Was den Inhalt betrifft, so soll sich der Leser sein eigenes Bild machen: war es Unkenntnis, war es kalkuliert, oder vielleicht gar ein Betrugsversuch? Wer weiß…
Auf alle Fälle, viel Spaß bei der Lektüre!
Mercedes-Benz 680 Type S, Sports-Tourer, Baujahr 1928, Fahrgestellnr. 35920, Motor Nr. 68674
Es gibt jedoch Kritikpunkte am Auto selbst, beim Restaurator, und letztendlich beim Auktionator. Als ersten Besitzer soll der Wagen einen gewissen Wilhelm von Hohenzollern gehabt haben. Keines der Mitglieder des Hauses von Hohenzollern war allerdings jemals Kunde des Dresdner Karosseriebauers „Gläser Karosserie“, laut der – geborgenen – Kundenliste des Unternehmens.
Obwohl der Bombenangriff der Alliierten vom 13. bis 15. Februar 1945 auf Dresden die Stadt fast vollständig zerstörte und auch den Gläser Hauptsitz sowie das Firmenarchiv zerstörte, gelang es einigen Mitarbeitern, einige Unternehmensdokumente zu retten. Auch schrieben sie ihre Erkenntnisse und Erinnerungen nieder. Louis Delling, ein erfolgreicher Lebensmittelhändler in Dresden, war nachweislich der erste Besitzer des Wagens, der am Mittwoch, den 30. Mai 1928 in Dresden ausgeliefert wurde. Zu diesem Zeitpunkt war das Fahrzeug, mit der Fahrgestellnummer 35920 und der Motornummer 68674 – mit der typischen ovalen „Carrosserie Buhne“ – Plakette des Berliner Karosseriebauers „Buhne“ beidseitig am unteren Ende der A-Säule versehen (3).
Cambridgeshire, an Douglas A.J.F. Hodson, einem Baumeister aus der Ortschaft Knapwell, Cambridgeshire, verkauft wird. Im November 1954 bietet eine Anzeige in „Vintage Autos“ Douglas A.J.F. Hodson‘s Auto für £ 450 zum Verkauf an.
Die Werbung von Vintage Autos beginnt mit (7): „Dieses Auto war ursprünglich im Besitz von Prinz Wilhelm Hohenzollern.“
So sehr der Zweck dieser Aussage war, den Verkauf des Autos zu fördern, so sehr stimmt sie allerdings auch nicht. Kein Kronprinz Wilhelm von Hohenzollern, bzw. Kronprinz Wilhelm von Preußen, noch ein Prinz Wilhelm von Hohenzollern, der Sohn des Kronprinzen (1906 bis 1940), wurde gefahren in einem, oder fuhr einen Mercedes-Benz oder ein Auto eines anderen Herstellers, das einen Aufbau von Gläser aus Dresden gehabt hätte. Kronprinz Wilhelm war ein Fan der Autos der “Protos Automobil GmbH“ aus Berlin, insbesondere des Protos Typ ‚G‘. (Das Unternehmen wurde später nach Fusionierung mit der NAG zur NAG-Protos, und 1927 aufgelöst). Was Prinz Wilhelm betrifft, so war er im Alter von 22 Jahren noch Student an der Universität Bonn. Wie auch immer, das Auto wird nun in die Vereinigten Staaten verkauft. Es heisst, der nächste Besitzer soll ein gewisser John North von irgendwo an der Ostküste der Staaten gewesen sein. Die Information ist vage, mehr ist diesbezüglich auch nicht bekannt, daher ist diese Information mit äusserster Vorsicht zu geniessen.
Und die Buhne-Plakette ist immer noch da, als das Auto im August 1964 von Ed Jurist Vintage Car Store Inc. für 15.000 US-Dollar an John A. Riegel aus Montchanin, einer Gemeinde in der Nähe von Wilmington (Delaware), verkauft wird (9).
Gleich nach seiner Restaurierung nimmt das Auto an einer Reihe von Autoshows und „Concours d’Elégance“ teil (1969 Scottish Games, Wilmington,DE; Hershey 1970; Hagley Car Show 1970; Amelia Island; Ėlégance of Hershey Events 2014, u.a.), bei denen der 680 Typ S im Laufe der Jahre mehrere „Best-of-Show“ „Most elegant“, Erste Plätze und andere „Special Prize“- Auszeichnungen erhielt…
Es heisst, der Wagen wird als Alltagswagen benutzt, zum Einkaufen, zu Sonntagsausflügen, um die Kinder zur Schule zu bringen – und wieder abzuholen, und im Laufe der Zeit wird der 680S auch bei mehr als einer Familienhochzeit eingesetzt.
