ZWISCHEN FRACK UND FETTPRESSE – Teil 2 von 2

…Fettpresse geht klar – aber warum Frack?

von Konrad Graf

Ich hätte natürlich nicht helfen müssen, aber dann wäre mein Auto irgendwo auf einem AB-Rasthof gestanden. Will man ja nicht. Also zu Hause noch schnell Bohlen und Rampen geholt. Wieder 90km nordwärts. Im Dunkeln Auto abgeladen, Trailer abgehängt und von Hand irgendwohin geschoben, dann den 600 auf das Zugfahrzeug umgeladen. Das war ein geschlossener Transporter mit geknickter Ladefläche, ging aber besser als gedacht. Allerdings waren links nur 4 und rechts nur 3 cm Platz zwischen Holm und Stoßstange. Dazu stand das Auto hinten 50cm raus, und das Zugfahrzeug (anders als der Trailer) war für diese Last nicht zugelassen. Eieieieiei! Die Reifen waren recht „beeindruckt“! Aber zumindest hatte er ein Luftfahrwerk, so dass die AHK hochkam und der Trailer wieder drankonnte. Nur durch das Luftfahrwerk schwankte die Ladung zwischen den Holmen – echter Nervenkitzel!

Ich bin dann mit 70 hinter ihm her, alles ging gut, keine Dellen, das Auto stand tatsächlich in meiner Garage. UFF!

Schrauben in der Normgarage war dann die nächste Herausforderung…

Mein Ziel war es, zu beweisen, dass nicht nur ausländische Großmogule, sondern auch ein Normalo wie ich so ein  Projekt stemmen können. Und das bei überschaubaren Kosten. Dazu gehört aber Selberschrauben,  ein gutes Netzwerk und umsichtige Teilebeschaffung.

Die nächsten Monate habe ich peu á peu eine Komponente nach der anderen überprüft oder ersetzt:

  • Zündkerzen und -Kabel
  • Alle Öle
  • Getriebedichtung erneuert (es tropfte leicht)
  • Schloss der Fahrertüre gangbar gemacht (Überführung war nur mit Gaffa möglich)
  • Fensterheber gangbar gemacht
  • Mit Hilfe eines freundlichen Forumskollegen dem Motor zu besserem Rundlauf verholfen
  • Die Komponenten rund um den Kompressor gepflegt, den Kompressor überholen lassen. Dazu musste dann auch die Servopumpe samt Anbauteilen raus. Viel gelernt.
  • Tankfilter erneuert, Tank gespült, einen unsinnig langen Benzinschlauch von Tank zur Pumpe (2,3 m) auf 15 cm gekürzt. Deutlich besseres Anspringen.
  • Schalter repariert, Blinkerhebel wieder funktionsfähig gemacht.
  • Die Türpappen repariert und mit extra angefertigter Lederfarbe im richtigen Farbton lackiert. Irgendjemand hatte zu grelle Farbe drübergeschmiert und auch den Chrom zugekleckst.
  • 5 neue Reifen

Bei vielen Fehlern, die schon seit Jahren so gewesen sein mussten, habe ich mich echt gewundert – wie konnte das Auto, das schon vor knapp 20 Jahren aus den USA kam, immer wieder TÜV bekommen? Hat da keiner hingeschaut? 1. Beispiel Lampen: Es ließ sich kein Standlicht schalten,  das Hauptlicht kam immer auf der ersten Stellung schon mit. Nach tagelanger Suche die Erklärung: Jemand hatte im vorderen rechten Scheinwerfer eine Brücke eingelötet. 2. Die Feststellbremse war ohne Funktion. Am Ende fand ich heraus, dass das Handbremsseil durch eine Lagerung für die Kardanwelle blockiert war. 3. Der Blinkerhebel – die Scheibenwischer ließen sich nicht schalten, denn das Plastikoberteil war einfach verklebt worden…? Habe dann das Oberteil aus einem W108 angepasst und an den besonders geformten Hebel montiert.

Dann ging es an den nächsten Angstgegner: Ich hatte über dem Auspuff am Schwellerkopf links ein kleines Loch, das war bekannt. Beim Stochern stellte sich dann heraus, dass das ganze Bodenblech des Fahrerfußraums morsch war. Warum? Für den W100 hatten die Ingenieure die Klimaanlage bis in den Fußraum mit einem Extra-Kühlelement erweitert. Dort entsteht natürlich auch Kondenswasser, das normalerweise abfließt. Außer ein amerikanischer Blechkünstler punktet einfach ein weiteres Blech drunter und verteilt großzügig Unterbodenschutz. Leider hatte keiner meiner bekannten Schweißkünstler Zeit, transportieren konnte ich das Auto auch nicht, also wie immer: Selber lernen! Ich hatte mir 1,5 mm Karosserieblech besorgt und mit meinem Schweißgerät erst mal geübt. Das war aber mein erstes Dünnblech, ich hab mich erst mal ungeschickt angestellt, war bis dahin nur mit dickerem Material umgegangen. Am Ende hat es aber so gut funktioniert, dass die Stelle heute unsichtbar ist. Wieder was geschafft!

