Aus der Clubzeitung: Motorkühlung mit dem Viscolüfter

von Helmut Lang 
aus der MB R/C 107 SL-Clubzeitung 107 Klassik

Der folgende Artikel wurde uns freundlicherweise vom Mercedes-Benz R/C 107 Club aus deren Clubzeitung zur Verfügung gestellt. Er bezieht sich speziell auf die betroffenen Fahrzeuge der Baureihe R/C107. Da die dort verbauten Aggregate aber auch in anderen Mercedes-Benz Baureihen zeitgleich eingesetzt wurden, ist der Artikel sicherlich auch für diese Baureihen interessant.


3,5-Liter-V8-Motor M 116

Funktionsprüfung des Viscolüfters

In den 70er-Jahren konnte man BMW Limousinen, wie den 2002 tii, schon von Weitem eindeutig am typisch lauten Geräusch des Ventilators erkennen. Mercedes PKWs vermieden diesen Lärm durch Abregelung der Lüfterdrehzahlen. Zwei ausgeklügelte Regelschaltungen entkoppeln den Lüfter von hohen Drehzahlen des Motors und sorgen nur dann für Unterstützung des kühlenden Fahrtwindes, wenn wirklich Bedarf besteht.

In vielen Anfragen sorgen sich Clubmitglieder um ihre Klassiker, wenn die Kühlmittelthermometer bei Volllast mehr als 100°C anzeigen. Halten sie ihren 107er für einen der Oldtimer mit druckloser Kühlung, dessen Thermometer bei 95°C vor der bevorstehenden Panne warnt? Oder sind Kühlwassertemperaturen über 100°C auf Serpentinenstraßen oder bei Staustress beim 107er ganz normal? Ein Blick in die Bedienungsanleitung kann die Sorgenfalten glätten.

MB Energiekonzept 1981

Bereits ab Anfang 1980 erhielten alle 107er die neu entwickelten Getriebeautomaten W4A 040 mit vier Gangstufen. Mit der Umsetzung des „MB Energiekonzepts 1981“ wurden bei allen 107ern die Achsübersetzungen verlängert. Die sportlich wild drehenden Antriebsstränge wurden dadurch Richtung Schonung und Treibstoffeinsparung auf geringere Drehzahlen optimiert. Logischerweise wurde auch das Kühlsystem zur Wirkungsgraderhöhung auf höhere Motortemperaturen weiterentwickelt und mit neuen 3-Wege-Kühlmittelreglern, sowie doppelt geregelten Viscolüftern ausgestattet. Im vorstehenden Bericht „Doppelt geregelte Motorkühlung“ habe ich die komplexe, nicht ganz einfach zu verstehende Regelung beschrieben. Doch zunächst zu den nur drehzahlgeregelten der ersten zehn Baujahre.

Visco mit Drehzahlregelung

Bis 9/81 waren die Lüfter nur drehzahlgeregelt. Sie folgen der Motordrehzahl per Riemenuntersetzung und Viscokupplung. Ein Fliehkraftmechanismus verschließt den Viscokreis bei der Motordrehzahl 3850 /min und maximaler Lüfterdrehzahl 1900 /min. Darüber reicht das Drehmoment nur noch für 1.000…1.200 /min. Je nach Motor und Baujahr gelten abweichende Zahlenwerte.

So vermeidet man bei schneller Fahrt nicht nur das Heulen des Lüfters, sondern spart auch Kraftstoff. Die Leistungsabzweigung steigt von Leerlaufdrehzahl mit 0,5 PS bis Motordrehzahl 3.850 /min auf 5 PS, um darüber im Schlupf nur 1 PS abzuzweigen. Und da die altehrwürdigen 107er recht sportliche Drehorgeln sind, wird der Verzicht auf den „BMW tii-Klang“ mit messbarer Spriteinsparung honoriert.

Prüfung drehzahlgeregelte Lüfter

In den Tabellen steht M = Motordrehzahl und L = Lüfterdrehzahl.

Warnung: Nicht mit den Händen in die drehenden Lüfterblätter greifen – Verletzungsgefahr!

Test 1   Stillstandsprüfung: Bei Motorstillstand ist der Lüfter gegen das Reibmoment der Viscokupplung mit etwas Kraftaufwand drehbar. Defekt jeweils bei „reibungslos drehbar“ und bei „gar nicht drehbar“.

