MBMC: 190SL Prototype als Modell und . . . Max Hoffman sowie sein Verkaufsraum

Autocult bringt für Avenue das 1:43 Modell des Prototypens des Mercedes-Benz 190SL (1954) heraus, ein Wagen, der für Daimler-Benz wichtigsten Absatzmarkt, die USA, geplant war, und dort erfolgreich werden sollte, genauso wie es der 300SL Flügeltürer es war, und bereits zuvor wurde. Der Anstoß für beide Wagen kam vom  Österreichisch-Amerikanischen Importeur Max Hoffman aus New-York, doch darüber mehr später…

Das 1:43-Modell von Avenue stellt die Rennversion dar, die in den ersten Prospekten für den 190SL angeboten wurde.

Man nahm einfach die Windschutzscheibe, die Scheibenwischer, die Stoßstangen und das Verdeck ab, ersetzte die Türen durch leichte, „ausgehöhlte“, fensterlose, und fügte eine kleine, halbrunde Plexiglasscheibe vor dem Lenkrad hinzu; schon hatte man einen netten kleinen… „Rennwagen“. Wenn man wirklich auffallen wollte, konnte man damit auch an Rennen teilnehmen, in der Hoffnung auf gute Ergebnisse.

Aber außer an den Rennen von Macau und von Casablanca im Jahr 1955 nahm der Wagen an keinerlei bedeutenden Rennen teil, zumal er von der FIA (der internationalen Motorsport Föderation) für die GT-Kategorie keine Zulassung erhielt. Die Folge war, dass der Wagen werksseitig keine Rennunterstützung mehr bekam, und langsam aus den Prospekten verschwand. Die Gesamtproduktion dieser sogenannten Rennversion des 190 SL erreichte gerade einmal 17 Exemplare, und die Produktion wurde im März 1956 still und leise eingestellt.

Übrigens, so ganz nebenbei: Es gab seitens Daimler-Benz Überlegungen eine stärkere verbesserte Rennversion des 190SL herzustellen, die die Bezeichnung 220SL erhielt. Dies bedeutete hauptsächlich die Entwicklung eines neuen stärkeren Motors. Nach dem Bau von 2 Prototypen und langem hin und her musste die Idee eines 220SL fallen gelassen werden, da auch Änderungen an Fahrgestell und Karosserie notwendig geworden wären, und es beim gleichzeitigen Anlaufen der neuen W111 Baureihe aus Technischen Gründen zu Produktionsschwierigkeiten gekommen wäre. So fand der neue Motor im Nachfolgemodell, dem Mercedes 230SL, seine Verwendung.

Maximilian Edwin Hoffmann – der später seinen Namen zu Max Hoffman amerikanisierte – geboren 1904 in Wien, zeigte sich bereits in seiner Jugend an allem was Motorisierung betraf stark interessiert, und nahm als Amateurrennfahrer frühzeitig und auch erfolgreich an Motorrad- und Autorennen statt.

Unter anderem siegte er auf einem „Grofri“, der Name des unter Lizenz in Österreich gebauten französischen Amilcar. Bald darauf wurde er in Wien zum Vertreter von Amilcar. In den frühen dreißiger Jahren, um 1934, gründete er mit einem Partner den „Automobilhandel Hoffmann & Huppert“, und wurde Europas erster Importeur von Schwedischen Volvo-Automobilen.

Infolge des Anschlusses Österreichs 1938 an das Dritte Reich siedelte Hoffmann nach Paris um, verließ aber schließlich Ende 1939 Frankreich in Richtung USA an Bord eines portugiesischen Schiffes, das am 7. Dezember 1941 in New-York vor Anker ging.

In den USA musste er schnell feststellen, dass die Zeit für einen neuen Automobilhandel nicht gerade die richtige war, und der Markt aufgrund des Krieges quasi völlig verschwunden war. Zudem hatte niemand in Amerika Interesse an Europäischen Autos (deren Hersteller sowieso nicht mehr in der Lage waren, Zivilautos produzieren zu können) und an deutsche Fahrzeuge schon mal ganz und gar nicht.

