von Gerd Frölich
Ich denke meine Leidenschaft für Mercedesfahrzeuge der Baureihen W123/W124 (derzeit noch auf der Suche nach einem W201) ist aus dem Artikel über meine Oldtimer- / Youngtimersammlung sehr deutlich geworden.
Man musste also sehr intensiv die Kleinanzeigen diverser Zeitschriften studieren oder wenn man Glück hatte, konnte man auch schon einmal ein interessantes Angebot über Mund zu Mund Reklame vermittelt bekommen. Auch hatte man noch die Option bei einigen Markenhändlern sogenannte „Bastlerfahrzeuge“ als Privatmann zu einem zivilisierten Preis zu erwerben.
Zu diesem Zeitpunkt bekam ich als Mitglied des W123 Clubs die Mercedes Zeitschrift Classic regelmäßig zugesendet. Für mich war natürlich immer der Anzeigenteil von großem Interesse, wie ihr euch vorstellen könnt. In einer Ausgabe vom März 2000 hatte ich dann die folgende Anzeige unter der Rubrik Fahrzeugverkäufe entdeckt:
- 230C
- BJ. 77
- 54TKM
- Milanbraun Met.
- Servo
- Schiebedach
- sowie Automatikgebtriebe
- Name des Verkäufers, Anschrift in Berlin.
- VK: DM 5500,00.
Leider war keine Telefon-Nr. angegeben. Somit war eine Kontaktaufnahme nur per Brief oder persönlich möglich. Da ich aus Bielefeld komme, wollte ich nicht ohne weiteres nach Berlin fahren, ohne die Möglichkeit mit dem Verkäufer im Vorfeld einige wichtige Details über das Fahrzeug abzuklären. Gesagt getan. Wie schon erwähnt waren die Möglichkeiten im Internet über eine Recherche einer Rückwärtssuche der Adresse zu der entsprechenden Telefonnummer noch bei weitem nicht wie heute möglich. Ich bediente mich daher der Klicktel Auskunft CD’s, um an die Rufnummer zu gelangen und ich hatte auch Glück, dass der Verkäufer dort registriert war.
Nach zahlreichen vergeblichen Anrufen habe ich dann die nächste Stufe meiner Recherche eingeleitet. Da es sich um ein Mehrfamilienhaus mit 3 Parteien handelte, habe ich mir die Telefonnummern der Nachbarn besorgt.
Bei einem der Nachbarn war ich dann erfolgreich. Man war zwar zunächst sehr reserviert aufgrund meiner Nachfrage, warum ich den Verkäufer nicht erreichen konnte. Aber nach dem ich mein Anliegen geschildert habe, erfuhr ich auch den Grund, warum ich keinen telefonischen Kontakt herstellen konnte. Der Verkäufer hatte ein Ferienhaus auf Mallorca und war daher nur zeitweise in Berlin anwesend. Die Nachbarin hatte mir aber versprochen, meine Telefonnummer sowie mein Kaufinteresse entsprechend weiterzuleiten.
Daraufhin habe ich lange Zeit nichts mehr gehört und hatte mich schon innerlich damit abgefunden, dass ich wohl nicht in den Besitz dieses Mercedes kommen werde. Umso erstaunter war ich dann, dass ich zwei Monate später, es war bereits Mai, einen Anruf von dem potentiellen Verkäufer erhalten habe. Er hatte von seiner Nachbarin erfahren, dass ich mich für sein Coupe interessiere. Ich erfuhr dann, dass es sich um ein Ersthandfahrzeug handelt, was von der Ehefrau nur während der kurzen Aufenthalte in Berlin genutzt wurde und daher absolut Rostfrei ist. Ferner erfuhr ich, dass man eigentlich nur erst einmal mit der Verkaufsanzeige erfahren wollte, wie die Resonanz auf ein Fahrzeug dieser Art ist. Man wäre sich auch noch nicht sicher, ob man überhaupt zu einem Verkauf bereit wäre, da viel Emotionen an diesem Fahrzeug hängen. Wichtig wäre aber, dass wenn man sich zum Verkauf entschließen würde, dass Fahrzeug unbedingt in gute Hände käme. Ich habe dann etwas von meiner Leidenschaft zu der Marke Mercedes erwähnt und erklärt, warum ich mich gerade für dieses Fahrzeug interessiere. Während des Gesprächs habe ich dann mein ehrliches Interesse an dem Mercedes so gut vermitteln können, so dass man bereit war, mit mir einen Besichtigungstermin innerhalb der nächsten Tage abzusprechen, da man nur einige Tage in Berlin Aufenthalt geplant hatte.
An einem sonnigen Freitag war es dann soweit. Ich habe mich nach Berlin aufgemacht und wurde sehr freundlich von dem älteren Besitzerehepaar, das in einer sehr eleganten Gegend in Wilmersdorf (Grunewald) wohnte, mit Kaffee und Plätzchen empfangen.
