droht in absehbarer Zeit in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Rückläufigem Enthusiasmus und Imageproblemen auf der Nachfrageseite steht ein steigendes Angebot von Youngtimern gegenüber, welches die Definition eines Oldtimers – zum auch noch preisgünstig – in millionenfacher Ausführung erfüllen könnte.

Auswirkungen / Lösungsansätze

Die Auswirkungen auf die Szene aus einer marktwirtschaftlichen Betrachtungsweise zeigen, dass der starke
Preisanstieg der vergangenen Zeit die Nachfrage nach Oldtimern reduziert. Dies liegt vor allem daran, dass sich viele Enthusiasten die Fahrzeuge nicht mehr leisten können und damit auch der Mitgliederzuwachs in den Clubs ausbleibt. Dies führt zu einer Spaltung der Szene in das Fußvolk und jene, die es sich leisten können. Der fehlende Bezug der jungen Generation zu Oldtimern befeuert das Problem zusätzlich und führt in den Clubs zunehmend zu einer Überalterung. Gleichzeitig entsteht durch den Preisanstieg eine steigende Attraktivität von Oldtimern für Spekulanten. Für die Clubs bedeutet dies eine Stagnation in der Mitgliederstatistik, weil Spekulanten die Gemeinschaft der Clubs für ihr Investment nicht benötigen und keine Mitglieder werden. Außerdem kann die steigende Anzahl an Spekulanten zu deutlich volatileren Preisen führen, weil Spekulanten in Abhängigkeit der
globalen Wirtschaftsdynamiken ihre Investments schneller handeln als wahre Enthusiasten.

Eine weitere Folge aus den genannten Problemen ist eine einhergehende Professionalisierung der Szene. Technisches Knowhow geht mit den älter werdenden Clubkollegen nicht an die Jugend über, moderne Fahrzeuge
können oft nicht mehr eigenständig versorgt werden. Dies führt zu einer zunehmenden Auslagerung an Betriebe
und Werkstätten. Während den Betrieben allerdings ebenfalls der Nachwuchs fehlt, professionalisiert sich die Szene damit gleichzeitig. Als Folge steigen die Preise weiter, was wiederum zu einer Abwanderung hin zu ausländischen Betrieben, vor allem in den Osten Europas, führt. Langfristig münden diese Einflüsse in einer sinkenden Nachfrage. Die Oldtimer-Szene droht auszusterben und wird damit zum existenzbedrohenden Risiko für den milliardenschweren Oldtimer-Markt.

Doch wie können die Clubs darauf reagieren und die Szene erhalten?

Mögliche Handlungsempfehlungen nennen diverse Einzelmaßnahmen wie den Aufbau von Jugendgruppen und
ein spezielles Angebot für junge Enthusiasten. Um politischen Erdbeben gemeinsam entgegenzutreten sollten sich Clubs in politisch positionierten Organisationen wie Verbänden zusammenschließen.

Weitere Handlungsempfehlungen richten sich an das Angebot der Oldtimer-Clubs für die Szene. Das Internet deckt inzwischen viele Bereiche des Hobbys ab, sodass Clubs als Anlaufstelle häufig obsolet werden. Durch eine fundierte Kaufberatung oder eine gut organisierte Ersatzteilversorgung können sich die Clubs ein Alleinstellungsmerkmal sichern, welches nicht ohne Weiteres von dem Internet übernommen werden kann. Aber auch die Öffentlichkeitsarbeit der Clubs für die Verbesserung des Images sind ein zentrales Thema. Sowohl auf den digitalen Kanälen, wie auch bei regionalen Veranstaltungen, kann das Image verbessert werden.

Den gestiegenen Oldtimer-Preisen kann durch Mietangebote für Oldtimer von Clubs oder Drittanbietern begegnet werden. Damit wäre für Laien die Hemmschwelle gesenkt, und eine Erlebbarkeit der Fahrzeuge unmittelbar möglich. Ein Problem, das auch in der Szene vielseitig diskutiert wurde, ist die befürchtete Schwemme durch Youngtimer, welche die 30-Jahres-Grenze erreichen und damit zum Oldtimer werden. Die häufig im Alltag gefahrenen Youngtimer erleben dieses Alter häufig gar nicht oder sind im Zustand so schlecht, dass sie die Bestimmungen eines H-Kennzeichens nicht erfüllen. Die millionenfach gebauten Youngtimer stellen auch deutschen Studien über den Oldtimer-Markt zu Folge keine Gefahr für den Oldtimer dar. Die viel diskutierte Anpassung der Oldtimer-Definition bedarf es daher nicht.

Wie sieht er also aus, der Oldtimer der Zukunft?

Der Oldtimer-Markt der Zukunft wird von einer zunehmenden Professionalisierung geprägt. Die Flexibilität des
21. Jahrhunderts schlägt in neuen Mietmodellen durch, welche die genannten Probleme bei einem Kauf  umgehen.

Anstatt der festen kostenintensiven Bindung an ein eigenes Fahrzeug kann die Szene durch Erlebnisse und die unmittelbare Erlebbarkeit der Fahrzeuge erhalten werden. Die Clubs müssen untereinander stärker zusammenrücken und neben der politischen Vertretung auch ihre Position als zentrales Organ der Oldtimer-Szene stärken. Dies muss mit neuen Angeboten für Jung und Alt untermauert werden. Grundsätzlich wird ein eventhafter Charakter in der Szene Einzug halten.

Die vorliegenden Informationen basieren auf einer wissenschaftlichen Arbeit von Linus Mast aus Mai 2019.

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