Ilario’s neuestes Modell im Maßstab 1:43 ist der Mercedes-Benz 680 Typ S, Baujahr 1928, Rechtslenker, Commission Nr. 41329, Chassis Nr. 35979, Motor Nr. 72174, und Karosserie Nr. 2611, Karosserie von “Carrosserie Georges Gangloff, Genève et Zurich“, Suisse/Schweiz.
Ich wage nicht mehr zu sagen, was für ein fantastisches Auto dies ist, einfach weil dies eine Ungerechtigkeit gegenüber all den anderen Kompressorautos wäre. Jedes ist ein Wunderwerk für sich.
Ilario scheint das auch so zu sehen, denn dies ist nun ein weiteres Modell in der Reihe der verschiedenen Mercedes-Benz Modelle vom Typ S, SS und SSK, die er produziert, und da wir gerade von Wundern sprechen, seine neuestes Modell im Maßstab 1:43 ist auch ein kleines Wunder. Sicher, für rund 300,-€ ist dieses Ilario-Modelle nicht gerade preiswert, aber das war ein nagelneuer Typ SS im Jahr 1931 auch nicht: Es ist erwähnenswert, dass der Mercedes SS in der Cabriolet-Version teurer (Cabriolet C: 45.0000 RM im Jahr 1932) als der Mercedes 770 (W07) „Großer Mercedes“ war (Cabriolet C: 41.500 RM im Jahr 1932)! Und ich will gar nicht erst damit anfangen, wie viele Jahrzehnte ein Durchschnittsverdiener in Deutschland hätte arbeiten müssen, um sich ein solches Auto leisten zu können. Vielleicht, vielleicht, hätte sein Enkel es endlich sein Eigen nennen können.
Die Geschichte des 680 Typ S, Chassis Nr. 35979
Zuallererst möchte ich mich bei Herrn Markus Kern für die unglaubliche Anzahl seltener Zeitdokumente und einen ebenso unglaublichen Fundus an Fotos bedanken, die er mir für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat.
Die Geschichte fing am Dienstag, den 23. Oktober 1928 an: an diesem Tag wird das Sport/4-Fahrgestell mit der
Kommissionsnummer 41329 von Stuttgart-Untertürkheim an „Carrossiers Georges Gangloff in Genf und Zürich“ zur Karosseriemontage geschickt.
Am 12. Dezember überweist dann das Stuttgarter Werk an die Gangloff-Karosserien 7.100 Schweizer Franken, d.h. 5722,60 Reichsmark, als Bezahlung der Karosserie.
Am 25. Januar 1929 schickt Gangloff den fertigen 680 Typ S, nun mit der Gangloff-Karosserie Nr. 2611, zurück nach Stuttgart. Der Wagen ist rot-schwarz lackiert, – ein typisches Gangloff-Farbschema übrigens – wobei ich vermute, dass die Kotflügel sowie der Zierstreifen (in Ermangelung einer besseren Definition) rund um den Wagen schwarz waren.
Als nächstes wird der Wagen für die Ausstellung auf der Kopenhagener Automobilausstellung (22. Februar bis 3. März 1929) vorbereitet, und an den Mercedes-Benz Importeur, die Firma Nordisk Motors in Kopenhagen, transportiert.
Interessant ist, dass eine Automobilausstellung zu dieser Zeit weniger ein Schauplatz für die Automarken war, als vor allem eine Ausstellung von Autohändlern, fast ein Händlermarkt, auf dem neue Autos nicht nur bewundert und besichtigt werden konnten, sondern auf dem auch oft die ausgestellten Autos an Ort und Stelle, sozusagen vom Stand weg, gekauft wurden, vermutlich zur sofortigen Auslieferung am Ende der jeweiligen Ausstellung. Während der Kopenhagener Ausstellung besuchten zwei Mitglieder der dänischen Königsfamilie, Kronprinz Friedrich von Dänemark und Prinz Axel von Dänemark, unter anderen auch den Stand von Mercedes-Benz und begutachteten den 680 Typ S. Insbesondere Prinz Axel, Präsident des Königlich dänischen Automobilclubs, schien sich sehr für den 680 S zu interessieren.