Max Hoffmann schlug sich mehr recht als schlecht mit der Herstellung und dem Vertrieb von Modeschmuck durch den Krieg. Immerhin war er so erfolgreich, dass er durch das mit dem Schmuck verdiente Geld 1947 die „Max Hoffman Motor Car Company“ gründen konnte, und einen Aufstellung- und Verkaufsraum in New-Yorks Manhattan Stadtteil eröffnen konnte, genau gesagt lautete die Anschrift 430, Park Avenue. Park Avenue war, und ist immer noch in einem der schicksten und wohlhabendsten Viertel der Stadt gelegen. Als erstes und einziges Ausstellungsstück stand ein französischer Delahaye Coupé mit Aufbau von Figoni und Falaschi im New-Yorker Schaufenster.

Kurz darauf (1948) öffnete Max Hoffman eine zweite Niederlassung, auf der anderen Seite des Landes, in Beverly Hills, CA. Wer sorgfältig den vorhergehenden Paragraphen gelesen hat, dürfte festgestellt haben, dass zeitgleich mit der Gründung der „Max Hoffman Motor Car Company“, das zweite „n“ in „Hoffmann“ verschwunden war, und Max Hoffmann seinen Namen somit amerikanisierte.

Aller Anfang ist schwer, aber nicht für lange. Max Hoffman war ein exzellenter Verkäufer, und vor allem hatte ein unglaubliches Gespür für das, was der Markt verlangte, zudem liebte er luxuriöse und schnelle Wagen. Er importierte Jaguar, Rolls Royce, Bentley Rover und Morgan Automobile. Seine Firma wurde bereits 1948 die offizielle Niederlassung Jaguars in den USA.

Ferry Porsche + Max Hoffman in NYC – 1950. (Picture: Porsche AG & Wright Studies)

Anlässlich seines Besuchs des 1950er ‚Salon de l’Automobile‘ in Paris, lernte Hoffman Ferdinand (Ferry) Porsche kennen, und bestellte fünfzehn Porsche 356 Sportwagen. Dank seiner siegreichen Teilnahme an Rennen in Florida im Dezember 1951 lauteten die Zeitungs-Schlagzeilen: „Die herausragendste Leistung erbrachte Max Hoffman, der einen Porsche fuhr“. Das verfehlte natürlich nicht seine Wirkung auf die Verkaufszahlen, und 1952 hatte der US-amerikanische Markt einen Anteil von 21% am Umsatz von Porsche.

Hoffman importierte 1952 auch als erster Mercedes-Benz Automobile, insgesamt wurden in diesem Jahr 253 verkauft.

Zwischenzeitlich hatte Hoffman den berühmten Architekten Frank Lloyd Wright mit der Modernisierung seines 330 qm großen Park Avenue Ausstellungsraums beauftragt, der als Aushängeschild Jaguars geplant war. Dieser 1955 fertiggewordene Ausstellungsraum verfügte über eine drehbare Schaudrehscheibe, auf der 3, vielleicht vier Autos ausgestellt werden konnten. Von der Rückseite führte eine umlaufende Rampe zu einem auskragenden Balkon, von dem aus man die Fahrzeuge betrachten konnte.

In der Mitte der Drehscheibe hatte Wright ein Pflanzengefäß mit einer riesigen Jaguar-Kühlerfigur geplant. Mit der zusätzlichen Benutzung von Spiegeln erschien der neu gestaltete Ausstellungsraum grösser als er tatsächlich war.

Ein Teil der Begleichung von Frank Lloyd Wrights Honorar aus zwei Mercedes Wagen: einer 300 Limousine und einem 300SL Flügeltürer.

Zwischenzeitlich war sich Hoffman natürlich auch der Siege des neuen 300SL bewusst, sowohl im Targa Florio Rennen 1952 als auch im 24 Stunden von Le Mans Rennen des gleichen Jahres. Der Geschmack der amerikanischen Käufer der Nachkriegszeit ging in Richtung technisch moderner europäischer Wagen, die zugleich stark, offen, zweisitzig und formschön sein sollten. Das war auch was Max Hoffman von seinen Niederlassungen im Lande zu hören bekam. Da war der 300SL gerade der richtige Wagen zur richtigen Zeit, auch um das Image von Mercedes-Benz aufzupolieren, denn ein Mercedes galt in den USA zwar als ein qualitativ gutes, zuverlässiges Fahrzeug, aber doch etwas altmodisch.

Und so wurde 1952 die „Max Hoffman Motor Company“ zum ersten Importeur von Mercedes-Benz Wagen. Fast sofort schlug er dem Mercedes Vorstand vor, eine „Straßenversion“ des 300SL (W194) Flügeltürers zu bauen, und als der Mercedes-Vorstand sein Anliegen ablehnte, bestellte er aus dem Stegreif 1000 Wagen und bezahlte sie auf der Stelle vor…So will es jedenfalls die Legende. Ja, er war nun mal auch ein wenig Selbstdarsteller….