Zwischen 2013 und 2015 wird der Mercedes einer „großen Restaurierung“ unterzogen. Als der Wagen 2015 schliesslich fertiggestellt war, liess der Besitzer, John A. Riegel, das Auto direkt nach Colorado liefern, um seinen langjährigen Traum zu verwirklichen, nämlich am „Colorado Grand“ (einer Wohltätigkeitsveranstaltung und Fahrt) teilzunehmen. Anlässlich der Restaurierung wurde das Original-Verdeck, das eine beige-braune Farbe hatte, durch ein neues, schwarzes, ersetzt.
Gleichzeitig wurden die verchromten Schutzbleche entfernt, ebenso verschwand der Lalique-Elefant vom Kühler, ein zeitgenössischer Mercedes-Stern nimmt dessen Platz ein, und, besonders erwähnenswert, aus welchem Grund auch immer, ist (sind) die „Buhne-Plakette(n)“ vom Wagen plötzlich verschwunden (12).
Ich habe mehrmals versucht, mit David L George, Eigentümer von D.L. George Coachworks, zu telefonieren. Die einzige knappe Auskunft, die ich von einer Angestellten bezüglich der plötzlichen Anwesenheit der „Gläser“-Plaketten erhalten konnte, war: „Die haben wir beim letzten Lackieren angeschraubt“ (14). Bei meinem zweiten Anruf erfuhr ich, von der gleichen Anbgestellten, dass ihre Recherchen gezeigt hätten, dass das Auto jahrelang fälschlich als von „Buhne“ karossiert identifiziert worden war. Weitere Versuche, Mr. George zu erreichen, blieben unbeantwortet.
Es ist klar, dass es sich beim Aufbau dieses Autos um ein Einzelstück handelt. Es ist auch dank zahlreicher Bilder, die im Laufe der Jahre gemacht wurden, klar und überprüfbar, dass die „Buhne Carosserie GmbH. Berlin“-Plakette bis zur letzten Restaurierung 2013/2015 auf beiden Seiten der A-Säule des 680 S angebracht war (15).
Was war wohl der Grund, die Bezeichnung des Karosseriebauers von „Buhne“ auf „Gläser“ zu ändern?
Es mag mehrere Erklärungen hierzu geben, einige sind wahrscheinlich, andere weniger. Alle sind jedoch nur Theorien und beruhen auf Indizien.
Man kann nicht völlig ausschliessen, dass ein Mitarbeiter des D.L. George Coachworks während des Neu-Lackierens die „Buhne“-Plaketten verlor, und sie durch „Gläser“-Plaketten ersetzte, um seinen Fehler zu vertuschen. Authentische, vielleicht. Wenn nicht, sind Reproduktionen leicht erhältlich.
Diese Theorie ist nicht unmöglich, aber doch ziemlich unwahrscheinlich.
Man kann bei Gooding & Company zumindest bemängeln, dass sie das Auto bzw. dessen Geschichte nicht gründlich genug recherchiert haben. Für ein etabliertes Auktionshaus, solche notwendigen Recherchen nicht durchgeführt zu haben, um eine genaue Beschreibung des Autos und seiner Geschichte für die Auktion, den Katalog und die Webseite aufstellen zu können, ist eher ungewöhnlich, nahezu fahrlässig möchte man sagen. Aber bekanntlich lehnt ein Auktionator durchwegs jegliche Verantwortung für die Genauigkeit der Beschreibung dessen, was er verkauft, ab, und kann nur mit den Informationen arbeiten, die ihm gegeben werden, stimmt’s?
Ich rief jedenfalls Gooding and Company an, um Klarheit zu bekommen, und sprach mit einem David Brynan über meine Verwirrung im Bezug auf die beiden Plaketten. Die knappe Antwort, die ich bekam, verblüffte mich: Er sagte, dass irgendwann in den sechziger Jahren etwas falsch identifiziert wurde, und einige Verwirrung über die Identifizierung des Autos herrschte, aber dies sei aufgeklärt worden. Das Auto trägt die Karosseriemarken von „Gläser“, und sie (Gooding & Company) hätten die relevanten Informationen von Mercedes erhalten. Dies sei ein 680S mit Aufbau von „Gläser“… Ende der Geschichte. Wie bitte, wirklich ????
Der Name „Buhne“ wird nirgendwo von Gooding erwähnt, und nirgendwo wird auch nur ein Hinweis auf irgendeine „Etikettier-Verwirrung“ aus den 60er Jahren erwähnt…
Am Ende möchte man sagen, glücklicherweise wurde das Auto 2017 bei Gooding’s Pebble Beach Auktion nicht verkauft, einem potentiellen Käufer wurde hier wohl eine möglichen Enttäuschung erspart…
Gründliche Nachforschung ergibt, dass es es eigentlich keinen Zweifel geben dürfte, dass der Aufbau von „Buhne“ produziert wurde.
Erkenntnis: Wie immer: „Käufer sei vorsichtig!“, und prüfe, prüfe , und nochmals prüfe!
Mein Dank ebenfalls an E. Andrus, Boston, für seine Ratschläge.