Ein Unbekannter: Mercedes 220SL

von Holger Göpfert - vdh- & MVC-Mitglied

Die Entwicklungsgeschichte des 220 SL W127

Mercedes Benz hat in der Anfangszeit den 190 SL auch als Sportvariante mit kleiner Renn-Windschutzscheibe, Sport-Alutüren etc. beworben. Die gebaute Stückzahl ist nicht dokumentiert, einige Quellen sprechen insgesamt von 17 Werksfahrzeugen.

Seine größten Erfolge erzielt der „Sport“-190 SL im Jahr 1956. Im Sportwagen-Grand-Prix von Portugiesisch Mação wurde das rechtsgelenkte Fahrzeug von Daimler-Benz-Importeur aus Hongkong eingesetzt und belegt Platz 1. Im gleichen Jahr erringt der „Sport“ beim Großen Preis von Casablanca einen Klassensieg (GT-Klasse bis zwei Liter Hubraum).

3. Großer Preis von Macao, November 1956. Sieger Douglas Steane (Startnummer 6) mit einerm 190 SL Tourensportwagen.

Großer Preis von Casablanca, 1956. Startvorbereitungen. Der Daimler-Benz Generalvertreter Weckerle (Startnummer 88) siegte mit einem linksgelenkten Mercedes-Benz Typ 190 SL Tourensportwagen.

Aufgrund von Rennsportbestimmungen wird die Idee des „Sport“-190 SL allerdings nicht weiter verfolgt, da das Auto von der FIA, der International Motorsports Federation, nicht für die GT-Kategorie zugelassen wurde. In der Folge wurde die Rennunterstützung eingestellt und der Name Sportwagen fiel langsam aus den Prospekten.

Vorstandsmitglied Dr. Nallinger und seine Ingenieure gaben die Vorstellung nicht auf, dass der, Mercedes 190SL ein Sportwagen ist. Deshalb wurde Goschel, der den 190SL-Motor entwickelt hatte, beauftragt, nach geeigneten Alternativen zu suchen. Da er an der Entwicklung der Kraftstoffeinspritzung des 300SL-Motors M198 mitgewirkt hatte, beschloss er natürlich, einen Teil der Technologie dieses Motors auf eine überarbeitete Version des M121-Motors des 190SL anzuwenden. Das Projekt erhielt die interne Bezeichnung M126 und wurde mit einem neuen Zylinderkopf und einer mechanischen Bosch-Hochdruck-Kraftstoffeinspritzung ausgestattet. Im Test leistete er 117 PS zwischen 5.900 und 6.100 U / min. Das waren nur 12 PS mehr als der ursprüngliche 190SL-Motor. Und das war einer der Gründe, warum dieses Projekt abgesagt wurde, aber auch, dass die Produktion viel zu teuer gewesen wäre.

Macao Grand Prix, 1956. 1.Startreihe v.l.: Der spätere Sieger Doug Steane mit 190 SL, Ferrari und Austin-Healey. 2.Reihe v.l.: XK 140, Austin-Healey. 3.Reihe v.l.: Bristol Warrior, TR 3, Thunderbird.

Uhlenhaut schlug vor, stattdessen einen größeren Motor zu verwenden. In diesem Fall der Sechszylinder der 300er Limousine. Die Aufgabe wurde dem jungen Kurt Obländer übertragen, der das Vergasungssystem des Motors entwickelt hatte. Sein Problem war, dass der große Motor so nicht in den Motorraum passte. Mit 27 Jahren und vollem Tatendrang durchforstete er die vorhandenen Möglichkeiten aus dem MB-Regal. Er nahm den 300er Grundblock mit den drei Solex 32 PAIAT-Vergaser mit dem Luftfilter des 300Sc. Diese Kombination passte aber erst, nachdem der Motor um 50 Grad gekippt wurde. Der Ansaugkrümmer, Ölwanne und das Abgassystems wurde angepasst.

Die ersten Tests ergaben eine Leistung von 139 PS, die aber noch nicht ausreichten. Obländer konnte die Motorleistung auf beachtliche 151 PS bei 5.100 U / min steigern. Die Praxiserprobung sollte bei der Alpenrallye 1956  erfolgen. Die ungünstige Gewichtsverteilung  hätte man noch in den Griff bekommen können, aber die Produktionskosten waren auch für diese Motor-Kombination wieder viel zu teuer. Auch dieses Projekt wurde deshalb „auf Eis gelegt“.

