Originaler W125 von 1937 beim Goodwood Revival 2012

Seinerzeit neuer W125 bringt Mercedes zurück auf das Siegerpodest

Goodwood Revival 2012: Vier originale Mercedes-Benz Silberpfeile am Start

Stuttgart – Mercedes-Benz Classic wird vier originale Vorkriegs-Silberpfeile zum diesjährigen Goodwood Revival (14. bis 16. September 2012) bringen. Einer davon ist ein Grand-Prix-Wagen der Baureihe W 125, der eigens für die Saison 1937 konstruiert wurde: Das vor 75 Jahren präsentierte Fahrzeug bescherte Mercedes-Benz eine überaus erfolgreiche Rennsaison und brachte die Marke erneut auf das Siegerpodest.

Beim diesjährigen Goodwood Revival wird Mercedes-Benz Classic am Demonstrationsrennen der Silberpfeile der 1930er-Jahre teilnehmen, zusammen mit Audi Tradition, die mit fünf Fahrzeugen von Auto Union vertreten sein werden.

Die dort von Mercedes-Benz Classic eingesetzten historischen Rennwagen entsprechen den hohen Maßstäben der Marke an Authentizität: Es sind Originale der 1930er-Jahre. Hautnah erlebbar werden ein W 25 (1934), ein W 125 (1937), ein W 154 (1939) sowie ein W 165 (1939) sein. Sie sind bis heute ununterbrochen im Werksbesitz und in nahezu allen Details original; in den Fällen, wo beispielsweise aus Sicherheitsgründen Teile erneuert werden mussten, entsprechen diese exakt den einstigen Herstellervorgaben und -standards. Die Daimler AG ist hier in einer einzigartigen Position: Als Hersteller sämtlicher Produkte verfügt das Unternehmen als alleiniger Anbieter über das gesamte Spektrum, die Originalität eines Fahrzeugs nachzuweisen und es in seinem originalen Zustand zu bewahren.

Der W 125 sorgt für eine überaus erfolgreiche Saison 1937

Heiser brüllt der Kompressormotor des neuen Mercedes-Benz Silberpfeils, der am 9. Mai 1937 beim Grand Prix von Tripolis auf der Rennstrecke von Mellaha seine Premiere gibt. Es ist, das wird sich schon während des Rennens unter der Sonne Nordafrikas zeigen, der Ruf des ultimativen Rennwagens dieses Jahres. Denn das Fahrzeug vom Typ Mercedes-Benz W 125 gewinnt nicht nur sein Premierenrennen (mit Hermann Lang am Steuer), sondern ist auch in vielen anderen Wettbewerben des Jahres erfolgreich. So holt Rudolf Caracciola 1937 mit drei Siegen für Mercedes-Benz in fünf Wertungsrennen erneut den Europäischen Meistertitel der Association Internationale des Automobile Clubs Reconnus (AIACR).

Große Leidenschaft und höchste technische Kompetenz stecken in diesem völlig neu entwickelten Grand-Prix-Boliden. Mit einer grundlegenden Neukonstruktion demonstriert die Rennabteilung von Mercedes-Benz größtes Vertrauen in das eigene Können. Denn der W 125 wird eigens für dieses Jahr entwickelt: 1937 ist die vierte und zugleich letzte Saison, in der die 750-Kilogramm-Formel gilt. Nach drei Jahren, in denen der W 25 bei Rennen eingesetzt worden war, treten die Stuttgarter nun vor dem Ende dieser Ära noch einmal mit einem komplett neuen Rennwagen an.

Internationale Rennerfolge für den W 125

Der W 125 soll vor allem die Konkurrenz der Auto Union wieder in die Schranken weisen, nachdem Bernd Rosemeyer 1936 für diese Marke die Europameisterschaft gewonnen hatte. Und der Bolide erfüllt die in ihn gesetzten Erwartungen in vollem Umfang: Rudolf Caracciola siegt in den für die Europameisterschaft gewerteten Großen Preisen von Deutschland (Nürburgring), der Schweiz (Bremgarten) und Italien (Livorno), Manfred von Brauchitsch sieht am Steuer eines W 125 beim Großen Preis von Monaco als erster die Zielflagge.

Siege kann Mercedes-Benz auch bei Grand-Prix-Rennen verzeichnen, die nicht für die Meisterschaft gewertet werden: Lang gewinnt in Tripolis und Caracciola siegt beim Großen Preis von Masaryk in Brünn. Hinzu kommen beispielsweise die Plätze 2 und 3 für Caracciola und von Brauchitsch beim Eifelrennen und 2. Plätze für Richard Seaman beim Vanderbilt-Cup in New York (dem zweiten Rennen überhaupt, bei dem die Stuttgarter Werksmannschaft in den Vereinigten Staaten startet) sowie der Coppa Acerbo in Pescara. Beim Großen Preis von Donington in England fährt von Brauchitsch auf Platz 2 ins Ziel – vor dem drittplatzierten Caracciola.

Neben den für Langstreckenrennen ausgelegten Grand-Prix-Wagen baut Mercedes-Benz auch zwei W 125 speziell für Bergrennen auf. Sie zeichnen sich durch eine besonders leichte Konstruktion aus. Sowohl diese Leichtbau-Version als auch die für Grand-Prix-Rennen entwickelte Variante des W 125 werden in den Jahren 1938 und 1939 noch bei Bergrennen eingesetzt.