Inzwischen war es Mai, und am 1. Juni wollte ich nach Ornbau auf das vdh-Jahrestreffen. Also Gas geben! Aber es war wie verhext – irgendwas zickte immer. Erst wollte die Servolenkung nicht funktionieren. Bis ich herausfand, dass hier direkt am Lenkgetriebe entlüftet werden muss. Dann bekam ich die Gänge nicht geschaltet. Erklärung: Nachdem der Wagen endlich mal wieder auf eigenen Rädern stand und richtig warm war, musste nochmal ATF Öl nachgefüllt werden. Dann stand er vorne unten, hinten hoch. Ich habe mehrere Stunden immer wieder die Regelstangen des Luftfahrwerks justiert, bis ich zufrieden war. Letztendlich hat mir das Fahrwerk später aber noch viel Arbeit bereitet.

Am große TÜV-Tag wollte das Auto plötzlich nicht mehr anspringen. Panischer Anruf bei meinem anderen Schrauberkumpel und Seelsorger Andy. Der kam und lachte: ich hatte beim händischen Verdrehen des Verteilers nicht aufgepasst, der ganze Verteiler war durch die Feder etwas nach oben gerutscht, so konnte er nicht drehen. Bevor jetzt wieder was schiefging, sind wir einfach mit Kurzzeitnummern ab zum TÜV – und es hat sofort geklappt. Ich war echt stolz!

Drei Tage später traute ich mich wirklich bei Regen auf die AB und habe gleich am ersten Tag 500 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt. Mit den ollen amerikanischen Pellen. Eieiei… In Ornbau war eine erste Begegnung mit Forumsfreunden, die in echt genauso freundlich und hilfreich waren wie im Computer. Überhaupt das Forum: Ohne die stetige Hilfe dort hätte ich das alles nicht so schlüssig zu Ende gebracht. Vor allem Thomas Jäkel, der sich systematisch mit den Autos befasst und auch vor Ort mit seinem 600 vertreten war, hat immer geduldig beraten und geholfen. Aber auch meine hiesigen Schrauberfreunde, die sich einfach neidlos für mich freuten und jederzeit zum helfen kamen!

Zwei Monate nach Ornbau war ich dann auch bei Thomas zu Hause, wir haben dort die Luftventile teilweise überprüft und überholt. Und wie es das Schicksal so will, ging auf der Heimfahrt das dritte, bis dato problemlose Ventil kaputt. Ich strandete auf einem Rasthof, zeitgleich war auch noch ein Kühlerschlauch geplatzt.

Was soll ich sagen – typische Konradgeschichte halt. Und auch wieder typisches Drama: Der ADAC kam nach Stunden, mit einem hektischen Fahrer und zu kleinem Auto. Um 23:30 dann mit dem richtigen Auto, aufladen war sportlich, weil das Auto rechts runterhing, dann hektische und wackelige Fahrt durch den Taunus, um 1:30 endlich bei mir vor dem Haus, lautes Abladen. Ich stand dann vor dem Haus mit einem Auto, das auf dem Bauch lag, 20 Sekunden später kommt die Polizei „was ist hier los, warum ist da Flüssigkeit auf der Straße?“ Ich konnte sie dann überzeugen, dass ich das grad repariere, und etwas später war ich mit improvisierten Notfallpuffern endlich in der Einfahrt.

Seither hören die Baustellen nicht auf – aber das Schöne ist, dass das Auto auch fährt, wenn noch nicht alles funktioniert. Ich freue mich jeden Tag und bin stolz wie ein kleines Kind. Und wie schon bei meinen Anfängen als autodidaktischer Hobby-Schlagzeuger, als alle möglichen „Fachleute“ meinen Eltern abrieten, habe ich auch hier die Erfahrung gemacht: Lass dich nicht von den Ängsten deiner Mitmenschen einschränken! Letztendlich ist es nur ein Auto, wenn auch ein kompliziertes. Viele Komponenten gibt es ähnlich auch in anderen Modellen, einzig die Hydraulik ist Alleinstellungsmerkmal beim W100. Aber das konnte man 1963 lernen – warum nicht auch heute?

Ich grinse seit einem Jahr, egal wie groß die nächste Problematik ist…