Die Unterstützung des Vorstands war weiterhin vorhanden. Obländer nahm deshalb die preiswertere und leichtere Variante aus der Ponton-Serie, den 2,2 Liter Sechszylinder Motor M180. Mit einer Kraftstoffeinspritzung und einer geänderten-Nockenwelle standen schon 117 PS zur Verfügung. Natürlich war der Motor wieder zu lang. Dieses Problem wurde durch eine Einbuchtung in die vordere  Schottwand behoben.

Es wurden zwei solche 220 SL hergestellt, einmal als Linkslenker und einmal als Rechtslenker. Da es sich um das vierte und fünfte Testauto mit dem größeren Motor handelte, wurde diese intern 190 SL/4 und 190 SL/5 genannt. Der MB-Werkscode für diese Fahrzeuge wurde mit W127 festgelegt, der Motor erhielt in dieser Ausführung die Bezeichnung M127.

Erich Waxenberger testete als erster das Fahrzeug und war von der Geschwindigkeit und dem Fahrverhalten angetan. Die vorderen Federn waren für diese Motorausstattung noch zu weich, was zu einem Übersteuern in schnellen Kurven führte. Ohne Umrüstung, mit einem 80 kg Ausgleichsgewicht  im Kofferraum, war dies verschwunden.

Im Juni 1956 setzten sich Rudolf Uhlenhaut und die Formel-1-Legende Karl Kling auf der berühmten Nordschleife des Nürburgrings ans Steuer der beiden Mercedes SL W127. Das Auto entwickelte zwischenzeitlich 130 PS. Sie fuhren ohne Probleme eine Runde nach der anderen. Die Zeit lag bei elf Minuten und neunundzwanzig Sekunden. Arthur Mischke, der später Entwicklungsleiter wurde, versuchte ihnen in einem Standard-190 SL zu folgen, war aber immer gut 25 Sekunden langsamer. Diese Ergebnisse und weitere Tests im alpinen Gebiet des Großglockners, ermutigten Nallinger, sich an seine Vorstandskollegen zu wenden und vorzuschlagen, den W127 als 220SL in das offizielle Mercedes-Benz Programm aufzunehmen und für die Produktion vorzubereiten. Am 12. April 1957 wurde in einer Vorstandssitzung beschlossen, die SL-Baureihe zu erweitern, einmal als 190 SL und in der stärkeren Ausführung als 220SL. Der Rechtslenker wurde nach Macau versendet, möglicherweise für den dortigen Grand Prix im Jahre 1957.

Die weiteren Abläufe der einzelnen Vorstands-Sitzungen sind im Buch von Günter Engelen (190 SL – 280 SL, Motorbuch-Verlag, ISBN 3-613-01367-3) detailliert beschrieben. Hans Moll war Werksleiter in Untertürkheim. Er hatte schlechte Nachrichten für Nallinger. Er wies ihn darauf hin, dass die für die Produktion des neuen Sechszylinders mit Kraftstoffeinspritzung erforderlichen Werkzeuge nicht rechtzeitig zur Erfüllung des Startzeitplans zur Verfügung stünden. Nallinger als Leiter der Gesamtentwicklung war nun mit einem Problem konfrontiert. Weil die Verzögerung der Einführung des 220SL sein anderes und wichtigeres Projekt bedeuten würde, wäre auch die Entwicklung der brandneuen Serien W111 und W112 in Gefahr.

Beim Treffen am 1. Juli 1958 mit Moll wurde ihm mitgeteilt, dass bei einem planmäßigen Ablauf der W111 und W112 die Produktion des 220SL frühestens 1960 beginnen würde. Als der Vorstand erneut zusammentrat, äußerte Nallinger seine Besorgnis über den neuen W111 Die S-Klasse verfügte über eine völlig neue Karosserietechnologie. Und dies könnte die Produktion des 220SL beeinträchtigen, der noch die alte 180-Plattform auf der gegenüberliegenden Seite derselben Fertigungsstraße verwendete. Die Serieneinführung des 220 SL wäre vor 1960 nicht möglich. Aus diesem Grund schlug er vor, die geplante Produktion des 220SL einzustellen und stattdessen auf der modernen Basis des W111 ein komplett neues Design mit einem neuen Motor vorzubereiten. Da sich der serienmäßige Mercedes 190SL mit seinem Serienmotor noch recht gut verkaufte, akzeptierten seine Kollegen diesen Vorschlag. Dieses neue Auto, intern wurde es während der Entwicklungszeit als 220SL bezeichnet, wurde dann 1963 als 230SL / W113 eingeführt.

