Daimler – so stark wie 32 Feuerwehrmänner

  • Feuerwehrtechnik ist ein frühes Innovationsfeld der Daimler-Motoren-Gesellschaft
  • Der schnelllaufende Verbrennungsmotor von 1892 treibt Löschpumpe an
  • Begriff „Feuerwehr“ entsteht vor 175 Jahren in Baden
  • Mercedes-Benz Museum Close-up: Automobile, Architektur und Ausstellung – Nr. 5/2022

Daimler Motor-Feuerspritze aus dem Jahr 1892 mit 3-Liter-Zweizylindermotor (5,1 kW/7 PS) als Pumpenantrieb und zur Bespannung mit Pferden

„Close-up“ – der Name der Serie des Mercedes-Benz Museums ist Programm. Jede Folge erzählt Überraschendes, Spannendes, Hintergründiges. Dazu wirft sie den Spot auf Details eines Fahrzeugs, Ausstellungsexponats oder eines Elements von Architektur und Gestaltung. Diesmal im Blick: die Daimler Motor-Feuerspritze von 1892.

Nr. 5/2022: Daimler Motor-Feuerspritze

Zwei Arten von PS: Löschwasser für die Brandbekämpfung zu fördern, benötigt auf Dauer sehr viel Kraft. Dafür dient in der 1892 gebauten Daimler Motor-Feuerspritze ein 3-Liter-Zweizylindermotor, der mit seinen 5,1 kW (7 PS) zusammen mit einer Pumpe 300 Liter Wasser pro Minute liefert. Für den Weg zum Einsatzort braucht die Feuerwehr damals allerdings noch die namensgebende Art der Pferdestärke: Vor dem Fahrzeug legen sich kräftige Pferde ins Zeug. Denn der Verbrennungsmotor treibt ausschließlich die Wasserpumpe an. Damals ist das eine sehr fortschrittliche Lösung.

Detailansicht der Pumpe, links im Bild der Antrieb durch den Daimler-Motor

Kutschentechnik: Gottlieb Daimlers erstes Automobil von 1886 ist eine Pferdekutsche mit Verbrennungsmotor. Die Motor-Feuerspritze ist hingegen tatsächlich ein Fuhrwerk mit klassischer Drehschemellenkung. Notwendige Bestandteile wie die Deichsel sind seitlich auf dem Fahrzeug griffbereit verstaut – gut zu erkennen am Exponat des Mercedes-Benz Museums im Raum Mythos 1: Pioniere – Die Erfindung des Automobils, 1886 bis 1900. So kann die Feuerwehr im Alarmfall schnell anschirren und ausrücken.

Detailaufnahme der gefederten Vorderachse mit Drehschemel und der mit einem Bolzen gesicherten Deichselaufnahme

Namensgebung: Feuerwehrtechnik und Organisation des Brandschutzes in Deutschland machen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts rasante Fortschritte. Befördert wird das durch Erfahrungen wie den großen Brand von Hamburg im Jahr 1842, der ein Drittel der Stadt zerstört. Danach setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Feuerlöschwesen verbessert werden muss. Bereits 1851 wird in Berlin die erste deutsche Berufsfeuerwehr gegründet. Den Begriff „Feuerwehr“ gibt es da erst seit vier Jahren: Der älteste Beleg für das Wort ist genau 175 Jahre alt und stammt aus einem Bericht der Karlsruher Feuerwehr an den Gemeinderat vom 24. August 1847. Direkt nach ihrer Gründung im selben Jahr firmiert diese zunächst noch als „Pompiercorps“.

Detailansicht des Anschlusses für den Ansaugschlauch mit Außengewinde

Wegbereiter: Zur Aufbruchsstimmung unter den deutschen Feuerwehren in dieser Epoche passt die neue Technologie des schnelllaufenden Verbrennungsmotors, den Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach für vielfältige Einsatzzwecke entwickeln. Bereits drei Jahre nach der Patentanmeldung für den innovativen Einzylindermotor „Standuhr“ im Jahr 1885 meldet Daimler am 29. Juli 1888 eine Feuerspritze mit 1-PS-Einzylindermotor zum Patent an. Das Exponat im Mercedes-Benz Museum folgt dem im Deutschen Reichspatent 46779 beschriebenen technischen Prinzip. Wer die „Standuhr“ sehen möchte: Im Museum steht sie nicht weit entfernt von der Feuerspritze.

Detailaufnahme der beiden Schlauchhaspeln rechts am Fahrzeug

Feuertaufe: Bei einem Großbrand in einer Bettfedernfabrik in Cannstatt bewährt sich das ausgestellte Löschgerät bereits 1892. Fünf Stunden lang fördert die Pumpe ununterbrochen Wasser für das Löschen des Dachstuhlbrands in 20 Meter Höhe. Ein echter Kraftakt – für den Betrieb der Pumpe mit Menschenkraft hätte es mindestens 32 Feuerwehrleute gebraucht, und es wäre ein kräftezehrender Einsatz gewesen. Das Praxisbeispiel unterstreicht die hohe Effizienz des Daimler-Motors als Antrieb für Feuerlöschpumpen.