Am 25. April kehrt der Wagen nach Untertürkheim zurück.
Vier Tage später, am Montag, 29. April 1929, bestellt die Mercedes-Benz Automobile AG Zürich für einen Hermann Schreiber in Grenchen (Kanton Solothurn, Schweiz) den 680S Tourer mit Gangloff-Karosserie, und am 31. Mai wird der 680 Typ S, Tourer, mit der Fahrgestell-Nr. 35979 an Mercedes-Benz Zürich für seinen neuen – und ersten – Besitzer Hermann Schreiber ausgeliefert. Offenbar wurde der Wagen dann 1934 an einen Gustav Bader aus Olten (Kanton Solothurn) verkauft und erhielt das Solothurner Kennzeichen SO 2533. (das er Wagen heute wieder stolz trägt!).
Was mit dem Wagen in den folgenden Jahren geschah, konnte nicht nachvollzogen werden, doch am 15. August 1947 wurde der Wagen auf einer Straße in Zürich fotografiert. Auf dem vorliegenden Bild sind, abgesehen von
einem anderen Kennzeichen, Veränderungen an der Front zu erkennen, am auffälligstem die vorher nicht vorhandenen Stoßstangen, aber auch Radabdeckungen, andere Scheinwerfer und zwei Hörner statt nur einem.
Als nächstes taucht der Wagen 1958 wieder auf, als ein Hansjoerg Bendel aus Zürich den Wagen für „etwas weniger als 2500 US$“ erwirbt… Was dann folgt, ist ein Briefwechsel zwischen Herrn Bendel und dem Mercedes-Museum-Archiv in Stuttgart. In einem Brief vom 24. Juli 1958 bittet Herr Bendel um Informationen über das
ursprüngliche Aussehen des Wagens im Heckbereich: „Das Heck des Wagens wurde zu einem nicht feststellbaren
Zeitpunkt „modernisiert“ – bis inkl. Türen ist die Karosserie offensichtlich original. Ich möchte nun sehr gerne das Heck in den ursprünglichen Zustand zurückbauen, und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir… geeignete Unterlagen betreffend des Karosseriehecks zur Verfügung stellen könnten.“
Die Umstände, unter denen ein potentieller Käufer in den USA von der Existenz und Verfügbarkeit des Wagens erfuhr, sind nicht eindeutig bekannt, aber im November 1959 beauftragt die Adam Opel AG in Rüsselsheim (Deutschland), damals noch eine Tochtergesellschaft von General Motors, einen ihrer in Zürich ansässigen Mitarbeiter, Manfred Prigge, den Wagen im Auftrag von Harry Charles Dumville, einem Director of Engineering bei GM in Detroit, zu inspizieren und zu begutachten.
Der sehr detaillierte Bericht über diesen Besuch in der Garage von Herrn Bendel vom 27. November lautet u.a. wie folgt: „Herr Bendel hat den Wagen vor etwa einem Jahr von einem Erben gekauft, der nicht fahren konnte (Zitat von Herrn Bendel, der weder Name noch Adresse der Person, von der er den Wagen gekauft hatte, angeben wollte). Die Karosserie des Wagens ist bis hin zu den Rückseiten der Vordersitze authentisch. Das komplette Heck des Wagens wurde vom Vorbesitzer durch ein „moderneres“ Design ersetzt… Die Polsterung ist praktisch nicht vorhanden… die Windschutzscheibe fehlt am Wagen…“ Zum Zeitpunkt des Berichts von Herrn Prigge an seinen Vorgesetzten bei der Adam Opel AG wird die Farbe des 680S als ein helles Marinegrau mit dünnen feuerwehrroten Streifen beschrieben.
Trotz der Tatsache, dass Herr Bendel sich weigert, die Namen und Adressen der Vorbesitzer des Wagens zu
nennen, und trotz seiner eher beschwichtigenden Antworten auf Fragen über den Zustand des Wagens,
unterbreitet Herr Dumville Herrn Bendel einen Kaufvertrag in der vereinbarten Höhe von 10.760 Schweizer Franken bzw. 2.500 US-Dollar. Der Kauf wird am 4. Februar 1960 abgeschlossen.