Verdichtung des fertigen Gemischs durch einen Lader

Der Radstand des 4200 Millimeter langen, 1750 Millimeter breiten und nur 1200 Millimeter hohen Rennwagens beträgt 2798 Millimeter. Die Spur misst vorne 1473 Millimeter und hinten 1412 Millimeter. Das Fahrzeug wiegt lediglich 749 Kilogramm – ohne Fahrer, Betriebsstoffe und Reifen. Damit wird die 750-Kilogramm-Formel nahezu punktgenau umgesetzt.

Der W 125 wird von einem Reihenachtzylindermotor mit 5660 Kubikzentimeter Hubraum angetrieben. Die jeweils zwei Einlass- und Auslassventile je Zylinder sind schräg hängend angeordnet und werden über Schwinghebel betätigt. Für die Gemischbildung sorgen zwei Saugvergaser, hinter die ein Roots-Kompressor zur Verdichtung geschaltet ist. Dass der mechanische Lader hinter den Vergasern arbeitet, der Kompressor also das fertige Gemisch verdichtet, ist eine Premiere in den Rennwagen von Mercedes-Benz.

Der in der Spitze nahezu 600 PS (441 kW) leistende Motor arbeitet auch in einer besonderen Variante des W 25, die erfolgreich beim Avus-Rennen antritt: Caracciola und Lang bestreiten das Rennen in einer stromlinienförmig verkleideten Version des W 25, der vom M 125-Motor des aktuellen Rennwagens angetrieben wird. Mit einem dieser Renner siegt Hermann Lang, während Richard Seaman auf einem klassischen W 125 Grand-Prix-Wagen ohne stromlinienförmige Verkleidung und mit frei stehenden Rädern als Fünfter ins Ziel kommt. Der Einsatz der Stromlinienwagen gibt Mercedes-Benz 1937 wichtige Hinweise für die Entwicklung künftiger Renn- und Rekordwagen mit voll verkleideter Karosserie.

Besonders konsequent ist die aerodynamische Optimierung des Rekordwagens auf Basis eines W 125 umgesetzt, mit dem Rudolf Caracciola im Januar 1938 die schnellste je auf einer öffentlichen Straße gemessene Geschwindigkeit erzielt: Der Rekordwagen auf Basis des W 125, angetrieben von einem 736 PS (541 kW) starken V12-Motor, erreicht auf der Autobahn Frankfurt–Darmstadt ein Rekordtempo von 432,692 km/h über einen Kilometer mit fliegendem Start und 432,360 km/h über eine Meile (1.609,30 m) mit fliegendem Start.

Technisch visionäre Details

Der W 125 wird vor allem nach den Erkenntnissen des Konstrukteurs Rudolf Uhlenhaut entwickelt, dem Mitte des Jahres 1936 die technische Leitung der neu gebildeten Rennabteilung übertragen wird. Das Rückgrat des Wagens bildet ein überaus stabiler Rahmen aus Nickel-Chrom-Molybdän-Stahl mit vier Querträgern. Statt eines Rahmens mit Kastenprofilen wie beim W 25, erhält der W 125 einen Rohrrahmen mit elliptischem Querschnitt. So steigt die Torsionssteifigkeit des Fahrzeugs ohne Motor auf den dreifachen Wert des Vorgängers.

Die Räder sind vorn an doppelten Querlenkern mit Schraubenfedern geführt. Hinten sorgt eine De-Dion-Doppelgelenkachse mit längs angebrachten Drehstabfedern und hydraulischen Hebelstoßdämpfern für konstanten Sturz und bestmögliche Straßenlage. Seitliche Lenker geben Schub- und Bremsmomente an das Fahrgestell weiter.

Der neue technische Rennleiter Rudolf Uhlenhaut, selbst ein sehr talentierter Fahrer und ebenso schnell wie die Rennfahrer des Werkes, testest den nicht mehr konkurrenzfähigen Silberpfeil von 1936 persönlich bei ausgiebigen Versuchsfahrten auf dem Nürburgring. Auf Basis dieser im Wortsinn selbst erfahrenen Erkenntnisse entscheidet er sich bei dem neuen Silberpfeil W 125 für eine revolutionäre Fahrwerkauslegung: Die bislang übliche Abstimmung des Fahrwerks – hart gefedert, aber wenig gedämpft – verkehrt er kurzerhand und richtungsweisend ins Gegenteil: Der W 125 rollt mit besonders großen Federwegen weich gefedert, aber kräftig gedämpft an den Start und darf damit auch als Vorbild für alle modernen Mercedes-Benz Sportwagen gelten. Äußerlich unverwechselbar wird der W 125 vor allem durch seine drei Kühlöffnungen in der Front.

Erinnerungen an eine erfolgreiche Saison

Der W 125 fährt nur ein Jahr lang in Grand-Prix-Rennen um Siege. 1938 löst ihn der Mercedes-Benz W 154 ab, der nach der neuen 3-Liter-Formel konstruiert ist. Die Experten von Mercedes-Benz wissen jedoch die wegweisende Technik des erfolgreichen Rennwagens von 1937 zu schätzen: So übernimmt beispielsweise Fahrwerkingenieur Max Wagner für den W 154 die fortschrittliche Chassis-Architektur des W 125 weitgehend unverändert.

Die Erinnerung an den legendären Rennwagen, der 1937 Premiere hatte, ist nach wie vor glänzend: Der W 125 sei „ein außergewöhnlicher Rennwagen, der seinen ganz besonderen Platz in den Annalen der Rennsportgeschichte verdient“, schreibt beispielsweise der renommierte Motorsporthistoriker und Silberpfeil-Experte Louis Sugahara in seinem Standardwerk über die Mercedes-Benz Grand-Prix-Fahrzeuge der Zeit von 1934 bis 1955.

QUELLE: DaimlerAG