  1. Zeitsprung / Australien:

1960 wurde ein rechtsgelenktes Fahrzeug mit einem serienmäßigen 1,9 Liter-Motor vom Mercedes Importeur BEA Motors in Adelaide verkauft. Wie das Fahrzeug von Macau nach Australien kam, ist unbekannt. 1973 wurde dieses Fahrzeug von Ray Eastwood als „nicht fahrbereiter 190 SL“ erworben, ohne genau zu wissen, was es war. Bei einer Deutschlandreise, mit belegbaren Fotos, identifizierte man bei Mercedes Benz dann das Fahrzeug als RHD 220SL.

Mit diesem Wissen restaurierte Ray Eastwood dann das Auto mit einem 2,2-Liter-Sechszylinder und mechanischer Kraftstoffeinspritzung, wie sie in den damaligen Fahrzeugen verwendet wurden. Er änderte die Farbe von Schwarz in traditionelles Mercedes-Rennsilber und baute das Fahrzeug als „Sport-Variante“ wieder auf.

2014 wurde dieses Fahrzeug auf der Motorclassica in Melbourne ausgestellt. Dieser einzigartige Mercedes-Benz 220 SL ist eines der wertvollsten Autos in Australien. Sammler aus aller Welt beziffern den Marktwert auf ca. 2. Millionen US-Doller. Das Fahrzeug steht in der Ray Eastwood-Sammlung und ist unverkäuflich.

  1. Zeitsprung / Deutschland:

1991 wurde ein 190 SL von den USA nach Deutschland importiert. Wir erinnern uns auch an das Ende der 80er Jahre mit dem Verbot von verbleiten Kraftstoffen und Einführung der Abgasnorm Euro 1 zum 1. Juli 1992.  Keiner wusste so richtig, wie die Geschichte mit den alten Fahrzeugen weiter gehen wird. Da das Fahrzeug nicht richtig lief, kam es in eine DB-Niederlassung in Schweinfurt / Bayern. Der Eigentümer erteilte den Auftrag, einen neuen, modernen Antrieb in das Fahrzeug zu installieren, damit das o.g. Thema zukünftig keine Rolle mehr spielte.  Die Wahl viel damals auf den aktuellen 2,3 l, M102 E23 mit 136 PS vom W124 samt Getriebe und geregelten Katalysator. Der Umbau war 1993 abgeschlossen, inklusive einer neuen roten Lackierung und einer neuen schwarzen Innenausstattung. Die Gesamtumbaukosten beliefen sich auf wahnsinnige 88.000,- DM. Für das gleiche Geld hätte man zur damaligen Zeit zwei sehr gute und originale 190 SL bekommen können.

2006 erwarb Holger Göpfert das Fahrzeug. Begeistert vom Durchzugvermögen, bei geringem Kraftstoffverbrauch von ca. 6- 7 Litern, war Fahrspaß garantiert. Cruisen im 3.Gang mit 30 km/h, oder Beschleunigung bis 130 km/h im gleichen Gang waren ohne Probleme möglich. Bis 2011 konnten hiermit einige GTI-Fahrer und andere geärgert werden, denn die Spritzigkeit war enorm und das Leistungspotential war für einen 190 SL unbekannt.

Für Holger Göpfert hat sich der 190 SL zum liebsten Kind der Mercedes-Baureihe entwickelt. Seit über 33 Jahren im MVC beschäftigt er sich mit Historie sowie Ausführungen der unterschiedlichen Baujahre, Ersatzteile sowie Literatur wurden als Grundlage gesammelt. Auch die Geschichte des nicht mehr existierenden linksgelenkten 220 SL W127 faszinierte ihn und ließ in nicht mehr los.  Aktuell wird das Fachwissen für die Restauration des MB-Ausstellungs-Fahrzeuges von 1955 in Thessaloniki / Griechenland genutzt, welches zum Verkauf ansteht. Bereits heute könnte dieses frühe Modell für einen interessierten Sammler reserviert werden.