Fest steht jedenfalls, dass er es war, der die Weiterentwicklung des 300SL Flügeltürers in einen Roadster nahelegte. Das war 1954, und es dauerte immerhin noch 3 Jahre, bis die ersten 1957 Roadster das Werk verließen. Aber nicht jeder Amerikaner konnte sich solch einen Wagen wie den Flügeltürer leisten, noch war er im Grunde genommen besonders praktisch.

So schlug Max Hoffman einen Wagen vor, aus dem der 190SL (W121) wurde: er hatte die meisten Attribute, die der US-Amerikanische Kunde suchte, er war modern, schön, einigermaßen sportlich, er war ein Mercedes, er ähnelte stark dem 300SL, und er war ein zweisitziger offener Sportwagen, vor allem aber war er auch deutlich
erschwinglicher. Die Entwicklungskosten des 190SL wurden zum Teil von Max Hoffman mitgetragen.

Beide Wagen waren hauptsächlich für die amerikanische Kundschaft entwickelt worden, und beide wurden dementsprechend auch nicht zuerst in Europa vorgestellt, sondern feierte ihr Debut im Februar 1954 auf der „International Motor Sports Show“ in New York.

Max Hoffman hatte mal wieder das richtige Gespür gehabt: beide Wagen wurden zu Ikonen der Fünfziger Jahre. Mehr als 80% der gesamten Produktion von 1858 Einheiten des 300SL Flügeltürers, also über 1400 Wagen, wurden in die USA verkauft und das Image von Mercedes Benz als Erzeuger von zwar guten, aber biederen, langweiligen, Luxus-Limousinen änderte sich zu dem einer modernen Firma, die in der Lage war,  Hochleistungssportwagen herzustellen.

Das Verhältnis mit Jaguar allerdings war dahin. Jaguar und Mercedes waren Anfang der fünfziger Jahre auf der Rennbahn Konkurrenten. Wo der eine war, konnte der andere nicht sein, folglich stieg Jaguar aus dem Vertrag mit Max Hoffman aus, zahlte ein paar Jahre lang Entschädigung, nahm die riesige Kühler-Figur mit, und öffnete ihren eigenen Ausstellungsraum.

Der Ausstellungsraum an der Park Avenue, der ursprünglich für Jaguar entworfen war, wurde nun zur New-Yorker Mercedes-Benz Vitrine… ganz am Ende finden Sie dazu noch einen traurigen Nachtrag…

Die Zusammenarbeit von Max Hoffman mit Mercedes-Benz blieb bis zum 11. April 1957 bestehen. Mittlerweile waren die Verkaufszahlen von Mercedes Fahrzeugen von 253 Wagen im Jahr 1952 auf 6048 im Jahr 1957 gestiegen, angesichts dessen Mercedes den Vertrieb umzustrukturieren gedachte. Ein Vertrag wurde mit Studebaker-Packard abgeschlossen. Mercedes sah darin, angesichts der 2500 Studebaker-Händler, eine deutliche Erweiterung des Händler-Vertriebsnetzes in den USA, die finanziell stark angeschlagene Firma Studebaker-Packard ihrerseits sah die Vereinbarung als eine Notwendigkeit, sowohl wegen der Einnahmen, die Mercedes-Benz zum Unternehmensergebnis beitragen konnte, als auch ein weiteres Produkt, das das Studebaker-Händlernetz verkaufen konnte, für den Fall, dass das Unternehmen nicht mehr in der Lage sein sollte, seine eigenen Autos zu bauen.

Mercedes trennte sich von Max Hoffman, und obwohl er eine Entschädigung erhielt und keine Macht über die Aufkündigung des Vertrags hatte, bedauerte Hoffman die Entscheidung von Mercedes zutiefst. Es wird der eigentliche Verkaufserfolg des 300SL Roadsters manchmal dem Einsatz von Max Hoffman zugeschrieben, doch auch dies gehört der Legende an: die ersten 300SL wurden erst ab Mai 1957 an Studebaker geliefert, und zwar von der neuen ‚Daimler-Benz of America‘.