Detailansicht des Daimler-Motors im Heck

Weiterentwicklung: Vier Jahre nach der Patentanmeldung Daimlers für seine Motor-Feuerspritze ist das 1892 gebaute Exemplar in Leistung, Ausstattung und Ergonomie gegenüber der ersten Ausführung erheblich weiterentwickelt. Das Exponat im Mercedes-Benz Museum zeigt, wie viel Wert unter anderem auf die Ergonomie gelegt worden ist: Für den Maschinisten gibt es im Heck eine stabile Plattform, von der aus er den in einem Blechgehäuse geschützten Motor bedient. Die Löschwasserpumpe selbst befindet sich in der Fahrzeugmitte. Klar getrennt sind die Ansaugung des Löschwassers auf der rechten Seite der Anlage über einen Schraubanschluss und die Abgabe mit hohem Druck in die Löschschläuche auf der linken Seite über einen Bajonettanschluss.

Detailaufnahme des Saugkorbs am Ansaugschlauch, der auf der linken Seite des Fahrzeugs verstaut ist

Schnell wie die Feuerwehr: Bei einem Löschangriff ist Zeit wertvoll. Deshalb ist die Motor-Feuerspritze mit einer Art Schnellangriffseinrichtung ausgestattet: Links im Aufbau befinden sich zwei mit Sperrrädern gesicherte Schlauchhaspeln. Im Einsatz werden die federbelasteten Sperrklinken über einen Hebel gelöst, die Schläuche können in wenigen Sekunden abgerollt und an die Pumpe angeschlossen werden.

Detailaufnahme die Deichsel und weitere Teile zur Bespannung der Motor-Feuerspritze mit Pferden sind griffbereit auf dem Fahrzeug verstaut

Sondersignal: Wenn die Feuerwehr heute ausrückt, warnt sie andere Verkehrsteilnehmer durch blaue Rundumkennleuchten („Blaulicht“) und ein meist druckluftbetriebenes Folgetonhorn, nach dem Erfinder, der Deutschen Signal-Instrumenten Fabrik Max B. Martin, umgangssprachlich „Martinhorn“ genannt. Beide Warnsysteme werden in Deutschland erst Anfang der 1930er-Jahre eingeführt. Die Motor-Feuerspritze besitzt deshalb eine klassische Handglocke rechts neben dem Kutschbock, mit der sich die Brandschützer freie Fahrt verschaffen. Die Lichtanlage beschränkt sich auf zwei Kutschenlaternen links und rechts am Fahrzeug.

Detailaufnahme der Signalglocke links neben dem Kutschbock – einem Vorläufer des heutigen „Martinhorns“

Innovativ: Feuerwehren sind offen für die große Bandbreite der Technologien, die in der Frühzeit des Automobils parallel zueinander entwickelt werden. Das zeigen Beispiele aus der Produktgeschichte von Mercedes-Benz im frühen 20. Jahrhundert: Das erste deutsche Feuerwehrauto mit Benzinmotor als Fahrantrieb wird 1906 von der Süddeutschen Automobilfabrik Gaggenau (SAG) gebaut, die ab 1910 zu Benz & Cie. gehört. Das Mannheimer Unternehmen schreibt dazu im Jahr 1914: „Die Benzwerke Gaggenau sind die erste Fabrik gewesen, die ein Feuerwehr-Fahrzeug mit Explosions-Motorantrieb geliefert haben und nehmen auch heute noch die erste Stelle ein.“ Auf eine andere Antriebstechnik setzt zwei Jahre später die Berliner Feuerwehr: Sie stellt am 14. September 1908 einen kompletten Löschzug mit vier Mercédès-Électrique in Dienst. Die von der österreichischen Daimler-Motoren-Gesellschaft produzierten, batterieelektrischen Fahrzeuge erhalten Aufbauten als Gasspritze, Dampfspritze, Tender und Leiterwagen.

Daimler Motor-Feuerspritze mit 1-PS-Einzylindermotor als Pumpenantrieb und zur Bespannung mit Pferden. Gottlieb Daimler meldet das Prinzip am 29. Juli 1888 zum Patent an und erhält am 15. April 1889 vom Kaiserlichen Patentamt das Deutsche Reichspatent 46779 dafür erteilt.

Vielfalt: Schon seit vielen Jahrzehnten ist das Automobil als vielseitiger Helfer für den Brandschutz etabliert. Heute reicht die Bandbreite von der fast 70 Meter langen Drehleiter bis zum geländegängigen Löschfahrzeug auf Unimog-Basis für die Waldbrandbekämpfung. Bei Fahrzeugen mit fest eingebauter Feuerlöschpumpe dient dabei der Fahrmotor auch als Pumpenantrieb. Zwei Highlights aus der Geschichte der Feuerwehrfahrzeuge zeigt das Mercedes-Benz Museum im Raum Collection 3: Galerie der Helfer. Hier sind eine Benz Feuerwehr-Motorspritze von 1912 und eine Mercedes-Benz LF 3500 Drehleiter DL 22 aus dem Jahr 1952 zu sehen.

Historischer Feuermelder (rechts), im Hintergrund eine Benz Feuerwehr-Motorspritze von 1912