Test 2   Leerlaufdrehzahl: Das Drehmoment treibt den Lüfter ohne Schlupf mit 450 /min an. Mit einer dicken Tageszeitung sollte der Lüfter noch zu stoppen sein.

Test 3   Gaszunahme bis Motordrehzahl M ≥ 4.000 /min; drehzahlgeregelte Abschaltung: Der Lüfter dreht bis zur Motordrehzahl M 3.900 /min kraftvoll mit geringem Schlupf bis L 1.900 /min hoch. Über der Motordrehzahl M  3.900 /min fällt die Lüfterdrehzahl mit großem Schlupf auf L 1.000 /min.

Test 4   Gasabnahme von Motordrehzahl M ≥ 4.000 /min bis Leerlauf; drehzahlgeregelte Zuschaltung: Über der Motordrehzahl M  3.900 /min ist die Lüfterdrehzahl mit großem Schlupf auf L 1.000 /min. Fällt die Motordrehzahl unter M 3.500 /min, dreht der Lüfter wieder hoch entsprechend der Riemenübersetzung.

Der Bimetallstreifen schaltet den Lüfter zu, wenn ihn die Abwärme des Kühlers auf 95°C erwärmt hat. Regelhysterese: Im Mittel EIN bei 95°C (90 + 10°C); AUS bei 82°C

Bei Defekt des Regelmechanismus bewirken Motordrehzahlen ab M 4.000 /min laute Lüftergeräusche. Je nach Motorausstattung und Baujahr gelten abweichende Zahlenwerte.

Doppelt geregelte Lüfter

Mit dem „MB Energiekonzept 1981“ hat man für alle Motoren zur Steigerung des Wirkungsgrades auch die „Wohlfühltemperatur“ heraufgesetzt. Zur weiteren Verringerung der Lüfterverluste wurde der kraftvolle Einsatz des Lüfters auf hohe Temperaturen begrenzt. Erst wenn der Bimetallstreifen der Viscokupplung von der Abwärme des Kühlers auf mindestens 90°C aufgeheizt ist, wird der Lüfter kraftvoll zugeschaltet. Dazu muss die Kühlmitteltemperatur 95°C übertreffen. Folglich hat der Lüfter bei mittlerer Motorlast „Dauerurlaub“, wobei er sich 0,5 PS abzweigt, um mit 400 …600 /min ein sanftes Lüftchen für den Leerlaufbetrieb an der Ampel zu erzeugen.

Verweilt auf steiler Rampe bei herber Volllast die Kühlmitteltemperatur einige Zeit bei 95 …100°C, schaltet die Thermoregelung den Lüfter zur Fahrtwindunterstützung ein. Dann dreht der Lüfter bis zur Motordrehzahl 3.850 /min, riemenuntersetzt bis 2.000 /min. Darüber greift der Drehzahlregler und schickt den Lüfter schon wieder in „Urlaub“ mit 400 …600 /min, bis der Motor wieder langsamer als 3.400 /min dreht.

Bei Motordrehzahlen größer 3.850 /min unterstellen die Ingenieure eine Fahrgeschwindigkeit, die hinreichende Fahrtwindkühlung bewirkt und keiner Unterstützung bedarf. Der Fliehkraftregler verhindert (baugleich wie vor 9/81) den „BMW tii-Klang“ und das spart Treibstoff.

Prüfung doppelt geregelte Lüfter

Zur Prüfung der Viscokupplung (ab 9/81) gibt MB Motordrehzahlen vor, die dem Besitzer des Schätzchens körperlichen Schmerz bereiten könnten. Sie sind weder im Wohngebiet, noch auf einem Autobahnparkplatz zumutbar. Meist überzeugen Test 1 …Test 3. Für Test 4 …Test 6 muss zuvor die Kühlmitteltemperatur kunstvoll einige Zeit gegen 100°C gehalten werden. In den Tabellen steht M = Motordrehzahl und L = Lüfterdrehzahl.

Warnung: Nicht mit den Händen in die drehenden Lüfterblätter greifen – Verletzungsgefahr!

Test 1   0 …90°C; Stillstandsprüfung: Bei Motorstillstand ist der Lüfter gegen das Reibmoment der Viscokupplung leicht drehbar. Defekt jeweils bei „reibungslos drehbar“ und bei „gar nicht drehbar“.