Schnell stellte sich eine gewisse Sympathie heraus und endlich war der Moment gekommen, da ich mir das Fahrzeug in der Tiefgarage anschauen konnte.
Ich traute meinen Augen nicht, als unter einer Abdeckung ein zwar eingestaubtes aber dafür fast neuwertiges Mercedes Coupe zum Vorscheinen kam. Während Gesprächs erfuhr ich, dass der liebevoll genannte „Braune“ auch schon einmal für kurze Zeit in Mallorca zum Einsatz kam, aber man sich dann doch entschlossen hatte, den Wagen nur noch in Berlin für die Dauer ihrer Kurzaufenthalte einzusetzen. Angebote seitens Mercedes sowie einzelner „Fähnchenhändler“ hatte man immer strikt abgelehnt. Selbst lukrative Angebote für das Original Becker Mexico Autoradio mit Cassette inkl. Austausch gegen ein Neugerät für DM 1000,00 hatte man zurück gewiesen. Ich merkte also, dass dieser Kauf sich bei so viel Emotionen als schwierig erweisen könnte. Ich musste also hier sehr behutsam vorgehen, um mein Ziel zu erreichen. Wir waren dann letztendlich so verblieben, dass man sich mein Kaufinteresse überlegen wollte und sich zu einem gegebenen Zeitpunkt wieder bei mir melden wird.
Zurück von meiner Reise dachte ich dann, dass sich vielleicht noch einmal in einem Brief meine Beweggründe zum Kauf zusammenfassen sollte, so dass ich bei den Herrschaften in hoffentlich guter Erinnerung bleiben würde.
Wieder gingen einige Monate ins Land und ich hatte ehrlich gesagt nicht mehr mit einer Antwort gerechnet. Es war dann Ende Oktober 2000 als ich vom Besitzer den lang ersehnten Anruf erhielt, dass man sich zum Verkauf an mich letztendlich entschlossen hatte und ich das Fahrzeug am 01.11.2000 (Es war Gott sei Dank ein Feiertag in NRW) abholen könnte, da man danach wieder nach Mallorca reisen wollte.
Überzeugend habe ich dann meiner Frau gegenüber argumentiert, dass es doch schön wäre, einen Kurztrip nach Berlin zu planen, um mal wieder (meine Frau hat dies bereits schon öfter mitgemacht) nein nicht etwa Shoppen zu gehen, sondern ein Fahrzeug zu überführen. Meine Aufregung war sehr groß und ich habe dann auch die Nacht vor der Abholung kaum geschlafen, wie sich einige von euch Oldtimerfans sicherlich vorstellen können.
Der 01.11. war ein typischer Herbsttag, sonnig aber kalt. Nach problemloser Anreise wurden wir wieder sehr freundlich von dem Besitzerehepaar empfangen. Nach einem ausführlichen Gespräch war es dann endlich so weit. Die Übergabe erfolgte. Man hatte sogar noch eine Inspektion durchführen lassen. Die komplette Fahrzeugdokumentation inkl. sämtlicher alter HU/AU Berichte, MB-Werkstattrechnungen, Serviceheft sowie der Neufahrzeugrechnung wurden mit an mich übergeben.
Es folgte noch ein tränenreicher Abschied und ich versprach mich nach erfolgter Fahrzeugkosmetik sowie einiger kleiner Veränderungen wie z.B. Austausch des in Fahrzeugfarbe lackierten Kühlergrill gegen einen Chromgrill mit Stern zu melden.
Die Überführung verlief dann problemlos. Das Fahrzeug hatte bestimmt die letzten 10 Jahre keine Autobahn mehr gesehen. Dementsprechend habe ich dann auch meinen Fahrstill in Bezug auf die Geschwindigkeit angepasst. Zunächst einmal nur 100 km/h auf der Berliner Avus ab Braunschweig war ich dann etwas mutiger und habe allmählich auf 130 km/h erhöht.
Die Tage darauf wurden mit einer intensiven Fahrzeugpflege verbracht. Austausch der Reifen waren noch erforderlich. Wie versprochen habe ich den Vorbesitzern noch Bilder zugesandt, über die sie sich sehr gefreut haben. Wir sind dann noch über viele Jahre im Kontakt geblieben. Ein zweiter Fahrzeugkauf von demselben Ehepaar erfolgte noch in 2006. Man hatte noch einen W124 (230CE/70 TKM/BJ. 88) zum Verkauf und erinnerte sich an meine Sammlerleidenschaft. Auch dieser wurde von mir gekauft, aber das ist eine andere Geschichte.
Bis dahin Eurer Sternsammler
Gerd Frölich