2011 kam die Wende. Das Lenkgetriebe hatte Spiel und musste überholt werden. Der Ausbau gelang erst, nachdem der 2,3 l-Motor ausgebaut war und die vergrößerte Stirnwand so richtig in den Vordergrund rückte. Jetzt gab es die einmalige Gelegenheit, das Fahrzeug wieder Original zurück zu bauen. In mehreren Gesprächen mit dem Mercedes-Classic Centrum sowie des Ehrenvorsitzenden des MVC Winfried Seidel wurde das Projekt 220 SL diskutiert. Von beiden Seiten wurde dieses ambitionierte Vorhaben begrüßt, eine Epoche der Entwicklungsgeschichte wieder auf die Straße zu bringen. Vom Werk konnte aber keinerlei Unterstützung zugesagt werden, bezüglich Fertigungspläne und weiteren Unterlagen.

Nach mehreren schlaflosen Nächten wurde dann von Holger Göpfert eine Entscheidung gefällt, von dem er noch nicht wusste, was so alles auf ihn zukommen werden sollte. Zielvorgabe war es, zum 60-jährigen 190 SL- Jubiläum auch den linksgelenkten 220 SL präsentieren zu können. Im Fundus befand sich noch ein M127 2,2 l SE-Motor, baujahrsgleich mit dem Fahrzeug aus 1959 und identisch mit den australischen 220 SL.

2012 wurde das Fahrzeug bis auf die letzte Schraube zerlegt und mit der Restaurierung begonnen.

2013 war die passende 2-Stempel-Einspritzpumpe mit der richtigen Ersatzteilnummer samt den notwendigen Anbauteilen gefunden. Achsen und Getriebe wurden neuwertig aufgebaut.

2014 konnte erstmalig der Motor in die Karosserie eingebaut werden. Die größere Öffnung in der Stirnwand war ja bereits vorhanden. Da der Motor immer noch zu lang war, mussten die Motoranbauteile durch kürzere ersetzt werden. Bei der Wasserpumpe war das dank des MB-Baukastensystems kein Problem. Eine passende Adapter-Platte für Motor und Getriebe, wie damals verbaut, war natürlich für viel Geld und gute Worte nicht zu bekommen. Diese  wurde dann in Eigenregie aus 6 mm Stahlblech gefertigt, so dass das Einbaumaß um weitere 42 mm schrumpfte. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Platzierung passte und sich auch die Motorhaube wieder schließen ließ.

2015 wurde immer noch am Motor- und Getriebe gearbeitet. Alle Anbauteile wurden platziert. Der Original-Anlasser passte plötzlich nicht mehr. Mit einer neuen Adapter-Platte in 8 mm Stärke konnte auch dieses Problem gelöst werden. Auch das vorhandene Oberteil des Kardantunnels von 1993 musste weichen, damit 1. die Zugänglichkeit  des Getriebes und 2. eine verstärke Ausführung des Tunnels möglich war. Die Kardanwelle wurde in einem Fachbetrieb auf die notwendige Länge gekürzt und gewuchtet. Fahrversuche, ob alles passt, waren nicht möglich, da der Motor ja nicht lief.

2016 kam der Motor in einen Fachbetrieb und erhielt das komplette Programm von neuen Kolben, härteren Ventilsitzen, Nockenwelle etc. und wurde in Neuzustand versetzt. Auch die Einspritzpumpe wurde einem Spezialisten übergeben und ein Prüfprotokoll erstellt. Zwischenzeitlich wurden weitere Teile des Fahrzeuges restauriert.