Test 2   0 …90°C; Leerlaufdrehzahl: Das Drehmoment muss den Lüfter mit geringem Schlupf mit 400 /min gegen den Luftwiderstand antreiben. Dicke Tageszeitung in den Lüfter halten. Der Lüfter muss damit leicht anzuhalten sein.

Test 3   0 …90°C; Motordrehzahl 2.500 …3.000 /min: Das Antriebsmoment muss hinreichend sein, um den Lüfter mit 400…600 /min gegen den Luftwiderstand anzutreiben, aber nicht stärker. Dicke Tageszeitung in den Lüfter halten. Der Lüfter muss damit anzuhalten sein.

Test 4   95 …100°C; Leerlaufdrehzahl; temperaturgeregelte Zuschaltung: Die Lüfterdrehzahl folgt starr der Motordrehzahl entsprechend der Riemenübersetzung. Dicke Tageszeitung in den Lüfter halten. Sie wird vom Lüfter zerfetzt.

Test 5   95 …100°C; Gaszunahme bis Motordrehzahl M ≥ 4.000 /min; drehzahlgeregelte Abschaltung: Der Lüfter dreht bis zur Motordrehzahl M 3.850 /min kraftvoll mit geringem Schlupf bis L 2.000 /min hoch. Bei der Motordrehzahl M  3.900 /min fällt die Lüfterdrehzahl mit großem Schlupf auf L 400 …600 /min.

Test 6   95 …100°C; Gasabnahme von Motordrehzahl M ≥ 4.000 /min bis Leerlauf; drehzahlgeregelte Zuschaltung: Über der Motordrehzahl M  4.000 /min ist die Lüfterdrehzahl mit großem Schlupf L 400 …600 /min. Fällt die Motordrehzahl unter M 3.400 /min, dreht der Lüfter wieder hoch entsprechend der Riemenübersetzung.

Hat die Temperaturregelung bei 95°C angesprochen, bleibt die drehzahlgeregelte Zu- und Abschaltung bis zur Abkühlung des Bimetalls auf ca. 82°C bestehen. Aber oberhalb der Motordrehzahl M 3.850 /min muss das Drehmoment in jedem Fall so gering sein, dass der Lüfter nur mit 400 …600 /min bummelt. Je nach Motorausstattung und Baujahr gelten geringfügig abweichende Zahlenwerte.

Hilfsmittel zur Aufheizung des Bimetalls: Deckt man mit Pappe den Kühler bis auf eine Öffnung in der Kühlermitte ab, kann das Kühlmittel schneller auf ca. 100°C aufgeheizt werden, damit der Bimetallstreifen heiß angeblasen wird. Bei winterlichen Temperaturen kann eine Kühlmitteltemperatur von 110°C für das Ansprechen des Bimetalls erforderlich sein.

Die Vorderseite des temperatur- und drehzahlgeregelten Viscolüfters.

Resümee

9/81 startete die Umsetzung des „MB Energiekonzepts 1981“, ein Fortschritt bei allen Motoren, der mehr Beachtung verdient. Die Teillast-Arbeitstemperatur wurde zur Verbesserung des Wirkungsgrades in den Bereich über 90°C angehoben. Da bummelt der Lüfter (ab 9/81) immer. Es gilt, für mehr Motordrehzahl zu sorgen, wenn das Thermometer gelegentlich im Stau- oder bei Volllaststress 100°C und mehr anzeigt.

Die beiden Beiträge „Doppelt geregelte Motorkühlung“ und „Prüfung des Viscolüfters“ sollen das Vertrauen in die hervorragende Qualität und relativ hohe Effektivität unserer Clubobjekte ab 1981 stärken. Auch bei den altehrwürdigen Klassikern der 70er-Jahre dient die Viscotechnik kontinuierlich dem Geräuschkomfort und der Durstminderung. Diese Zeilen mögen dazu beitragen, dass wir nach vielen Alpenserpentinen oder im Hitzestau auf der Autobahn über eine 120°C Anzeige nicht mehr erschrecken. Im Gegenteil, dass wir wissen, wie mit kleinen Bedienungsänderungen das Ansteigen in den roten Bereich und das Dampfablassen verhindert werden kann, das wünscht

© Fotos: M. Weber, H. Lang