Schließlich erklärt sich Herr Bendel bereit, am 1. April 1960 im Vizekonsulat der Vereinigten Staaten in Zürich eine eidesstattliche Erklärung zu unterzeichnen, dass er bis zum Verkauf des Wagens an Herrn Dumville rechtmäßiger Eigentümer des Mercedes 680S, Fahrgestell Nr. 35979, war.
Der Wagen wird dann nach Detroit verschifft, wo Herr Dumville den hinteren Teil zu einem zweisitzigen 680S umbauen lässt. Der Wagen wird cremefarben umlackiert und trägt nun das historische Nummernschild 35X64 des Michigan Historical Motor Vehicle.
Zweiunddreißig Jahre später, am 27. Dezember 1992, stirbt H.C. Dumville. Sein Schwiegersohn C. Elbert „Val“
Valentine erbt den Wagen. Am 30. Juni 2006 stirbt C. Elbert Valentine. Das Auto geht in den Besitz seiner Frau Georgia D. Valentine über, der Tochter von Harry C. Dumville.
Ein bekannter deutscher Sammler und Restaurator von Oldtimern, Markus Kern, kauft den 680S von Georgia D. Valentine. Es wird vereinbart, dass der Kaufpreis in einen Treuhandfonds für die Ausbildung der Nachkommen von Frau Valentine fließt.
Der 680S Tourer wird nach Deutschland transportiert; von 2009 bis 2011 rekonstruiert die Rod Jolley Coachbuilding Ltd. aus Lymington, Hampshire, Großbritannien, die originale Gangloff- Karosserie Nr. 2611.
Rund ein Jahrzehnt nach dem Kauf des Fahrzeugs in den USA verkauft Herr Kern am 12. Juni 2018 seinen teilrestaurierten 680 Typ S mit Karosserie von Gangloff an Herrn Robert Kudela, einen Sammler aus Kroměříž,
einer Stadt in der Region Zlín in der Tschechischen Republik.
Während der Jahre 2019 und 2020 restauriert die MTK Fahrzeugtechnik GmbH in Großmaischeid, in der Nähe
von Koblenz, das gesamte Fahrgestell des Wagens. Anschließend wird der Wagen nach Kroměříž transportiert, wo Robert Kudela die Restaurierung zu Ende führt, diese Arbeiten umfassen die Innenausstattung, sämtliche Polsterarbeiten, die Fertigstellung der Karosserie, und schließlich die Lackierung, und die Endmontage. Der schließlich fertig restaurierte Mercedes-Benz 680 S von 1928 mit der Fahrgestellnummer 35979 nimmt am 1. September 2021 am „Salon Privé -Concours d’Élégance“ auf dem Gelände des Blenheim Palace in Woodstock,
Oxfordshire, England, teil.
Nachtrag: eine identische TourerKarosserie von Gangloff auf Mercedes-Benz 680 S Fahrgestell wurde 1928 während der Schweizer Automobilausstellung in Genf „einstimmig für das schönste Ausstellungsstück erklärt“ (Zitat).
Der einzig deutliche Unterschied zwischen dem oben beschriebenen Mercedes 680 S mit dem Fahrgestell 35979, und diesem in Genf ausgestellten 680S Tourer (Fahrgestell Nr. 35341) bestand darin, dass der ausgestellte Wagen
keine durchgehende, sondern über eine klapppbare Windsschutzscheibe verfügte.
Mit diesem 1:43 Modell des Mercedes-Benz 680 Typ S von 1928, Chassis 35979, hat Ilario den Sammlern von Mercedes-Benz Miniaturen einmal mehr ein Modell geschenkt, auf das sie stolz sein können. Es ist eine perfekte Miniaturisierung des Vorbilds und bei Ilario unter https://ilariostore.com für ca. 310,-€ oder USD (+ Versand) erhältlich.