Nach Tirol mit einem Mercedes-Benz 220 Cabriolet A Bj. 1952 (W187)
von Carlo Freischem und Gert Meyer-Jüres
Nach dem ersten Teil folgt logischerweise der zweite Teil. Ein Hinweis noch vorab, auf der Seitentür des 220ers steht GUEST – er stammt nicht von dieser Schenna-Ausfahrt, sondern von der vorherigen „Coppa d`Oro delle Dolomiti“, bei der das Auto ja (wie erwähnt) wegen Pannen disqualifiziert wurde und deshalb nur als „Guest“ mitfahren durfte.
Nach der erfolgreichen Überholung des Autos (Link zum ersten Teil) trauten wir uns, uns mit dem W 187er für die „Südtirol Classic Schenna 2023“ anzumelden. Carlo startete am 1. Oktober in Münster in Richtung Süden und kam nach rund 420 Autobahnkilometern pannenfrei im Hotel „Zehntkeller“ in Iphofen an. Dort waren wir verabredet. Gert war nämlich zeitgleich mit anderen Oldtimerfreunden auf dem Rückweg von einer wunderbaren Tegernsee-Tour mit einem 300c Cabriolet D und machte in Iphofen Station.
Am nächsten Morgen stiegen wir in das 220er Cabriolet und fuhren in Richtung Südtirol: Traumhaftes Wetter, offenes Verdeck und ein schnurrender Motor! Was will man mehr? Wir fuhren durchs Allgäu, durchs Zugspitzland über den Fernpass, runter ins Inntal, wieder hoch nach Kühtai und machten Mittagsstopp im Jagdschloss. Von dort aus ging es dann weiter nach Innsbruck und über die alte Brenner-Straße bis nach Brixen. Das Navi lotste uns auf dem Weg zu unserem vorreservierten Hotel „Elephant“ mitten durch die für Fahrzeuge aller Art gesperrten Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen. Und es kam, wie kommen musste: vor ausgefahrenen Pollern, hinter denen freie Straßen winkten, fuhren wir uns dann schließlich fest. Drehen war unmöglich! Nur mit Hilfe von im Anblick des schönen Autos überaus freundlichen und hilfsbereiten Anrainern und Passanten kamen wir im Rückwärtsgang wieder aus der Fußgängerzone heraus. Obwohl solche Bereiche normalerweise kameraüberwacht sind und das unberechtigte Befahren in Italien streng geahndet wird, ist bisher kein Knöllchen angekommen. Vielleicht hat das die „Bella Macchina!“ bewirkt?
Am 3. Oktober ging es dann weiter nach Schenna oberhalb von Meran. Pünktlich trafen wir dort zum „Come Together“ im „Schenna Resort“ ein. Von der der „Südtirol Classic Schenna Golden Edition“ hatten wir schon viel gehört, aber es noch nie geschafft, mitzufahren. Uns erwartete eine bestens organisierte Vier-Tage-Ausfahrt bei allerherrlichstem Sonnenwetter, so dass wir die ganze Zeit mit offenem Verdeck fahren konnten. Die „Schenna Classic Golden Edition“ ist frei von Zeit- oder Geschicklichkeitsprüfungen: sie legt vielmehr Wert auf den Genuss von Landschaft und gepflegter Gastronomie. Das findet man auch bei der Hauptveranstaltung, der „Südtirol Classic Schenna“ im Juli. Diese hat allerdings zusätzlich einen Rallye-Teil mit anspruchsvolleren Aufgaben und sportlicheren Anforderungen.
Es nahmen sehr viele schöne Autos teil. Am beeindruckendsten fanden wir einen Ford Comete Coupé Bj. 1954 (Facel-Vega-Vorgänger). Leider schied er schon am ersten Morgen aus: wegen einer defekten Zylinderkopfdichtung sprang er nicht mehr an! Außerdem bereicherten das Starterfeld ein Alfa Romeo 6C 2500 SS Pininfarina Cabriolet Bj. 1949 und ein Healey Silverstone SE Bj. 1992. Unser 220 Cabriolet A Bj. 1952 war zwar das drittälteste Fahrzeug, wurde jedoch leider im Roadbook fälschlicherweise mit Bj. 1963 angegeben. Die Marke Mercedes-Benz war außerdem mit einem 190 SL Bj. 1956, 3 Pagoden mit unterschiedlichen Motoren und Baujahren sowie einem 280 SL Bj. 1993 vertreten – also mit insgesamt 6 Fahrzeugen. Wie in Italien nicht anders zu erwarten war Alfa Romeo mit 8 Fahrzeugen am Start und besetzte somit den ersten Platz nach Marken.
Am 04. Oktober starteten alle Oldtimerfahrzeuge im Minutentakt ab 09:00 Uhr am Raiffeisenplatz in Schenna. Wir fuhren vorbei an den Gärten von Schloss Trauttmansdorff und über Landstraßen in Richtung Bozen. Durch Obstwiesen und Weinberge kamen wir zum Kaffee-Stopp im Schlosshotel Korb. Hier genossen wir die wunderbare Aussicht ins davor liegende Tal mit seinen Weinbergen, die Stadt Bozen und die dahinterliegenden, imposanten Dolomiten mit ihrem markanten Wahrzeichen, dem Schlern.