Der 190SL (W121) Prototyp

Grundsätzlich ist das Erscheinungsbild des Prototypens und des Produktions-190SL identisch, doch beim näheren Hinsehen sind nicht nur der Kühlergrill und der Lufteinlass auf der Haube des Prototypens und beim Serienwagen die Sicken – die oft ziemlich zutreffend als „Augenbrauen“ bezeichnet werden – über den hinteren Radkästen die einzigen Unterschiedsmerkmale.

Die vorderen „Augenbrauen“ waren nicht nur ein stilistisches Element das optisch die Karosserie streckte, sondern auch dazu da, das hochspritzende Straßenwasser von der Windschutzscheibe fernzuhalten. Die hinteren Augenbrauen wurden aus Gründen der optischen Symmetrie hinzugefügt.

Die vordere Stoßstange, die Lage des Benzin-Einfüllstutzens, und noch andere kleine Details ergeben ein unterschiedliches Bild des Wagens. Und, obwohl er generell schon ziemlich elegant ist, wage ich zu behaupten, dass der Prototyp plumper als der Serienwagen aussieht.

Für meine Begriffe wurde dank der Eingriffe der damaligen Designer der Produktions-190SL um ein Vielfaches gelungener, schöner und eleganter als der Prototyp. Insgesamt wurden vom 190SL von 1955 bis zum Produktionsende 1963 25.881 hergestellt.



Nachtrag zum ehemaligen Frank Lloyd Wright Ausstellungsraum

Der Mercedes-Benz Ausstellungsraum an der Park Avenue… nur noch eine Erinnerung…

Aufgrund einer bereits am Abend der Erstveröffentlichung im MBMC Newsletter Nr. 11 erhaltenen Anfrage eines Lesers, über das Schicksal des Ausstellungsraums an der Park Avenue in New York nach dem Umzug von Mercedes in den jetzigen New Yorker Showroom, habe ich mich sofort entschlossen, diesen kleinen Nachtrag zu schreiben, obwohl er nichts mit maßstäblichen Modellen zu tun hat.

Zudem bin nebst an Modellautos u.a. auch seit jeher an guter, proportionierter, gefälliger, eleganter Architektur interessiert, egal ob Griechisch, Renaissance, Barock, Klassissismus, oder Bauhaus! So kann auch ich nicht umhin, dem Schicksal des Mercedes Showrooms an der Park Avenue nachzutrauen.

Vielleicht, lieber Leser, interessiert sie das Schicksal dieses Innenraums auch.

Der Ausstellungsraum wurde ein erstes Mal 1982 ein wenig umgestaltet und ein verspiegelter Stern wurde an der Decke angebracht. In 2002 wurde der Ausstellungsraum vergrössert und komplett renoviert. Dann gab Mercedes-Benz in 2008 bekannt, dass 30 Millionen US Dollar in ein neues, firmeneigenes Flaggschiff in  Manhattan investiert werden. Der historische Frank-Lloyd-Right-Verkaufssalon in der Park Avenue würde in  Design und Betrieb unverändert bleiben.

Vier Jahre später, Anfang 2012, fand der Umzug in die Flaggschiff-Niederlassung statt.

Hier nun ein Auszug aus einem Artikel, der am 21. Januar 2013 in der „New York Times erschien“ :

Um einen Abriss zu verhindern, versuchte eine Gruppe aus Chicago, deren Ziel es ist, die Zerstörung von Frank Lloyd Wrights Werken zu verhindern, den Ausstellungsraum in New York unter Denkmalschutz zu stellen. „Am 25. März 2012 rief die New Yorker Landmark Preservation Commission den Gebäudeeigentümer an, um ihm mitzuteilen, dass eine “Unterschutz-Stellung“ zur Diskussion stehe. Am 28. März beantragte der Eigentümer bei der New Yorker Baubehörde eine Abrissgenehmigung, die ohne weiteres erteilt wurde. Der Abriss erfolgte ein paar Tage später. Donna Boland, eine Sprecherin von Mercedes-Benz, sagte, als Mercedes aus dem Gebäude zog, habe man gehofft, dass der Ausstellungsraum an einen anderen Autokonzern vermietet werden könnte. „Wir  waren schockiert über den Abriss“, sagte sie, „aber wir hatten keinen Einfluss darauf, da wir den Raum gemietet haben“.

Anstelle des architektonisch wertvollen Ausstellungsraums ist heutzutage eine Zweigstelle der TD-Ameritrade Investment Bank dort eingemietet.

Mercedes-Benz Manhattan , 770 11th Avenue, New York