2017 war es endlich soweit. Erstmalig wanderten alle notwendigen Teile in die Rohkarosserie. Aus Sicherheitsgründen wurden dem Hochleistungskühler noch einen zusätzlichen Lüfter verpasst, damit wirklich keine thermische Probleme auftreten konnten. Die ersten Fahrversuche waren hoch erfreulich, aber der Motor lief viel zu fettig. Mit dem Berliner Einspritzpumpen-Spezialisten wurde Kontakt aufgenommen, der bereit zur Nachjustierung war, aber das Fahrzeug musste dazu nach Berlin. Da dort kein geeigneter Werkstattplatz zur Verfügung stand, wurde das Fahrzeug der dort ansässigen Firma HK-Engineering überstellt.  Die Justierung der 2-Stempel-Pumpe war kein Problem, aber Aus- und Einbau sowie Kontrolle von Ventilspiel und Zündung, sowie provisorisches Anschließen der Kaltstart-Vorrichtung schlugen zusammen mit der Anschaffung der Pumpe mit über 10.000,- Euro zu buche. Das Ergebnis war überwältigend. Der Motor lief jetzt wie ein Uhrwerk. Das Fahrzeug wurde wieder komplett zerlegt und Ende des Jahres konnte mit den Lackierarbeiten begonnen werden.

2018 stand dem Wiederaufbau nichts mehr im Wege. Ein Glücksfall war der Erwerb von originalen und neuen Monroe-Stoßdämpfer mit Zusatzfeder der 220 Ponton-Serie. Somit war auch das Problem der zu weichen vorderen Federn gelöst und auf jeder Seite ist jetzt ein Doppelfeder-System vorhanden. Die Sonderanfertigung des „ABARTH –Auspuffanlage 220 SE / M127“  in Edelstahl ist materialtechnisch zwar nicht zeitgemäß, aber vertretbar.

2019 und auch in den Vorjahren waren viele Zusatzarbeiten notwendig, die nicht beschrieben sind. Aus den ursprünglich geplanten 3 Jahren wurden insgesamt 8 Jahre Arbeit, auch mit vielen Organisationsstunden, um dieses Fahrzeug wieder aufzubauen.

In familiärer Atmosphäre fanden sich am 23.Juni 2019 wieder exklusive Fahrzeuge in den kleinen 800 Seelen-Luftkurort Löffingen Dittishausen im Hochschwarzwald ein. Alle zwei Jahre findet dort das Leiterwagenrennen im Dorfkern statt, angegliedert an diese Veranstaltung ist ein Oldtimertreffen der besonderen Art.

Primäre war dort die Vorstellung des 220SL mit Cabrio-Dach in Linkslenkerbauweise. Das einzig existierende Fahrzeug weltweit dieser Art. Auf den ersten Blick erkennt man dieses „Schätzchen“ nicht. Nur die besondere Ausstattung mit Kübelsitze sowie die 2-farbige Lederausstattung und den aufgearbeiteten Tacho mit VDO-Zifferblatt bis 240 km/h und der rote Drehzahlbereich über 6.000 U/min zeigen optisch die geänderte Ausführung. Markant ist natürlich der Schriftzug auf dem Heckdeckel mit 220 SL, wobei fast niemand dieses rare Teil einzuordnen weiß.

Auf Knopfdruck springt der 6-Zylinder an, begleitet durch ein leises Summen der Benzinpumpe. Die ersten 3 Gänge sind schnell durchgeschaltet.  Durch den seidenweichen Lauf des Motors ist beim Cruisen so gut wie nicht zu hören. Im Gegensatz zur sportlichen Fahrweise zeigen Ansauggeräusche und das Röhren des Auspuffes was tatsächlich im Fahrzeug steckt. Drehmoment und Durchzugvermögen sind mit der 190 SL-Baureihe nicht vergleichbar. Was für ein Genuss für Fahrer und Ohr, alle 4 Gänge bis an die Leistungsgrenze zu nutzen. Die Fahrwerksabstimmung ist perfekt. Bei sportlicher Fahrweise sind kurvenreiche Strecken sowie Bergfahrten sein eigentliches Einsatzgebiet. Die Erfahrungen aus den Versuchsfahrten Nürburgring 1956 könnten heute mit dem 220 SL voll bestätigt werden. Die Leistungsgrenze derzeit liegt nicht am Fahrwerk und Motor, sondern  an den montierten Weißwandreifen mit dem vorhandenen Profil. Zum harten Wettbewerbseinsatz  wurde dieses Fahrzeug auch nicht aufgebaut. Der 220 SL hätte die Lücke zwischen 190 SL – 300 SL wunderbar schließen können. Schade ist, dass keine Serienfertigung des W127 stattfand, aber doch zwei Exemplare als Zeitzeugen vorhanden sind.

QUELLE: MB 190SL Club
mit freundlicher Genehmigung von Holger Göpfert