Anschließend ging es weiter am Kalterer See entlang und hoch zum Zirmer Hof, einem historischen Bauernhof und heutigen exklusiven Gasthof in wunderbarer Naturlandschaft. Nach einem köstlichen Mittagessen fuhren wir über den Regglberg ins Eggental, weiter nach Bozen und dann über die MEBO (Schnellstraße Meran-Bozen) zurück nach Meran und Schenna. Zum Abendessen im „Braustüberl“ der Spezialbrauerei Forst wurden wir per Bus-Shuttle gebracht und auch wieder abgeholt. Somit konnten wir nach 160 Tageskilometern bedenkenlos das leckere Spezialbier genießen. Der Vorstand der in Familienbesitz befindlichen Brauerei besteht übrigens ausschließlich aus Frauen, weshalb der Betrieb im Volksmund auch „Frauerei Forst“ genannt wird.
Am 05. Oktober fuhren wir von Schenna ins Ultental, dem wasserreichsten Seitental von Südtirol. Am St. Pankratzer Stausee entlang ging es nach Deutschnonsberg, dem deutschsprachigen Teil des Nonstals. Im Gasthof zur Post in Proveis stärkten wir uns bei einer kurzen Kaffeepause. Dann fuhren wir weiter ins Trentino, in die Val di Non und anschließend über die beeindruckende Brücke am Lago di Santa Giustina . In Tret erwartete uns in der Trattoria Alle Ciaspole unser Mittagessen.
Die Rückfahrt führte uns über den Gampenpass, in dessen Gebirge Mussolini trotz des Nicht-Angriffspaktes mit Hitler einen riesigen, geheimen Bunker hatte bauen lassen, weil er Hitler nicht traute. Damit das Projekt auch wirklich geheim blieb, wurden beim Bau nur isoliert gehaltene Arbeiter aus Süd-Italien, aber keine einheimischen Kräfte eingesetzt. Mit dem Bunker wollte Mussolini Italien vor einem eventuellen, absprachewidrigen Angriff der Deutschen Wehrmacht schützen. Der Bunker ist inzwischen ein Museum, in dem viele der gefunden Steinsorten ausgestellt sind. Über die Verdinserstraße ging es zurück zum Raiffeisenplatz in Schenna, wo die Tour nach 150 km bei Wein und frisch gebratenen Kastanien ausklang.
Das Highlight war die „Kleine Dolomitenfahrt“ am 06. Oktober. Über Bozen ging es ins Eisacktal und von dort dann über den Eisack nach St. Peter im Grödnertal, wo wir bei einem Kaffee im Hotel Überbacherhof den sagenhaften Ausblick auf die Dolomiten genießen konnten. Danach fuhren wir über St. Christina und Wolkenstein übers Sellajoch nach Canazei und von dort weiter Richtung Bozen zur Franzin Alm am Karerpass. Hier gab es in einer sehr modernen Berghütte das Mittagessen mit wunderbarem Blick auf das Rosengarten-Latemar-Massiv, welches als Unesco Weltnaturerbe ausgezeichnet wurde. Der Rückweg führte über den Nigerpass, Tiers, Blumau und Bozen zurück nach Schenna. Das war mit 200 km die längste Tagesetappe.
Den Abschluss bildete am 07. Oktober die Halbtages-Tour Tschögglberg mit 79 km. Über Hafling, woher die berühmten Haflingerpferde stammen, ging es entlang an Almwiesen und Lärechenwäldern über die Panoramastraße zur Kaffeepause im Hotel Oberwirt in Vöran. Danach fuhren wir über Mölten wieder bergab nach Terlan und dann über die Südtiroler Weinstraße nach Nals, Prissian und Tisens , wo wir an vielen Schlössern und imposanten Adelssitzen vorbei kamen. Im Restaurant Römerkeller by Lido Schenna erwartete uns ein Brunch. Parallel dazu fand auf dem davor liegenden Parkplatz des Freibades Schenna ein Old & Youngtimer-Fahrzeugmarkt. Mit Schalk im Nacken befestigen die Ausfahrt-Organisatoren an einigen Teilnehmer-Autos das Schild „verkauft“, was bei den ahnungslosen Besuchern die Niveau-Einschätzung des Marktes erheblich steigen ließ!Abends trafen wir uns zum Abschluss-Essen im gerade wiedereröffneten, historischen Thurnerhof in Schenna mit seiner gemütlichen, einzigartigen Atmosphäre.
Uns hat die „Südtirol Classic Schenna Golden Edition“ riesigen Spaß gemacht. Perfekte Organisation, tolle Strecken, sorgsam ausgesuchte Restaurants mit vorzüglichem Essen: es war alles ganz nach unserem Geschmack! Sehr angenehm war auch, dass man nicht ständig die Koffer ein- und auspacken musste: stattdessen handelte es sich um Sternfahrten rund um den malerischen Ort Schenna. Und noch eine Empfehlung: das Hotel Innerhofer direkt neben dem Hotel Schenna Resort ist für diejenigen ideal, die (wie wir) den großen SPA-Hotels lieber kleinere, familiengeführte Hotels vorziehen.
Auf dem Rückweg konnten wir es nicht lassen, dem Auto noch eine Nagelprobe zuzumuten, indem wir aufs Stilfser Joch fuhren. Allerdings haben wir vorsichtshalber erst mal die nicht ganz so anspruchsvolle Auffahrt über die Schweiz und den Umbrailpass genommen. Auch nicht ohne, und es ging gut! Nach stolzen Passfotos oben am Stilfser Joch nahmen wir dann auf dem Rückweg die Bergab-Strecke zur italienischen Seite mit 42 Kehren. Vielleicht trauen wir uns beim nächsten Mal, diese Strecke auch für die Bergauf-Fahrt zu nehmen, nachdem wir auf der weiteren Rückfahrt auch das Timmelsjoch bezwungen haben!